Linke-Vorsitzende Wissler und Schirdewan kündigen Rückzug an
Die Linke-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan haben ihren Rückzug angekündigt. Beim Parteitag im Oktober werden sie nicht erneut für den Vorsitz kandidieren, wie beide am Sonntag mitteilten. Den Entschluss hätten sie in einer Sitzung des Parteivorstands verkündet.
„Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht und lange abgewogen, was in dieser Situation sinnvoll ist“, erklärte Wissler. „Ich nehme wahr, dass es in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Neuanfang gibt.“ Nun bleibe der Linken bis um Parteitag Mitte Oktober genug Zeit „für ein transparentes Verfahren und eine innerparteiliche Meinungsbildung zu Kandidaturen“.
Auch Schirdewan erklärte, er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie sei „nach gründlichem Nachdenken in den zurückliegenden Wochen in mir gereift“. Er sei der Meinung, „dass unsere Partei in der jetzigen Situation neue Perspektiven und Leidenschaft braucht, um die notwendige Erneuerung voranzutreiben“, fügte Schirdewan hinzu.
Wahlniederlagen und „teilweise destruktive Machtpolitik“
Wissler und Schirdewan führen die Linke seit 2022 gemeinsam. Zuvor bildete Wissler ein gutes Jahr ein Spitzenduo mit der Thüringerin Susanne Hennig-Wellsow, bevor diese zurücktrat. Die Partei hat eine Serie von Wahlniederlagen hinter sich. Schon 2021 kam sie nur über eine Sonderregel mit drei Direktmandaten in den Bundestag ein. Bei der Europawahl im Juni erhielt die Linke nur noch 2,7 Prozent der Stimmen.
„Ich nehme wahr, dass es in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Neuanfang gibt“, schrieb Wissler in ihrer Erklärung. „Ich halte es jetzt für den richtigen Zeitpunkt, Klarheit zu schaffen.“
Schirdewan appellierte in seiner Erklärung an die eigenen Parteimitglieder: „Gebt denen, die nun bald das Steuer übernehmen, die Chance und das Vertrauen, die Partei auch führen zu können. Dazu braucht es eine Ende der teilweise destruktiven Machtpolitik in unseren eigenen Reihen.“
Parteispitze seit der Europawahl unter Druck
Schirdewan hatte nach der Europawahl Selbstkritik mit Blick auf den Wahlkampf geübt. Dem „Tagesspiegel“ sagte er kürzlich: „Keine Frage: Es ist scheiße gelaufen. Da kann man nicht drumrum reden.“ Schon in dem Zeitungsinterview deutete er an, dass er über einen Rückzug nachdachte: „Ich werde rechtzeitig darüber informieren, ob ich noch einmal antrete.“
Danach wuchs der Druck auf die Parteispitze. „Ich sage es hier ganz offen, wir brauchen eine strukturelle, politische und personelle Erneuerung“, sagte der frühere Fraktionschef Gregor Gysi mit Blick auf den Parteitag im Oktober. Ähnlich äußerte sich der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch.
Die sachsen-anhaltische Fraktionschefin Eva von Angern forderte Wissler und Schirdewan zum Rückzug auf. Kritik kam auch von der langjährigen Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und vom gescheiterten Europakandidaten Gerhard Trabert.
Weitere Schlappen drohen
Die Linke steckt seit Jahren im Richtungsstreit und in der Krise. Im Oktober verlor die Partei mit Sahra Wagenknecht eine ihrer bekanntesten Politikerinnen. Sie gründete das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und erzielte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent. Viele Stimmen kamen von der Linken.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September muss die Linke weitere Rückschläge fürchten. In Thüringen erreichte sie bei der Landtagswahl im Jahr 2019 noch 31 Prozent und stellt den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Dort haben sich ihre Werte in Umfragen etwa halbiert. In Sachsen und Brandenburg steht die Linke in jüngsten Umfragen bei etwa fünf Prozent. (afp/dpa/red)
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