Luftwaffe First: 100 Milliarden für die Truppe und als NATO-Quote
Noch Ende Oktober waren sich die Ampel-Parteien in ihren Koalitionsverhandlungen einig, die von der Vorgängerregierung geplante Aufstockung der deutschen Armee zu stoppen. Man wollte die Gelder lieber für die neue Klimapolitik ausgegeben. Mit dem Einmarsch Russlands am 24. Februar in die Ukraine änderte sich die Ausgangslage und die nicht im besten Zustand befindliche Bundeswehr gewann wieder an Bedeutung.
Neben der nun doch anvisierten Aufstockung von derzeit 184.000 Soldaten auf 203.000 bis zum Jahr 2027 – so man sie auftreiben kann –, steht eine weitere Zahl im Raum: „Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten“, soll als neuer Absatz in Artikel 87a des Grundgesetzes eingefügt werden und für die Bundeswehr notwendige Investitionen in den nächsten Jahren bringen.
100 Milliarden für die Truppe?
Doch wohin soll das Geld fließen? Die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, befürchtet, dass jetzt bei den Rüstungskonzernen „sicher die Sektkorken knallen“ und erinnert daran, dass viel Geld schon in dubiose Beraterverträge geflossen sei. Die Rüstungsindustrie habe sich „mit zum Teil völlig überzogenen Preisen“ bereichert.
Ob aus diesen oder anderen Gründen drängt Reservistenverbandschef Patrick Sensburg auf eine zügige Vergabe der Gelder: „Wichtig ist, dass jetzt sehr schnell die notwendigen Anschaffungen für die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten getätigt werden. Dazu gehören vor allem Kälte- und Nässeschutz, Nachtsicht- und Funkgeräte“, erklärte der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND).
Wird sich Sensburgs Wunsch erfüllen? Ein vertrauliches Papier gibt über die Aufteilung der Gelder Auskunft.
Luftwaffe First – strategische Gründe?
Mittlerweile ist auch bekannt, wofür das Geld hauptsächlich ausgegeben werden soll. Unklar bleibt, ob bereits kampfstrategische Gründe hinter der Aufteilung der Gelder stecken oder die Bundeswehr an den notwendigen Stellen allgemein „restauriert“ werden soll.
Laut einem vorliegenden Entwurf des Wirtschaftsplans für die Milliarden-Ausgaben soll mit 40,9 Milliarden Euro der größte Teil des Geldes in die Luftverteidigung investiert werden. Darin beinhaltet sind etwa die Posten „Eurofighter ECR zur elektronischen Kampfführung“ oder die Anschaffung des Tornado-Nachfolgers F-35 Lockheed Martin. Auch sollen schwere Transporthubschrauber angeschafft, die bodengestützte Luftabwehr verstärkt und für die Bewaffnung der Drohne Heron TP gesorgt werden. Weitere Gelder sollen in die Weltraumüberwachung und ein weltraumbasiertes Frühwarnsystem gesteckt werden.
Ein weiterer großer Teil ist für die „Dimension See“ (Marine) geplant: 19,3 Milliarden für diverse Korvetten, Fregatten und seegestützte Raketenwaffen. Auch die „Dimension Land“ soll bedacht werden. 16,6 Milliarden Euro gehen unter anderem in die Bereiche Schützenpanzer und schwere Waffenträger für die Infanterie. Den zweitgrößten Milliarden-Posten übernimmt jedoch mit 20,7 Milliarden Euro die „Dimension Führungsfähigkeit/Digitalisierung“.
430 Millionen soll in die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) gehen und ja, auch die Soldaten sollen besser ausgestattet werden. Zwei Milliarden sind für Bekleidung und persönliche Ausrüstung eingeplant.
Genauere Angaben zur Aufteilung der Milliarden auf die einzelnen Posten oder zu den Zeitpunkten der Umsetzung wurden nicht gemacht. Über den Entwurf soll am Freitag im Bundestagsausschuss abgestimmt werden. Zuerst berichtete „Business Insider“ detailliert über das vertrauliche Papier.
Scholz: 100 Milliarden und zwei Prozent – oder doch nicht?
In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen ist, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Zeitenwende-Rede für die Finanzierung der Bundeswehr am 27. Februar zwei Sachen versprochen hatte – zum einen: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“ Zum anderen sagte Scholz: Man werde ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro „für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben“ einrichten.
Aus Richtung der Ampel hieß es laut „Tagesspiegel“ aber jedoch, dass dies ein „Missverständnis“ sei, weil Scholz kein Sondervermögen plus Erhöhung des Verteidigungsbudgets angekündigt habe. Im Gegenteil, das Sondervermögen sei die Erhöhung des Etats. Dieser werde in den nächsten fünf Jahren um jeweils 20 Milliarden angehoben, von 50 auf etwa 70 Milliarden. Das entspreche den von der NATO geforderten zwei Prozent vom BIP.
Dies bestätigte auch Brigadegeneral a. D. Klaus Wittmann: „Diese 100 Milliarden sollen offenbar Jahr für Jahr über fünf Jahre zum Aufstocken des Verteidigungsetats auf die berühmten zwei Prozent NATO-Verpflichtung benutzt werden“, sagte der ehemalige Bundeswehrgeneral im Gespräch mit der „Welt“.
Laut Wittmann gibt es eine wichtige Voraussetzung für rasche Investitionen. Die Industrie müsse Planungssicherheit haben. Dann könne relativ schnell mit dem Nötigen begonnen werden: „Tornado-Nachfolge, Nachfolge schwerer Panzerabwehr-Hubschrauber, Munitionsproduktion, Drohnen und möglicherweise ein neues Raketenabwehrsystem“. Und auch die Marine brauche neue Schiffe.
„Wir brauchen 300 Milliarden“
Linkenchefin Wissler hingegen sind 100 Milliarden zu viel. Sie nannte die Bundeswehr ein „Fass ohne Boden“, in das nicht „noch mehr Steuergeld“ versenkt werden soll. Sie riet eher dazu, die Milliarden in Klimaschutz, öffentlichen Personennahverkehr oder die Sanierung von Schulen zu investieren.
Demgegenüber hegte Reservistenverbandspräsident Sensburg gegenüber dem „Handelsblatt“ Zweifel daran, dass 100 Milliarden Euro überhaupt reichen würden. Aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung der Bundeswehr werde man deutlich mehr als 300 Milliarden Euro investieren müssen, so Sensburg, „wenn wir wieder eine leistungsfähige Truppe haben wollen“.
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