Tankrabatte statt Steuersenkungen – Riesiger Bürokratieaufwand befürchtet
Bundesfinanzminister Christian Lindner erwartet trotz Kritik eine Zustimmung der Ampel-Koalition zu seinem Vorschlag eines Tank-Zuschusses zur Entlastung bei den Spritpreisen.
Der FDP-Chef sagte am Montagabend im ZDF-„heute journal“ auf die Frage, wie hoch er die Chancen sehe: „Hoch“. Man dürfe die Familien, die Pendler und die Gewerbetreibenden mit den stark steigenden Preisen nicht allein lassen: „Das ist nicht die einzige Entlastungsmaßnahme, die wir brauchen, aber es ist eine wichtige und dringliche.“
Lindner sagte zu einem Tank-Zuschuss: „Wir sollten uns an der Marke von zwei Euro orientieren, das sollte beim Beginn dieser Maßnahme der Orientierungspunkt sein.“ Ein „fixer Krisenrabatt“ könnte 30 oder 40 Cent betragen. Lindner sprach von einer befristeten Maßnahme.
Die konkrete Ausgestaltung des Tank-Zuschusses sei in der Regierung noch offen: „Aber man kann pro zehn Cent und Monat 550 Millionen Euro rechnen. 40 Cent für drei Monate zum Beispiel wären also 6,6 Milliarden Euro“, sagte Lindner. Kritik von Grünen und aus der Mineralölwirtschaft, bei dem Modell drohe ein riesiger Bürokratieaufwand, weil jede Tankstelle jede Quittung einzeln einreichen müsse, wies er zurück. „Es soll nicht jede Tankquittung individuell verwaltet werden. Das wäre abwegig.“
So sollten etwa Tankstellenketten auf der Basis der Gesamtmenge des verkauften Sprits die Erstattung beim Staat beantragen können. „Das ist unbürokratisch. Vertreter der Tankstellen haben nach Rücksprache mit meinem Ministerium Bedenken bereits relativiert“, betonte er.
Besser als Steuersenkungen
Seine Idee eines „Krisenrabatts an der Zapfsäule“ habe die größte Durchschlagskraft und sei deshalb besser als eine von der Union geforderte Steuersenkung bei Diesel und Benzin. „Wenn es nach mir geht, landen wir mit dem Tankrabatt bei unter zwei Euro je Liter Diesel und Benzin. Das Ganze geht natürlich nur zeitlich befristet.“ Anders als die Union behaupte, sei die Anwendung des reduzierten Satzes der Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe nach geltendem Europarecht nicht möglich. „Deshalb würde die CDU den Diesel nur 14,04 Cent pro Liter günstiger machen“, sagte Lindner.
Der Finanzminister räumte ein, dass seine Idee in der Regierung noch nicht abgestimmt sei. „Für den Bundeskanzler kann ich nicht sprechen, es ist ja kein Regierungsbeschluss. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass Herr Scholz meine Überlegungen nie erst aus der Zeitung erfährt.“ Lindner hob aber hervor, dass er sein Konzept durchsetzen will: „Ich bin auch FDP-Vorsitzender. Und ja, ich halte einen solchen Nachlass für erforderlich.“
Es müsse aber auch weitere Entlastungen für Familien, Pendler, Gewerbetreibende und sozial Schwächere geben. Forderungen des grünen Koalitionspartners, einen Tankrabatt mit einem Tempolimit auf Autobahnen zu verbinden, hält der Finanzminister nicht für angebracht: „Wir haben gegenwärtig keine physische Knappheit an Kraftstoff, die Kontingentierung erforderlich machen würde. Wir sehen aufgrund einer Marktentwicklung einen Preiseffekt.“
Lindner für Energiegeld
In den ARD-„Tagesthemen“ begrüßte Lindner indes ein von den Grünen vorgeschlagenes Energiegeld. Dies setze aber komplizierte Gesetzgebung voraus. Die von der Union geforderte „Spritpreisbremse“ könnte den Diesel nur um 14 Cent pro Liter günstiger machen.
Die Spritpreise liegen mit weit über zwei Euro pro Liter derzeit auf nie gekanntem Niveau, nachdem sie in den ersten beiden Wochen des Ukraine-Krieges beispiellos in die Höhe geschossen waren – teilweise um mehr als 10 Cent pro Tag. Diesel hat sich seit Kriegsbeginn laut Daten des ADAC um gut 64 Cent verteuert, Super E10 um fast 45 Cent. Nach Angaben des ADAC kostete Super E10 im bundesweiten Schnitt am Sonntag 2,199 Euro pro Liter, Diesel 2,305 Euro pro Liter.
Grünen-Chefin Ricarda Lang hatte gesagt, es gebe verschiedene Vorschläge. Die Entlastung dürfe nicht nur beim Benzinpreis ansetzen, auch Gas- und Lebensmittelpreise belasteten viele Menschen. Nötig sei eine soziale Ausrichtung. Maßnahmen müssten zudem Energiesparen und -effizienz bewirken. In den „Tagesthemen“ sagte Lindner, „ich denke, beim Heizöl können wir noch etwas machen“.
Steigende Weltmarktpreise könne man aber nicht auf Dauer mit Steuergeld subventionieren. Es gehe darum, andere Energie-Lieferquellen zu erschließen und erneuerbare Energien auszubauen. „Und wir müssen auch bestimmte Festlegungen des Koalitionsvertrags der Ampel neu hinterfragen.“ Lindner nannte die Förderung von Öl und Gas in der Nordsee, den Einsatz von Kohleenergie und auch übergangsweise von Kernenergie.
Gelbhaar: Temporeduzierung als „logische Antwort“
Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar sprach sich für eine Temporeduzierung auf Straßen als „logische Antwort“ auf die steigenden Spritpreise aus. „Wer langsamer mit dem Auto fährt, verbraucht auch weniger Sprit“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion der Deutschen Presse-Agentur. Noch effektiver sei das Vermeiden von Fahrten oder der Umstieg auf fossilfreie und fossilarme Verkehrsmittel.
Von einem generellen Tempolimit sprach Gelbhaar nicht. In den Koalitionsverhandlungen hatten sich die Grünen mit dieser Forderung nicht durchsetzen können, vor allem die FDP ist gegen ein Tempolimit.
Bisher drosseln die Autofahrer in Deutschland trotz des Preissprungs bei den Spritkosten nicht das Tempo. Auf Autobahnen ist bisher kein Rückgang der Geschwindigkeiten festzustellen, wie Auswertungen der Verkehrsdatenanbieter Inrix und TomTom für die Deutsche Presse-Agentur ergaben.
Insbesondere auf der Autobahn aber ist der Verbrauch pro Kilometer stark von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Laut Umweltbundesamt verbraucht beispielsweise ein typisches Fahrzeug mit 90 Stundenkilometern auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometer pro Stunde.
„Unsere Geschwindigkeitsanalyse mehrerer Autobahnabschnitte in Deutschland lässt derzeit keine Veränderung der Fahrgewohnheiten aufgrund des Kraftstoffpreises erkennen“, sagt Bob Pishue von Inrix. Bei TomTom verweist man darauf, dass es in der Woche „keine Anpassung im Fahrverhalten bezüglich der Durchschnittsgeschwindigkeit auf den betrachteten Autobahnen seit den Spritpreissteigerungen“ gebe. An Wochenenden ergebe sich kein einheitliches Bild.
Österreich will zeitweise Steuersenkung
Einen Vorstoß Österreichs für eine zeitweise Aussetzung der EU-Mindeststeuersätze für Erdgas, Strom und Mineralöl wies Finanzminister Lindner unterdessen zurück. Dafür gebe es keine Mehrheiten, sagte der FDP-Politiker. Zudem brauche dieses Instrument einen langen zeitlichen Vorlauf. Der österreichische Finanzminister Magnus Brunner hatte zuvor für größere „Flexibilität“ bei den Mindeststeuersätzen plädiert.
Lindner sagte weiter, er werde mit seinen EU-Kollegen auch über „infrastrukturelle Hilfe“ sprechen und Möglichkeiten auf dem Strommarkt. Spanien fordert bereits seit Monaten eine Entkopplung der Strom- und Gaspreise. Die spanische Finanzministerin Nadia Calviño rief die Partnerländer erneut auf, die „Energie-Erpressung“ durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu beenden.
Der russische Vize-Regierungschef Alexander Nowak hatte am Montag gedroht, Russland könnte als Vergeltung für den Stopp des Pipelineprojekts Nord Stream 2 die Gas-Lieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 einstellen.
Putin versicherte hingegen, die russischen Exporte aufrechtzuhalten. Russland halte sich an alle eingegangenen Verpflichtungen zur Energieversorgung, sagte er. Die steigenden Energiekosten seien nicht Russlands Schuld. Die westlichen Staaten hätten sich mit ihren Strafmaßnahmen gegen Moskau „verrechnet“. (afp/dpa/red)
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