Lauterbachs neuer Plan: Mit digitalem Booster gegen Abwanderung von Pharmaunternehmen
Der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre wird sich in der Pharmabranche nicht fortsetzen. Darin ist sich der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sicher. Laut dpa rechnet der Verband, der 47 Arzneihersteller mit 94.000 Beschäftigten in Deutschland vertritt, mit einem Umsatzrückgang der Pharmabranche von rund fünf Prozent und 1,7 Prozent Produktionsrückgang.
Auch die Mitarbeiter müssten mit Konsequenzen rechnen. „Rund die Hälfte der Unternehmen hat bereits Personalabbaupläne entwickelt oder erarbeitet derzeit Rationalisierungspläne“, schilderte VFA-Präsident Han Steutel die angespannte Lage der Pharma.
Energiekosten und Herstellerrabatte
Als Grund für die Misere verweist die Pharmaindustrie auf gestiegenen Kosten für Energie und Vorleistungen aus der Chemieindustrie sowie ein nachlassendes Interesse an COVID-Impfstoffen. Der Coup des Mainzer Herstellers BioNTech, der den weltweit ersten zugelassenen Corona-Impfstoff aus Deutschland auf den Markt brachte, hatte dem Pharmastandort zu neuem Glanz verholfen und der Branche eine Sonderkonjunktur verschafft. Doch mit dem Abflauen der Pandemie sinkt die Impfstoffnachfrage, der Markt normalisiert sich.
Auch anderweitig steht die Branche unter Druck. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat für dieses Jahr die Herstellerrabatte erhöht, die Arzneihersteller den gesetzlichen Krankenkassen gewähren müssen. Das soll die Ausgaben im Gesundheitssystem begrenzen. Der Pharmaindustrie kommen diese Vergünstigungen teuer zu stehen. Die VFA sprach von 1,5 Milliarden Euro, dazu kommen weitere Milliardenkosten etwa im Zuge von verlängerten Preismoratorien für Arzneien.
Dass es dennoch auch Neueinstellungen gebe, sei Ergebnis strategischer Unternehmensentscheidungen vergangener Jahre und damit langfristiger Pläne zum Personalaufbau, sagte VFA-Chefökonom Claus Michelsen. Das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass das veränderte Umfeld erhebliche negative Effekte bringe. „Die Politik ist gefordert, dies schleunigst zu ändern.“ Es sei denkbar, dass sich Pharmaunternehmen wegen Kostendrucks von unrentablen Produktionsteilen trennen könnten.
Digitale Gesundheitsdaten sollen Abwanderung verhindern
Bei der Diskussion um die finanzielle Lage der Pharmaunternehmen spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle – die Digitalisierung. Damit kommt die elektronische Patientenakte zum Tragen.
„Wir haben im Gesundheitssystem den Anschluss verpasst. Wir haben keine gute Digitalisierung der Versorgung und keine gute Nutzbarkeit von Forschungsdaten“, zitiert das „Ärzteblatt“ den Bundesgesundheitsminister. Nach seinen Angaben beklagen die Pharmaunternehmen insbesondere die Datenlage im Gesundheitsbericht. Durch die fehlende Digitalisierung könnten bestimmte Arten von Studien oder Therapieentwicklungen in Deutschland nicht mehr so gut umgesetzt werden wie früher.
In anderen Ländern wie China, England, Israel oder Kanada hätte man dies schon erkannt und würde gezielt in eine entsprechende Dateninfrastruktur investieren. „Da läuten überall die Alarmglocken“, so Lauterbach. Deshalb wolle er schnell reagieren, um in Deutschland Unternehmen wie BioNTech oder Bayer zu halten, die ihre Forschungen gerade ins Ausland verlagern.
Auch Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr, bekräftigte den Ruf nach einem digitalen „Booster“ im Gesundheitsbereich in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lauterbach am 25. April. Digital solle das neue Normal in Deutschland werden. Ziel müsse es sein, teure Doppelstrukturen abzuschaffen und rein digital zu verwalten „und das so schnell wie möglich“. Für alle Bereiche seien mehr und bessere Daten zwingende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung, unterstrich Wissing.
„Wir wollen, dass Daten möglichst breit verfügbar, leicht zu finden, einfach zugänglich und nutzbar sind“, so der Minister. Mit anderen Worten: Man benötige eine Datenkultur, die für Mut und Offenheit stehe.
Wie die „Deutsche Apothekerzeitung“ Ende Januar 2023 mitteilte, lagert das Mainzer Unternehmer BioNTech die Krebsforschung nach Großbritannien aus. Ein Grund dafür sei die deutsche Bürokratie. In England hingegen würden Unternehmen und Behörden eng zusammenarbeiten. Bis zum Jahr 2030 sollen bis zu 10.000 Patienten mit individuellen mRNA-Krebsimmuntherapien behandelt werden. Für die Studien vor Ort wird in Cambridge ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum aufgebaut.
(Mit Material von dpa)
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