Nach SPD-Austritt: Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen erwägt unabhängige Kandidatur
Wird Ludwigshafen zum nächsten Trendmodell für eine Stadt, deren Oberhaupt auf Persönlichkeit statt Partei setzt? Oder ist Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, nach 27 Jahren Zugehörigkeit aus der SPD ausgetreten, weil sie düstere Vorahnungen hat? Der kommunalpolitische Paukenschlag im Südwesten hat weit über die Region Spekulationen ausgelöst – zumal die Politikerin selbst keine Gründe für ihren Schritt nennen will.
Mit 58,1 Prozent zur OB von Ludwigshafen gewählt
Auf Facebook hatte Steinruck verkündet, die Parteizugehörigkeit habe für ihre Amtsführung keine Bedeutung gehabt. Sie werde an „gewissen Grundüberzeugungen und Werten“ auch mit dem Ablegen des Parteibuchs weiterhin festhalten.
Im Jahr 2017 war sie mit 58,1 Prozent in der Stichwahl souverän zur Oberbürgermeisterin der Kurpfalz-Metropole gewählt worden. Die nächsten Wahlen stehen im Herbst 2025 an. Eine Kandidatur als Parteilose hat Steinruck Medienberichten zufolge nicht ausgeschlossen.
Was ihre Erfolgsaussichten anbelangt, gehen die Meinungen dazu weit auseinander. Kommentator Hartmut Reitz deutet im SWR an, die Oberbürgermeisterin wäre mehr oder minder nichts ohne ihre Partei. Dass sie diese nun verlässt, verleitet ihn zu Andeutungen, Steinruck könnte „amtsmüde“ sein oder die SPD habe sie „längst fallengelassen“.
Parteilose Stadtoberhäupter auch in größeren Gemeinden immer beliebter
Demgegenüber meint Kommunalpolitiker Raik Dreher von der Fraktion „Grünes Forum/Piraten“, Steinruck habe im Fall eines Wiederantritts sehr gute Stichwahlchancen. Ihr Schritt sei „eine starke Entscheidung einer starken Frau“. Sie setze sich für das Wohl der Stadt ein und die SPD habe sie „verprellt“.
Waren parteilose Stadtoberhäupter lange Zeit hauptsächlich in dörflichen oder kleinstädtischen Strukturen häufig, nimmt deren Zahl seit Jahren auch in größeren Städten zu. So regierte von 2019 bis 2022 ein parteiloser OB in Rostock. Seit März dieses Jahres gibt es einen solchen auch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz.
Sogar Parteiaustritte sind in größeren Gemeinden mittlerweile kein Hindernis mehr für eine Wiederwahl. Im sächsischen Freital bestätigten die Bürger Uwe Rumberg im Juni 2022 zwei Jahre nach seinem Austritt aus der CDU überlegen im Amt. Wenige Monate später gelang dem ehemaligen Grünen Boris Palmer das gleiche Kunststück in Tübingen. Sind in Zeiten der Parteienverdrossenheit populäre Stadtoberhäupter am Ende ohne ihre Partei sogar stärker?
Distanz zur SPD als Chance zur Wiederwahl?
In Freital und Tübingen waren es eindeutig Gründe in Weltanschauung und Amtsverständnis, die zum Bruch der OB mit ihren Parteien geführt hatten. Dies hatten diese auch unmissverständlich kommuniziert.
In Ludwigshafen sind die Gründe undurchsichtiger. CDU-Landeschef Christian Baldauf sieht Differenzen mit der SPD-geführten Landesregierung unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Diese lasse „seit Jahren die Kommunen finanziell im Regen stehen“.
Kommentare in sozialen Medien wittern in Steinrucks Austritt eine Flucht nach vorn. Die Politik der SPD-geführten Bundesregierung drohe insbesondere für die BASF als größten Arbeitgeber in Ludwigshafen existenzgefährdend zu werden. Die Wiederwahlchancen für Steinruck würden sich verbessern, ginge sie zur SPD auf Distanz. Mancherorts machen auch Gerüchte die Runde, die BASF plane weitere groß angelegte Betriebsschließungen – und die Oberbürgermeisterin sei darüber im Bilde.
Kommunalpolitische Bilanz von Steinruck nicht überzeugend?
Ein Controller und kommunalpolitischer Insider aus der Region hat mit der Epoch Times unter der Bedingung der Anonymität über die möglichen Hintergründe des Parteiaustritts gesprochen. Dass die BASF damit zu tun habe, sei unwahrscheinlich, heißt es vonseiten der Quelle. Steuermittel des Konzerns seien vor allem nach Mainz geflossen, Ludwigshafen habe davon kaum einen Nutzen gehabt.
Stattdessen gehöre Ludwigshafen zu den Städten mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung im Land, was sich auch in der Stadtentwicklung abbilde. Vieles davon habe Steinruck von ihren Vorgängern geerbt, nennenswerte Akzente ihrerseits habe sie jedoch auch nicht setzen können.
Im Gegenteil: Die Kommunalpolitik habe wenig für den Handelsstandort Ludwigshafen geleistet, der ohnehin im benachbarten Mannheim eine übermächtige Konkurrenz habe. Zahlreiche Gastronomen hätten aufgegeben – auch in der Corona-Zeit, als Steinruck zu den Verfechtern rigider Maskenpflichten und Pandemiemaßnahmen gezählt habe.
Innenstadt von Ludwigshafen in beklagenswertem Zustand – Haushalt geplatzt
Die Oberbürgermeisterin habe nicht nur ein seit sieben Jahren offenes Bauvorhaben am Berliner Platz nicht zu Ende geführt. Sie sei zudem für die Entscheidung zum Abriss des Rathaus-Centers verantwortlich. Damit, so die Quelle, bewirkte sie die „Vernichtung des letzten belebten Platzes in der Ludwigshafener Innenstadt, der noch als Handels- und Gastronomiestandort attraktiv war“.
Das frühere Einkaufszentrum dort sei nun geschlossen, in der unterirdischen Bahnhaltestelle gebe es ein erhebliches Müllproblem. Das Dach der großen Umsteigehaltestelle am Berliner Platz sei seit dem Abriss nur noch teilweise vorhanden. In diesem Zustand ziehe die Innenstadt zunehmend verhaltensauffälliges Publikum an, während zahlungskräftige Mieter oder das Gewerbe diese mieden.
Zuletzt habe die Stadtverwaltung einen nicht genehmigungsfähigen Haushalt vorgelegt. Dies sei „schon eine ziemliche Eskalation“ gewesen. In der Spardebatte seien die Gräben zwischen Steinruck und ihrer Partei am Ende so tief geworden, dass sie sich nicht mehr hätten überbrücken lassen.
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