Lauterbach will weiter einschränken – FDP dagegen: „Kehren zur Normalität zurück“
Nach Einschätzung von Verfassungsexperten im Bundesjustizministerium sind nach dem 20. März einschneidende Corona-Maßnahmen wie 2G- und 3G-Regeln nur noch in Ausnahmefällen möglich. Das geht aus einer Analyse des Entwurfs für die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes hervor, die das von Marco Buschmann (FDP) geführte Ministerium angefertigt hat und über die die „Welt“ berichtet.
In dem vierseitigen Papier heißt es, die voraussichtliche neue Gesetzeslage erlaube die Verhängung von Schutzmaßnahmen nicht bei hohen Neuinfektionszahlen, sondern nur bei drohender Überlastung der Krankenhäuser.
In dem Dokument wird der „Ausnahmecharakter“ der Hotspot-Regelung betont – deren Anwendung sei nur „unter hohen Hürden“ möglich. Zum einen sei dies der Fall, wenn eine Überlastung der lokalen Krankenhauskapazitäten in einer konkreten Gebietskörperschaft drohe.
Darüber hinaus käme die Hotspot-Regelung für den Fall in Betracht, dass eine Virusvariante mit einer „signifikant höheren Pathogenität“ im Vergleich zur Omikron-Variante auftritt. „Gedacht ist hierbei an einen Game Changer, der es erfordern würde, die aktuelle Bewertung der Pandemie zu revidieren“, heißt es in dem Papier.
Zuletzt hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dafür plädiert, trotz des Auslaufens der meisten Corona-Maßnahmen eben jene weiter zu verhängen. So erklärte er am Freitag, er rechne damit, dass die Hotspot-Regelung schnell und oft zum Einsatz kommen werde.
FDP verteidigt Wegfall der Corona-Beschränkungen
Indes verteidigt auch der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den Wegfall der allermeisten Corona-Beschränkungen. Djir-Sarai sagte Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Montag), das sei ein „großer Erfolg“ nach zwei Jahren Pandemie. „Wir kehren zur Normalität zurück.“
Gleichzeitig blieben die Länder handlungsfähig, sollte sich die Corona-Lage wieder drastisch verschärfen. „Diese Kombination aus verantwortungsvollem Handeln und dem Ende der Freiheitseinschränkungen ist genau richtig“, sagte der FDP-Politiker.
Mit Blick auf die Entscheidung zur Impfpflicht in dieser Woche im Bundestag sagte Djir-Sarai: „Eine Impfpflicht wäre, wenn überhaupt, ein Instrument für die Zukunft, in der aktuellen Lage hilft sie nicht.“ Er halte es nach wie vor für richtig, dass das Parlament über diese Frage jenseits von Fraktionsvorgaben entscheide. „Die Mehrheitsverhältnisse vermag ich aber nicht vorherzusehen“, sagte Djir-Sarai.
Dahmen drängt auf Nachschärfung des Corona-Gesetzentwurfs
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen will im Bundestag jedoch auf eine Verschärfung des Regierungsentwurfs für ein neues Infektionsschutzgesetz drängen. „Ich werbe sehr dafür, den Gesetzentwurf zur Reform des Infektionsschutzgesetzes noch einmal anzupassen und die Maskenpflicht in Innenräumen als Basisschutzmaßnahme beizubehalten“, sagte Dahmen den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Montagsausgaben).
Er schränkte die Erfolgsaussichten seines Vorstoßes aber selbst ein: „Es ist unübersehbar, dass es dazu in der Koalition unterschiedliche politische Sichtweisen gibt.“ „Am Ende des Tages bedarf es einer parlamentarischen Mehrheit, um einen entsprechend erweiterten Basisschutz zu beschließen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Wenn es keine Einigung gibt, würde das im schlimmsten Fall dazu führen, dass gar keine Regeln mehr gelten können, weil alles ausläuft“, warnte er.
Die Handlungsspielräume für die Länder seien im Gesetzentwurf der Bundesregierung zudem so groß angelegt, dass Bundesländer auf gleiche Lagen unterschiedlich reagieren könnten. „Deshalb müssen die Länder Verabredungen treffen, wie sie in eigener Verantwortung Regeln so formulieren, dass sie möglichst gleichförmig und nachvollziehbar sind“, sagte Dahmen dem RND.
Der Grünen-Politiker forderte konkrete Schritte bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz: „Da wir in allen Ländern steigende Fallzahlen und in mehreren Ländern sogar Rekord-Inzidenzwerte und eine Rekord-Hospitalisierungsinzidenz sehen, müssen die Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag gemeinsam die Verabredung treffen, alle derzeit geltenden Schutzmaßnahmen erstmal auch über den 20. März hinaus mit Landesbeschlüssen zu verlängern.“
Bundestag debattiert über Einführung der allgemeinen Impfpflicht
Unterstützung erhielt Dahmen vom Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Wenn das Gesetz so verabschiedet wird, wie es vom Bundeskabinett eingebracht wurde, macht es alle Arbeit der letzten zwei Jahre obsolet“, sagte Brysch dem RND zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Der Gesetzentwurf müsse dringend nachgebessert werden. „Testregime und Maskenpflicht müssen bundesweit gesetzlich verankert werden“, forderte der Patientenschützer.
Brysch sprach sich außerdem dafür aus, einen Rechtsanspruch auf regelmäßige Corona-Tests für Pflegebedürftige außerhalb stationärer Einrichtungen und deren Angehörige zu schaffen.
Am Donnerstag will der Bundestag auch über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht debattieren. Dahmen wies auf die erwartbaren Folgen des Ukraine-Kriegs für Deutschland wie steigende Energiepreise und einen starken Zustrom an Flüchtlingen hin. „Wir müssen uns fragen: Können wir es uns im Herbst leisten, dass wir neben einer sicherheitspolitischen, humanitären und ökonomischen Krise infolge des Kriegs, auch den großen Rückschlag einer Gesundheitskrise erleben? Ich meine nein“, mahnte der Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht dem RND gegenüber. (afp/dpa/red)
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