Lauterbach will Gesundheitswesen „kriegstüchtig“ machen
Über 900 Schwerverletzte aus der Ukraine wurden nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) seit Beginn des Krieges mit Russland in deutschen Krankenhäusern behandelt. Einer Million ukrainische Flüchtlinge, die in Deutschland aufgenommen wurden, kommt die gleiche Gesundheitsversorgung wie Staatsbürgern zu. Doch damit nicht genug. Nun plant der Minister, bis Sommer einen Gesetzentwurf vorzulegen, um Ärzte, Kliniken und Ämter für einen Kriegsfall zu wappnen.
Es brauche eine „Zeitenwende für das Gesundheitswesen“, bekräftigte Lauterbach im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Man müsse das deutsche Gesundheitswesen nicht nur für künftige Pandemien besser aufstellen, sondern auch für „große Katastrophen und eventuelle militärische Konflikte“, antwortete er auf die Frage, warum es notwendig sei, das Gesundheitswesen „kriegstüchtig“ zu machen.
Zumal Deutschland im Bündnisfall zur Drehscheibe bei der Versorgung von Verletzten und Verwundeten auch aus anderen Ländern werden könnte“, so der SPD-Politiker weiter.
Gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages kann der sogenannte Bündnisfall festgestellt werden, wenn ein Mitglied der NATO angegriffen wird. „Nach Artikel 5 müssen die Bündnispartner jede Form der Hilfe leisten, die sie für erforderlich halten, um auf die entsprechende Situation zu reagieren“, heißt es dazu auf der Website des deutschen Verteidigungsministeriums.
Klare Strukturen
Im Krisenfall müsse jeder Arzt, jedes Krankenhaus und jedes Gesundheitsamt wissen, was zu tun sei. Lauterbach erwartet hier klare Zuständigkeiten. Es müsse geregelt werden, wie eine hohe Anzahl von Verletzten auf deutsche Krankenhäuser verteilt werden. Auch die Meldewege sollen klar sein. Vorschriften zur Bevorratung reichen dem Minister hingegen nicht aus.
„Schließlich muss für den Krisenfall der Einsatz und die Verteilung von medizinischem Personal geklärt sein. Und all das muss geübt werden“, sagte Lauterbach.
So etwas müsse gut vorbereitet sein. Gespräche mit Spezialisten der Bundeswehr seien schon erfolgt und auch die Zusammenarbeit mit Verteidigungs- und Innenministerium laufe bereits.
„Nichts tun ist keine Option“, betonte der SPD-Politiker, der eine Panikmache von der Hand weist. „Es wäre albern zu sagen, wir bereiten uns nicht auf einen militärischen Konflikt vor, und dann wird er auch nicht kommen. Nach der Logik bräuchte man auch keine Bundeswehr.“
Zusammenarbeit mit der Ukraine für EU-Beitritt
Wie Lauterbach bei einem Treffen am 2. Februar mit dem ukrainischen Gesundheitsminister Dr. Viktor Liashko und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin betonte, nimmt Deutschland mehr Schwerstverletzte aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine auf „als jedes andere europäische Land“. Oft seien darunter Mehrfachamputierte mit Verbrennungswunden und schweren Infektionen. Diese Patienten würden innerhalb eines Verbundes von Spezialkliniken auf Krankenhäuser in ganz Deutschland verteilt werden. Soweit es die Situation zulasse, würden die Betroffenen nach der Behandlung zurück in die Ukraine gebracht.
Während des Treffens wurde ein gemeinsames Abkommen zwischen Deutschland und der Ukraine unterzeichnet – eine Erklärung über den Ausbau der Kooperation im Gesundheitswesen. Dazu zählen neben der Gesundheitsvorsorge, die Bekämpfung übertragbarer und nichtübertragbarer Krankheiten, die Rehabilitation sowie die psychische Gesundheit, die Lauterbach hervorhob. Insbesondere vom Krieg traumatisierten Kindern solle Letztere zugutekommen.
„Das sind Schritte der Ukraine in die EU“, erklärte der Minister. Denn ein gutes Gesundheitswesen sei eine der Voraussetzungen für den Beitritt in die Europäische Union. Es dürfte auf keinen Fall sein, dass „der mörderische Krieg“ die Ukraine daran behindert, diese Auflage zu erfüllen.
28 Milliarden Euro für die Ukraine
Wie Lauterbach schilderte, wurden seit dem Krieg über 1.500 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und medizinisches Personal dokumentiert. Die Bundesregierung habe seither der Ukraine 28 Milliarden Euro zukommen lassen, auch für das Gesundheitswesen.
Trotz der gezielten Angriffe funktioniere das ukrainische Gesundheitswesen, so Lauterbach weiter. Nach Angaben seines Kollegen Liashko habe der Krieg gezeigt, wie wichtig internationale medizinische Partnerschaften seien.
Für eine engere Kooperation zwischen der Ukraine und Deutschland im Gesundheitswesen sollen unter anderem der Austausch von Experten sowie Fachkräften im Rahmen von Schulungsmaßnahmen, der Wissensaustausch zu Organisationsstrukturen und Reformen im Gesundheitssektor sowie der Kontakt zwischen nationalen Gesundheitsbehörden, Stiftungen und Gesundheitseinrichtungen gefördert werden.
„Schließlich kann kein Gesundheitssystem derartige Herausforderungen [wie Pandemien und Krieg] allein bewältigen“, erklärte der ukrainische Gesundheitsminister anlässlich des Abkommens.
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