Machtpoker zahlt sich für Woidke aus – kommt jetzt der große Deal mit BSW?

Dietmar Woidke hat im Vorfeld der Wahl in Brandenburg auf volles Risiko gesetzt, und das hat sich für ihn bezahlt gemacht. Mit 30,9 Prozent steht die SPD auf dem ersten Platz. Für Olaf Scholz im Bund könnte dies ein erstes Signal zum Durchatmen sein. Die CDU fällt hinter das BSW zurück.
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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigt sich nach dem knappen Wahlergebnis erleichtert.Foto: Axel Schmidt/Getty Images
Von 23. September 2024

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Bei den Landtagswahlen in Brandenburg hat Ministerpräsident Dietmar Woidke in den letzten Wochen vor der Abstimmung auf volles Risiko gesetzt. Er hatte seinen Verbleib im Amt – unabhängig von Mehrheitsoptionen – davon abhängig gemacht, dass seine SPD im Land nicht hinter der AfD landet. Es war ein hoher Einsatz, und er hat sich bezahlt gemacht. Mit 30,9 Prozent konnten die Sozialdemokraten am Sonntag, 22. September, ihren Vorsprung behaupten und sogar noch ausbauen.

Sie konnten ihr Ergebnis von 2019 um 4,7 Prozentpunkte steigern. Die AfD legte um 5,7 Prozentpunkte auf 29,2 Prozent zu. Künftig wird die SPD mit 32 Sitzen im Landtag vertreten sein, die AfD kommt auf 30. Gleichzeitig konnte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 13,5 Prozent bei seinem dritten Antreten auf Landesebene ein zweistelliges Ergebnis erzielen. Damit zog die Partei sogar an der CDU vorbei und kommt auf 14 Sitze.

Keine Mehrheit für ein Bündnis aus SPD und CDU

Die Union verlor deutlicher als in Umfragen angedeutet und kommt mit 12,1 Prozent (minus 3,5 Prozentpunkte) auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Brandenburg. Da sie nur auf zwölf Sitze kommt, gäbe es für SPD und CDU keine gemeinsame Mehrheit im 88 Sitze fassenden Landtag. Woidke wird entweder ein Zweierbündnis mit dem BSW oder eine Dreierkonstellation unter Einschluss der CDU anstreben.

Wermutstropfen für Woidke: Ausgerechnet in seinem Heimatstimmkreis Spree-Neiße blieb er um sieben (!) Stimmen hinter dem AfD-Kandidaten Steffen Kubitzki. Mit Ausnahme des Stimmkreises Cottbus II gewann die AfD alle Direktmandate im Süden und Osten des Landes sowie die drei nordwestlichsten Stimmkreise. Die SPD konnte vor allem im Speckgürtel um Berlin die Direktmandate holen.

Nicht mehr im neuen Landtag vertreten sein werden die Grünen, die Linkspartei und die Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/Freie Wähler (BVB/FW). Die Grünen kamen am Ende auf 4,2 Prozent (minus 6,6), die Linke auf 3,0 (minus 7,7) und BVB/FW auf 2,6 (minus 2,4).

Höchste Wahlbeteiligung in Brandenburg seit Wiedergründung

Bereits bei einem geringen Auszählungsgrad zeichnete sich ab, dass die Grünen ihr Direktmandat, das Marie Schäffer 2019 gegen Klara Geywitz erringen konnte, nicht halten würden. Am Ende lag SPD-Kandidatin Manja Schüle mit 34,4 gegenüber 26,5 Prozent für Schäffer voran.

In Barnim II konnte Péter Vida mit 23,9 Prozent der Erststimmen zwar einen Achtungserfolg verbuchen, am Ende blieb er damit jedoch hinter Steffen John (AfD) mit 26,3 und Martina Schmidt (SPD) mit 24,1 Prozent zurück. Die FDP kam sogar nur auf 0,8 Prozent (minus 3,26) und blieb damit noch hinter der Tierschutzpartei (2,0 Prozent) und Plus Brandenburg (0,9).

Mit 73,5 Prozent war die Wahlbeteiligung die mit Abstand höchste seit Wiedergründung des Bundeslandes Brandenburg im Jahr 1990. Bereits um 14 Uhr hatten 46,1 Prozent der 2,1 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme im Wahllokal abgegeben. Damit lag die Beteiligung um 15 Prozentpunkte höher als fünf Jahre zuvor – und dabei waren die Briefwahlstimmen noch nicht mit berücksichtigt.

Hauptmotive der SPD-Wähler: Woidke behalten

Die SPD profitierte vor allem von guten persönlichen Beliebtheitswerten des Ministerpräsidenten. In einer Umfrage für Infratest dimap für die ARD gaben 61 Prozent der Befragten an, mit seiner Arbeit „sehr zufrieden“ oder zumindest „zufrieden“ zu sein. Außerdem kamen die Sozialdemokraten bei Wählern über 70 Jahre auf 49 Prozent der Stimmen. Die Grünen verloren in der Wählergruppe zwischen 16 und 24 Jahren 21 Prozentpunkte und kamen nur noch auf 6 Prozent.

AfD musste nur an BSW Stimmen abgeben

Neben der Person Dietmar Woidkes und der Verhinderung einer relativen AfD-Mehrheit war die soziale Sicherheit das am häufigsten von SPD-Wählern genannte Motiv für ihre Wahlentscheidung. Das von AfD-Wählern am häufigsten genannte Wahlmotiv war die Zuwanderung.

BSW-Wähler wählten ihre Partei vor allem aufgrund ihrer Angst vor einer Eskalation des Ukraine-Krieges. Wer CDU wählte, nannte am häufigsten die wirtschaftliche Entwicklung als Grund für seine Entscheidung. Wählern von AfD und BSW war auch gemeinsam, dass sie am häufigsten unter allen Parteianhängern Sorge um einen künftigen Verlust des Lebensstandards äußerten.

Die SPD verlor gegenüber 2019 etwa 13.000 Wähler an die AfD und 23.000 an das BSW. Hingegen gewann sie von den Grünen 42.000 und von der Linkspartei 27.000 Stimmen. Auch 15.000 Nichtwähler konnte Woidke mobilisieren. Die AfD gewann von allen anderen Parteien und holte 13.000 Nichtwähler zurück, verlor jedoch 14.000 Stimmen an das BSW.

Die CDU gab 22.000 Stimmen an die AfD ab, 14.000 an die Sozialdemokraten und 13.000 an das BSW. Von der Linken zur Wagenknecht-Partei wanderten 41.000 Stimmen. Diese holte zudem 17.000 Stimmen früherer Nichtwähler, 11.000 von BVB/FW und sogar 4.000 von den Grünen.

Was das Ergebnis in Brandenburg für die Ampel bedeuten könnte

Ob das Ergebnis von Brandenburg die Ampelkoalition im Bund stabilisieren kann, ist fraglich. Die SPD ist zumindest vorerst gestärkt, auch wenn Woidke Bundeskanzler Olaf Scholz bewusst aus dem Wahlkampf herausgehalten hatte. Finanzministerin Katrin Lange hatte sogar der Bundesparteichefin Saskia Esken eine Talkshowpause empfohlen.

Scholz selbst, den in Brandenburg nur 20 Prozent der von Infratest dimap Befragten als guten Bundeskanzler bezeichneten, könnte vermutlich erst ein Erfolg in Hamburg haben. Dort wird voraussichtlich am 2. März die neue Bürgerschaft gewählt. Ein SPD-Erfolg in dem Bundesland, das Scholz sieben Jahre lang regiert hatte, könnte ihm Rückenwind für die Bundestagswahl geben. Trost für Scholz: Ebenfalls nicht mehr als 20 Prozent der Befragten hielten CDU-Chef Friedrich Merz für einen guten Kanzlerkandidaten.

Es gilt auch als wenig wahrscheinlich, dass die Grünen das Ampelbündnis platzen lassen. Zwar war Brandenburg die siebte Landtagswahl hintereinander, bei der die Partei Federn lassen musste. Auch auf Bundesebene muss sie gegenüber 2021 mit Verlusten rechnen. Allerdings sind ihre eigenen Anhänger verhältnismäßig am zufriedensten mit der Ampel, was die Motivation zum Koalitionsbruch nicht entscheidend steigern dürfte.

Linkspartei in existenzieller Krise angekommen

Anders könnte es bei der FDP aussehen. Dort könnte sich nach den letzten besonders desaströsen Ergebnissen in den neuen Bundesländern eine Stimmung ausbreiten, wonach man auch bei einem vorzeitigen Ampel-Aus nichts mehr zu verlieren hätte. Zumindest ist damit zu rechnen, dass die Bereitschaft zur taktischen Rücksichtnahme auf die Koalitionspartner in der gegebenen Situation noch geringer ausfallen dürfte.

Mit dem Rücken zur Wand steht hingegen die Linkspartei. Sie ist nicht nur in einer früheren Hochburg deutlich unter der 5-Prozent-Hürde angekommen. Auch in den Erststimmenwahlkreisen, wo mit Sebastian Walter oder Kerstin Kaiser Kandidaten mit „Kümmerer“-Image ins Rennen gingen, kam die Partei nicht einmal in die Nähe des Direktmandats. Sowohl Barnim I als auch Märkisch-Oderland II gingen mit deutlichem Vorsprung an die AfD.

Inwieweit die inhaltliche Entwicklung der Linkspartei zu der Wahlschlappe beigetragen hat, bleibt offen. Vor allem im BSW weist man auf das Abstimmungsverhalten von Links-Abgeordneten wie Carola Rackete im EU-Parlament hin. Jüngst hatte diese einer Resolution zur Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörpern an die Ukraine und einer Aufhebung der Einschränkung des Waffeneinsatzes zugestimmt. Nur eine der drei EU-Abgeordneten der Linkspartei stimmte dagegen.

Hamburg als erste Bewährungsprobe für Wagenknecht-Partei im Westen

Die Zeiten, in denen die Linkspartei – vormals PDS – als Verkörperung ostdeutscher Befindlichkeiten wahrgenommen wurde, scheinen jedoch vorbei zu sein. Nur noch 8 Prozent der von Infratest dimap Befragten nennen die Linke als die Partei, die ostdeutsche Interessen am besten vertrete – ein Minus von 18 Prozentpunkten. Bereits in der Vergangenheit waren frühere Wähler der Linken zur AfD oder in die Wahlenthaltung abgewandert. Mittlerweile steht mit dem BSW eine zusätzliche Alternative zur Verfügung.

Ob es diesem gelingen wird, auf Dauer die Linkspartei zu beerben, wird von zwei Faktoren abhängen. Der eine ist, wie sich die Partei in den Landesregierungen beweisen wird. Sowohl in Thüringen als auch in Sachsen und in Brandenburg kann gegen die Wagenknecht-Partei nicht regiert werden. Der andere ist, inwieweit verbliebene lokale Aushängeschilder der Linkspartei, die heute noch Landräte oder Oberbürgermeister stellen, ihren Weg ins BSW finden werden.

Im Westen wird die Partei eine eigene Strategie finden müssen. Manches deutet darauf hin, dass man sich ein Beispiel an Jean-Luc Mélenchon in Frankreich nehmen wird – so war das BSW bei der EU-Wahl gemeinsam mit der protürkischen DAVA stimmenstärkste Kraft unter muslimischen Wählern. In Hamburg steht die Partei vor einer ersten Bewährungsprobe im Westen. Es ist zu erwarten, dass der EU-Abgeordnete Fabio De Masi eine nicht unbedeutende Rolle im Wahlkampf spielen wird. Damit könnten Themen wie der „Cum-Ex“-Skandal wieder zurück auf die Tagesordnung kommen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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