Macrons Deutschlandbesuch – wird die europäische Raketenabwehr zum Streitthema?

Deutschland will eine europäische Raketenabwehr – nach seinen eigenen Wünschen. Frankreich sieht manches davon kritisch. Das Thema kommt angesichts des Staatsbesuchs von Macron wieder auf den Tisch.
Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem der Deutschen Bundeswehr vom Typ „Patriot“.
Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem der Deutschen Bundeswehr vom Typ „Patriot“.Foto: Axel Heimken/dpa
Von 26. Mai 2024

Ab heute besucht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Deutschland. Vor seinem Staatsbesuch dringt der Chef der EVP, Manfred Weber (CSU), auf eine gemeinsame europäische Raketenabwehr. Frankreich kritisierte in der Vergangenheit, dass die von Deutschland initiierte „European Sky Shield Initiative“ nicht nur deutsche, sondern auch nicht-europäische Technologien wie US-amerikanische und israelische Systeme bevorzugt. Es würde keine ausgewogene europäische Zusammenarbeit zur Stärkung der gemeinsamen Fähigkeiten fördern.

„Die deutsch-französische Freundschaft muss endlich wieder in Gang kommen: Wir brauchen eine wirksame europäische Luftverteidigung“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Schutz vor Raketenangriffen sei fundamental für die Sicherheit des Kontinents.

Die European Sky Shield Initiative müsse eine echte EU-Initiative werden, so Weber. „Autoritäre Regime wie Putin und der Iran, deren Raketensysteme Europa erreichen können, werden sich durch Trippelschritte nicht beeindrucken lassen.“

Macron: Deutschland verfolge eigene Interessen

Die European Sky Shield Initiative (ESSI) ist ein von Deutschland initiiertes Projekt zum Aufbau eines verbesserten europäischen Luftverteidigungssystems. Es zielt darauf ab, gemeinsam mit anderen europäischen Staaten neue Waffensysteme zur Abwehr von Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen zu beschaffen und so Lücken im bisherigen Schutzschirm für Europa zu schließen.

Die ESSI wurde vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine ins Leben gerufen, um die Bedrohung durch Russlands Langstreckenwaffen zu adressieren.

Ziele sind zum einen die gemeinsame Beschaffung von Luftverteidigungssystemen für verschiedene Abfangschichten zur Stärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO. Zum anderen geht es um ökonomische Skaleneffekte und militärische Synergieeffekte durch Bündelung der Beschaffung sowie einen verbesserten Schutz vor Luftangriffen und Reduzierung der Erpressungsfähigkeit Russlands gegenüber NATO-Staaten.

Deutschland plant beispielsweise in diesem Rahmen die Beschaffung des israelisch-amerikanischen Raketenabwehrsystems Arrow 3. Frankreich sieht darin eine Bevorzugung nicht-europäischer Systeme. Das in der ESSI eingesetzte amerikanische Patriot-System soll modernisiert werden. Auch dies wird von Frankreich als Förderung nicht-europäischer Technologie kritisiert.

Frankreich befürchtet, dass die ESSI zu einer Fragmentierung der europäischen Rüstungsindustrie führen und den Aufbau eigener europäischer Fähigkeiten behindern könnte.

Präsident Macron warf Deutschland in einer Rede vor, mit der ESSI eigene nationale Interessen und Industrieförderung zu verfolgen, anstatt eine gemeinsame europäische Lösung anzustreben. Für Frankreich ist allein schon die nukleare Abschreckung ein starker Schutz für die NATO.

Finanzierung und beteiligte Staaten

Jeder Teilnehmerstaat entscheidet selbst, welche Systeme er beschafft und in welchem Umfang er sich finanziell beteiligt. Es gibt keine verpflichtende Lastenteilung.

Durch Bündelung der Instandhaltung und Logistik für die gemeinsam beschafften Systeme ergeben sich weitere Einsparungen. Deutschland als Initiator und größter Truppensteller in Europa dürfte einen Großteil der Kosten übernehmen.

Bisher haben sich 16 Staaten der von Deutschland koordinierten Initiative angeschlossen, darunter auch die Schweiz und Österreich mit Neutralitätsvorbehalten. Polen plant ebenfalls einen Beitritt und will die Initiative auf EU-Ebene vorschlagen.

Die Teilnehmerstaaten entscheiden selbst, welche Systeme sie beschaffen und in welchem Umfang sie sich beteiligen. Der Beitritt zur ESSI stellt keinen Vorentscheid für spezifische Systeme dar. (dts/red)



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