Lindner fordert Ampel heraus: „Zeit für eine Umkehr“
Christian Lindner (FDP) möchte „einen umfassenden Reformansatz, der unser Land nicht in eine gelenkte Subventionswirtschaft auf Pump führt“.
Die Menschen müssten „wieder Lust auf eigene Leistung haben, Freude am unternehmerischen Risiko zurückgewinnen und mit privatem Geld investieren“ sagte der Finanzminister der „WirtschaftsWoche“ in einem Interview.
Dadurch würden alle durch neue Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen profitieren. „Das ist mein Modell und es hat einen Namen: soziale Marktwirtschaft“, ergänzte er.
Mitschuld an der miserablen Wirtschaft
Seit der Herbstprojektion von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht fest: Deutschland erwartet im zweiten Jahr in Folge eine Rezession. Für 2024 prognostiziert der Internationale Währungsfonds ein Nullwachstum – das sind 0,2 Prozent weniger als noch im Juli vorausgesagt. Vergangenes Jahr lag das Wachstum bei -0,3 Prozent, der Durchschnitt in den 27 EU-Mitgliedsländern laut Eurostat bei 0,4 Prozent.
Für Linder liege die Schuld an der Wachstumsschwäche bisher zu 50 Prozent bei der Vorgängerregierung und in der Geopolitik und nun komme auch „hausgemachte Unsicherheit“ in der Wirtschaftspolitik dazu.
Er habe zwar damit gerechnet, dass eine Ampelkoalition nicht einfach werden würde, doch hätten die unerwarteten Ereignisse, die kurz nach der Regierungsbildung auftraten, die Arbeit noch erschwert.
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann drei Monate nach unserem Start. Hinzu kam der rasante Anstieg der Zinsen und die Inflation. Zusammen mit dem Ende der expansiven Finanzpolitik wurde plötzlich und schmerzlich offenbar, dass unser Land seit 2014 dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat.“
Im Koalitionsvertrag hätte man bereits Vorkehrungen treffen müssen. „Wir hätten früher Steuern senken, mehr Anreize am Arbeitsmarkt schaffen und den Sozialstaat verschlanken müssen, statt ihn auszubauen – das hätten wir gleich entschlossen anpacken müssen, statt jetzt öffentlich immer wieder darum zu ringen.“
Lockerung der Klimapolitik
„Es ist damit Zeit für eine Umkehr“, sagte Lindner, als er auf die drei geplanten Vorzeigeprojekte Habecks angesprochen wird: Die Intel-Chipfabrik in Magdeburg, die Batteriefabrik von Northvolt in Heide und die Produktion von grünem Stahl bei thyssenkrupp stehen trotz Milliarden Euro an Subventionen auf der Kippe.
„Wettbewerbssichere Strukturen kann man nicht am politischen Reißbrett planen und mit Subventionen finanzieren“, kritisierte Lindner den Ansatz dahinter. Es sei weder Gewinn für den Steuerzahler noch für Arbeitnehmer. Das Konzept stamme noch aus der Merkel-Ära und werde von den Grünen heute immer noch vertreten.
Es sei ein „Irrglaube, mit einer umfassenden Regulierung und Subventionen die Wirtschaft erfolgreich steuern zu können. Wir haben Chemie, Pharma, Automotive, Energie sowie Banken und Versicherungen in Grund und Boden reguliert und jeder Dynamik beraubt.“ Es benötige eine Umstellung von kleinteiligen Einzelvorschriften und großen Subventionen auf einen europäischen CO₂-Zertifikatehandel.
Dazu gehört auch Technologieoffenheit. Der Verbrenner müsse den Automobilherstellern auch nach 2035 noch zur Wahl stehen. Auch müsse das deutsche Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, an das europäische angepasst werden – das heißt bis 2050 statt 2045.
Lindner stellt die rhetorische Frage, ob denn auf dem Grabstein der deutschen Industrie stehen soll: „Wir haben uns 2045 von der Industrie verabschiedet, dafür sind wir klimaneutral?“
Steuern und Subventionen
Für die Zukunft bringt Linder eine Senkung der Unternehmenssteuer ins Spiel: „Deutschland braucht zweifelsfrei eine umfassende Unternehmenssteuerreform, die uns auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau bringt.“ Die Steuer müsse von 30 auf unter 25 Prozent gesenkt werden.
Der europäische Durchschnitt der Unternehmenssteuer liegt bei 21,13 Prozent, der OECD-Durchschnitt bei 23,6 Prozent.
Eine von der FDP gewünschte Steuersenkung sei mit den anderen Ampelparteien jedoch nicht möglich. „In dieser Koalition ist eine Unternehmenssteuerreform ausgeschlossen. Im Gegenteil. SPD und Grüne wollen die Steuern auch für Personengesellschaften erhöhen“, so der Finanzminister.
Starker Kapitalmarkt statt höherer Schulden
Zur Frage, warum er die Schuldenbremse nicht lockern wolle, entgegnete Lindner, dass eine schuldenfinanzierte Wirtschaft auf lange Sicht nicht funktionieren würde. „Wettbewerbsfähigkeit der Industrie soll durch Subventionen erreicht werden, die der Staat auf Pump finanziert. Wie lange wollen Sie ein solches Wirtschaftsmodell eigentlich durchhalten?“
Stattdessen hat er eine stärkere Kapitalmarktkultur in Deutschland vorgeschlagen.
Bei einem Besuch der Börse in New York sagte er: „Unser Finanzmarkt ist nicht tief und leistungsfähig genug.“
Den Sendern RTL und ntv sagte Lindner: „Wir müssen auch deshalb eine andere Kapitalmarktkultur in Deutschland entwickeln, damit Wachstumsunternehmen und auch Start-ups finanziert werden können.“ Die Hürde für eine Listung an den Börsen müsse reduziert werden.
„Und auf der anderen Seite brauchen wir mehr Kapital auch in unserem eigenen Markt in Deutschland.“ Dazu sollen auch „die Ersparnisse, die Deutsche anlegen wollen“, beitragen.
Die Regierung plant laut Lindner, die Anlage in Aktien zu fördern: „Für jeden investierten Euro in einen Fonds oder ein anderes Wertpapier wird der Staat 20 Cent dazulegen. Innerhalb des Depots bleiben die Erträge komplett steuerfrei, also potenziell über Jahrzehnte kann der Zinseszinseffekt genutzt werden“, so der Minister.
(Mit Material von AFP/red/tp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion