Lindner plant kleine Reform der Schuldenbremse

Ein Aussetzen der Schuldenbremse erscheint nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts riskant; umso mehr wird über eine Reform gestritten. Der Finanzminister hält eine Teilreform für möglich.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Schuldenbremse teilweise reformieren.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Schuldenbremse teilweise reformieren.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times16. Dezember 2023

Eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, wie von SPD und Grünen gefordert, lehnt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) weiter ab – eine Teilreform aber nicht. Im kommenden Jahr will er sie angehen. Dabei soll die Höhe der möglichen Verschuldung sich stärker an Konjunkturschwankungen orientieren. Generelle Änderungen an dem Mechanismus zur Begrenzung der Staatsverschuldung wollen aber auch einige Unionsministerpräsidenten, die so mehr Investitionen ermöglichen wollen, die sich erst später auszahlen. Andere in der Union sind dagegen, ihnen schloss sich jetzt auch Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther an.

Lindner sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es sei geplant, die Berechnung der sogenannten Konjunkturkomponente, die bei einem Abschwung mehr Spielraum lasse, zu überarbeiten. Das habe aber nichts mit der aktuellen Haushaltssituation des Bundes zu tun.

Was stellt Lindner sich vor?

„Es ist beabsichtigt, die Berechnung an den aktuellen Stand der
wirtschaftswissenschaftlichen Forschung anzupassen, was die Schwankungsbreite verändern wird“, erklärte Lindner. „Das vergrößert aber über mehrere Jahre gesehen nicht die mögliche Verschuldung. Denn der größere Spielraum im Abschwung wird im Aufschwung wieder eingesammelt“, sagte er. Die Reform wolle er 2024 angehen.

Könnte die Koalition das überhaupt allein?

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse steht nach dem Haushaltschaos beim Bund in der Kritik, weil sie nur einen bestimmten Spielraum zur Aufnahme von Krediten gibt. Für eine von SPD und Grünen geforderte größere Reform ist sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die FDP und weite Teile der Union stemmen sich aber dagegen. Für eine Anpassung der Konjunkturkomponente ist laut RND keine Grundgesetzänderung nötig. Es reiche die Mehrheit der Ampel-Koalition, weil dazu lediglich die Ausführungsgesetze der Schuldenbremse novelliert werden müssten.

Was spräche denn für eine größere Reform?

„Ich halte Investitionen in die Zukunft für absolut notwendig“, sagte Berlins Reagierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. „Das können weder Berlin noch andere Bundesländer und auch nicht der Bund aus dem Haushalt stemmen.“ Bei Verkehrswegen, Brücken, Schulen, Polizei- oder Feuerwehrwachen sei der Investitions- und Sanierungsstau enorm, weil über Jahre vieles auf Verschleiß gefahren worden sei. Zudem gehe es um Firmenansiedlungen gerade im Osten Deutschlands – und darum, diese Unternehmen zu halten. Hinzu kommen für Wegner enorme Herausforderungen etwa bei Klimaschutz oder beim Wohnungsbau. Ihm gehe es nicht um Wahlgeschenke für mehr Konsum der Bürger, sagte Wegner, sondern „um die existenziell wichtigen Investitionen, die unser Land jetzt braucht.“

Und was sagen die Gegner?

Zu ihnen zählt auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU), der Wegner wegen seiner Position bereits gerüffelt hatte. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther sieht das wie Merz. „Es wird nichts besser, wenn man Schulden um der Schulden willen macht und Lasten auf nachfolgende Generation verlagert“, sagte Günther der dpa. „Wir dürfen dauerhaft nicht mehr Geld ausgeben als wir einnehmen.“ Dies müssten Regierungen berücksichtigen. „Ich halte die Schuldenbremse für richtig und auch das geltende Regelwerk“, sagte er. „Für Zukunftsinvestitionen müssen wir Geld in die Hand nehmen. Aber ich befürchte, dass man es auch für andere Zwecke sehr viel leichtfertiger ausgeben würde, wenn wir jetzt an dem Regelwerk etwas ändern würden.“ Das habe es in der Vergangenheit oft gegeben.

Warum ist die Diskussion entstanden?

Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte November nach einer Klage der Unionsfraktion die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Etat 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Außerdem entschieden die Richter, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf. Damit waren Milliardenlöcher im Bundeshaushalt entstanden, über deren Finanzierung die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP sich erst nach wochenlangem Streit in dieser Woche hatte einigen können. (dpa)



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