Ließ Habeck Prüfvermerk frisieren, um Atomausstieg zu retten?

Ein Monatsmagazin klagt derzeit gegen Robert Habecks Ministerium. Es geht um Akteneinsicht im Zusammenhang mit dem „Kanzler-Machtwort“ zum Atomausstieg.
Wasserdampf steigt aus dem Kühltum des Kernkraftwerks (KKW) Isar 2.
Wasserdampf steigt aus dem Kühltum des Kernkraftwerks (KKW) Isar 2.Foto: Armin Weigel/dpa
Von 11. November 2022

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Hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aus ideologischen Gründen Einschätzungen von Fachabteilungen manipuliert, um den deutschen Atomausstieg zu retten? Mehrere Medien, darunter das Monatsmagazin „Cicero“, haben Anhaltspunkte dafür aufgetan.

Das Magazin hat nun sogar eine Untätigkeitsklage gegen das Bundeswirtschaftsministerium vor dem Verwaltungsgericht Berlin eingereicht. Es will auf diese Weise eine Herausgabe aller Unterlagen erreichen, die einen Bezug zur Debatte um eine mögliche Abkehr zum Atomausstieg haben.

Einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz, den „Cicero“ bereits am 16. Juli gestellt hatte, hatte Habecks Behörde zwei Monate lang nicht bearbeitet.

Atomausstieg sollte um jeden Preis stattfinden

Die Prüfberichte des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesumweltministeriums waren für Bundeskanzler Olaf Scholz mit die Grundlage seines „Machtwortes“ vom 17. Oktober.

An diesem Tag hatte er den Streit zwischen Grünen und FDP auf Grundlage seiner Richtlinienkompetenz entschieden: Alle drei noch aktiven Kernkraftwerke in Deutschland werden drei Monate länger laufen als geplant. Das bedeutet eine Verlängerung bis Ende März. Neue Brennelemente werde es jedoch nicht geben. Die Grünen akzeptierten diese Ansage ebenso wie die FDP, die eine Laufzeitverlängerung bis mindestens 2024 gefordert hatte.

Anders als das Bundeswirtschaftsministerium hatte das Umweltressort eine Fülle an internen Unterlagen an „Cicero“ und „Welt am Sonntag“ übermittelt. Was aus diesen mehr als 100 E-Mails, Vermerken, Entwürfen und Stellungnahmen hervorging, nährte jedoch einen eindeutigen Verdacht.

Demnach sei es dem Ministerium unter Leitung von Robert Habeck zu keiner Zeit um eine ergebnisoffene Prüfung einer Laufzeitverlängerung der KKWs gegangen. Vielmehr wollte man offenbar den Atomausstieg um jeden Preis retten – und das zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt am Ende des Jahres.

Fachabteilung: Längere KKW-Laufzeiten könnten 30 Mio. Tonnen CO2 einsparen

Sowohl das Wirtschaftsministerium als auch das Umweltministerium unter Steffi Lemke waren sich in der Frage der Laufzeitverlängerung einig. Trotz der bestehenden Energiekrise sei es geboten, dass Deutschland auf die Nutzung der sechs noch vorhandenen Kernkraftwerke verzichte.

Die Einschätzung widersprach nicht nur fachlichen Beurteilungen von Fachleuten, wie jenen der deutschen Netzbetreiber im sogenannten Stresstest von Anfang September. Das Material, das „Cicero“ und „Welt am Sonntag“ zur Verfügung stand, weist sogar auf Kritik aus eigenen Fachabteilungen hin.

So fand sich in den Unterlagen des Umweltministeriums ein Passus in der „Energiewirtschaftlichen und klimapolitischen Bewertung“, die auf die CO2-Bilanz einging. In diesem hieß es:

Mit Blick auf die – in der Diskussion teilweise als Argument angeführte – CO2-Reduktion dürften die ca. 30 TWh zusätzlicher Atomstrom pro Jahr ab 2024 etwa 25 bis 30 Mio. Tonnen CO2-Reduktion im deutschen Strommix bewirken.“

Im gemeinsamen Prüfbericht beider Ministerien fand sich dieser Passus nicht wieder. Aus dem E-Mail-Verkehr mit dem Bundesumweltministerium ging hervor, dass Habecks Staatssekretär Patrick Graichen ihn streichen ließ.

Ohne Atomausstieg wären Strompreise niedriger und Netze sicherer

Vor wenigen Tagen gab das Habeck-Ministerium dem Informationsbegehren von „Cicero“ teilweise statt und übermittelte weitere Unterlagen. Auch diese waren jedoch nach Angaben des Blattes nicht vollständig. Allerdings erhärteten selbst die vorhandenen Unterlagen den Verdacht ideologischer Ausbremsung der eigenen Fachleute.

Einer weiteren E-Mail lässt sich entnehmen, dass die Fachabteilungen auch dazu geraten hätten, eine Kernkraft-Laufzeitverlängerung einer Reaktivierung von Kohlekraftwerken vorzuziehen. Neben der CO2-Problematik ließe sich so nämlich Erdgas einsparen.

In einer Einschätzung der Experten fanden sich zudem auch Ausführungen bezüglich eines „Reasonable Worst Case“ bei der Stromversorgung und der Preisentwicklung. Dabei hieß es explizit, eine Weiterbetrieb der KKW habe folgende Effekte:

„Die Strompreise sinken und der Netzbetrieb wird sicherer.“

Zudem mahnte man eine Prüfung möglicher Auswirkungen für den Fall an, dass das Gasversorgungsnetz in Bayern aufgrund ausbleibender russischer Lieferungen leerlaufe. Auch diese Hinweise finden in der Endfassung des Prüfberichts in Sachen Atomausstieg keinen Niederschlag.

Scharfe Kritik von FDP und bayerischen Freien Wählern

Gegenüber „Cicero“ wollte die Pressesprecherin Graichens „keine Kommentierung“ der im Raum stehenden Streichungsanordnung vornehmen. Die FDP fühlt sich bereits jetzt über den Tisch gezogen. Gegenüber der „Welt“ äußerte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zu den Enthüllungen:

„Mich besorgt, dass Prüfaufträge, die von grün geführten Ministerien durchgeführt werden, in Zukunft wohl nicht mehr vorbehaltlos für bare Münze genommen werden können.“

Ob aus Sicht der Liberalen tatsächlich das letzte Wort in Sachen Atomausstieg gesprochen ist, wird von der weiteren Entwicklung abhängen. „Cicero“ ist zuversichtlich, auf dem juristischen Weg noch weitere Unterlagen aus dem Habeck-Ministerium zutage fördern zu können.

Auch aus Bayern kommt eine scharfe Reaktion auf die Berichte. Florian Streibl, der Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag, erklärt:

„Wenn es stimmt, dass es durch die Grünen in der Bundesregierung niemals eine ergebnisoffene Prüfung der Laufzeitverlängerung gab und somit gegen das Gemeinwohl, gegen die Menschen, die Wirtschaft in Deutschland und insbesondere gegen die Energiesicherheit in Bayern gehandelt wurde, dann haben Habeck und seine Ideologen alles Vertrauen und ihre Glaubwürdigkeit verloren. Transparenz und Sorge um Deutschland sehen anders aus. Mit grüner Ideologie und Naivität kann kein Land regiert werden.“



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