Loveparade-Opfer kritisiert Verfahrenseinstellung: „Wie vor den Kopf geschlagen“

Im Strafprozess um die Loveparade-Tragödie mit 21 Toten hat das Landgericht Duisburg das Verfahren gegen sieben der zehn Angeklagten eingestellt.
Titelbild
Loveparade-Gedenkstätte.Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images
Epoch Times6. Februar 2019

Es ist einer der denkwürdigsten Augenblicke des Loveparade-Prozesses: Am 101. Verhandlungstag, kurz vor der Verfahrenseinstellung gegen sieben der zehn Angeklagten durch das Gericht, erhält am Mittwoch im Verhandlungssaal noch einmal einer der Hinterbliebenen das Wort. Der Bauingenieur Klaus Peter Mogendorf, der bei dem Unglück in Duisburg im Sommer 2010 seinen Sohn Eike verlor, richtet einen emotionalen Appell an das Gericht.

„Es gibt noch viele brennende Fragen, die es lohnt aufzuklären“, sagt Mogendorf. Eine geringe oder aber mittelschwere Schuld der Angeklagten in dem Mammutverfahren festzustellen, sei nach gut einem Jahr Verhandlungsdauer schlicht nicht möglich. Er sei „wie vor den Kopf geschlagen“ gewesen, als er die entsprechende Begründung des Gerichts für dessen Einstellungsvorschlag gehört habe.

„Für solche Schlussfolgerung ist es zu früh“, betonte der Hinterbliebene gut ein Jahr nach dem Prozessbeginn – und knapp eineinhalb Jahre vor Eintritt der sogenannten absoluten Verjährung, die ab dem Juli 2020 eine weitere Strafverfolgung im Loveparade-Fall unmöglich machen würde.

Mogendorf pocht darauf, dass der Grund für den Tod seines Sohns und weiterer 20 Menschen in dem Gedränge am Duisburger Veranstaltungsgelände offen gelegt werden muss – und wer strafrechtlich dafür Verantwortung trägt. „Es muss weiter aufgeklärt werden“, fordert der Nebenkläger. Wichtige Zeugen seien noch gar nicht gehört worden.

Zugleich zeigt sich der Bauingenieur überzeugt, dass bei der Loveparade behördliche und gesetzliche Vorgaben für Großveranstaltungen „nicht angewendet oder umgangen“ wurden. Er schließt seine Ausführung mit einer unmissverständlichen Aufforderung an die Strafkammer des Duisburger Landgerichts: „Stellen wir uns gemeinsam darauf ein, diesen Prozess nicht einzustellen.“

Seinen Appell richtet Mogendorf an den Vorsitzenden Richter Mario Plein. Und der Richter nimmt die Worte des Nebenklägers nicht etwa nur zur Kenntnis und anschließend zu den Akten, wie es manch anderer Kammervorsitzender womöglich tun würde. Vielmehr antwortet Plein dem Hinterbliebenen der Loveparade-Tragödie ausführlich und zeigt dabei viel Fingerspitzengefühl.

Dabei geht der Richter unter anderem darauf ein, dass bei der Einstellung eines Strafverfahrens juristische Begriffe wie „geringe Schuld des Angeklagten“ oder „Wegfall des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung“ eine zentrale Rolle spielen. Für die Hinterbliebenen einer Katastrophe wie damals bei der Loveparade müssten solche Begriffe „Reizwörter“ sein, räumt Plein ein. Dies könne er „sehr, sehr gut verstehen“.

Dennoch: „Es ist einfach nicht richtig anzunehmen, wir würden keine Schuldigen sehen“, sagt der Richter. „Viele Leute tragen Schuld.“ Das Gericht wisse durchaus um die Ausmaße der Loveparade-Tragödie – auch mit Blick auf seinen Vorschlag, das Verfahren einzustellen. „Es gibt schon gute Gründe, das so zusehen, wie wir es sehen“, hebt Plein hervor.

„Natürlich werden wir jetzt intensiv weiter unserer Aufklärungspflicht nachkommen“, fügt der Vorsitzende Richter hinzu – denn trotz der Verfahrenseinstellung gegen sieben Angeklagte sitzen weiterhin drei Beschuldigte auf der Anklagebank, weil sie einer Einstellung ihrer Verfahren nicht zustimmten. Für den Richter ist jedenfalls klar: „Wir werden hier unsere Arbeit weitermachen.“ (afp)



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