Leitender Forscher beklagt mangelnden Aufklärungswillen in Kirche
Der Wissenschaftler Harald Dreßing, der das Studienprojekt über Missbrauch in der deutschen katholischen Kirche geleitet hat, beklagt einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Institution. Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen als auch „der Umgang der Verantwortlichen damit“ hätten die Forscher „erschüttert“, sagte Dreßing am Dienstag in Fulda bei der Vorstellung der Untersuchung.
Er betonte, die Missbrauchsthematik sei keineswegs überwunden. „Das Risiko besteht fort“, sagte der forensische Psychiater, der am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim arbeitet. „Unsere Studienergebnisse legen nahe, dass es in der katholischen Kirche Strukturen gab und gibt, die den sexuellen Missbrauch begünstigen können“, sagte er. Gründe dafür seien beispielsweise der Missbrauch klerikaler Macht, die Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit (Zölibat) sowie ein innerkirchlich „problematischer Umgang“ mit dem Thema Sexualität, vor allem mit der Homosexualität.
Dreßing sagte, wenn die Kirche die Missbrauchsthematik in Zukunft wirklich überwinden wolle, müsse sie sich mit diesen Themen „ernsthaft und mit dem Mut zur Veränderung“ befassen.
Die Studie ergab unter anderem, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen. Dreßing gehört einem unabhängigen Forschungskonsortium an, das von der Deutschen Bischofskonferenz vor viereinhalb Jahren mit dem Studienprojekt beauftragt worden war.
Staat darf nicht mehr als unbeteiligter Zaungast agieren
Der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat die katholische Kirche im Zusammenhang mit der am Dienstag vorgelegten MHG-Studie zum sexuellen Kindesmissbrauch aufgerufen, sich für eine umfassende Aufklärung und eine unabhängige Aufarbeitung zu entscheiden. „Die Kirche braucht Unterstützung und der Staat darf jetzt nicht mehr als unbeteiligter Zaungast schauen, wie jetzt Aufarbeitung im kirchlichen Bereich sichergestellt wird, hier muss jetzt im Rahmen der Partnerschaft zwischen Kirche und Staat neue Grundlage für die Aufarbeitung gelegt werden“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig in Fulda.
Am Dienstag wird im Rahmen der Herbstversammlung der Deutschen Bischofskonferenz eine lange erwartete Studie zum jahrelangen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche vorgestellt. Die sogenannte MHG-Studie, die nach den beteiligten Forschungseinrichtungen in Mannheim, Heidelberg und Gießen benannt ist, wurde im Jahr 2013 begonnen und jetzt abgeschlossen. Sie untersucht sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz seit dem Zweiten Weltkrieg.
„Für die Aufarbeitung ist es so wichtig, dass Betroffene jetzt im Mittelpunkt der Aufarbeitung stehen, nicht mehr der unberechtigte Institutionenschutz Katholische Kirche, sondern die Rechte der Betroffenen, denen so unendliches Leid angetan wurde, das muss jetzt nach ganz oben auf die Prioritätenliste“, forderte Rörig. „Und das kann man der Kirche jetzt hier meines Erachtens nicht mehr alleine überlassen, deswegen schlage ich vor, dass zwischen Staat und Kirche vertraglich absolut verbindlich die Kriterien der Aufarbeitung festgelegt werden.“
(dpa/reuters)
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