Lauterbach tauscht zwei Drittel der STIKO-Mitglieder aus

Die Ständige Impfkommission wird um zwei auf 19 Personen erweitert. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin vermisst Transparenz bei der Berufung der Mitglieder und fürchtet einen erheblichen Wissensverlust.
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen großen Teil des STIKO-Personals ausgetauscht. Foto (Archiv): Sean Gallup/Getty Images
Von 13. Februar 2024

Die für die Impfempfehlungen in Deutschland verantwortliche Ständige Impfkommission (STIKO) wird personell in großen Teilen ausgetauscht. Wie Agenturen vermelden, kündigte dies Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an: „Jetzt wird sie mit vielen neuen Mitgliedern aus sehr unterschiedlichen Fachbereichen jünger und noch interdisziplinärer besetzt“, hieß es in einer Mitteilung.

Konstituierende Sitzung im März

Das Bundesgesundheitsministerium hat demnach im Benehmen mit den obersten Gesundheitsbehörden der Länder turnusmäßig die Mitglieder des ehrenamtlichen Gremiums neu berufen. Zu einer konstituierenden Sitzung kommt die künftig um zwei Personen erweiterte 19-köpfige Runde am 12. und 13. März 2024 zusammen.

Dann wählt sie auch einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende, wie ein Ministeriumssprecher mitteilte. Erweitert werde die STIKO nach Ministeriumsangaben um Fachleute aus den Bereichen Modellierung und Kommunikation. So gehört als Nichtmedizinerin Prof. Dr. Constanze Rossmann vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität der Kommission an.

Berufungszeit auf maximal neun Jahre verkürzt

Die größeren personellen Veränderungen waren schon länger angekündigt, Epoch Times berichtete darüber. Im Zuge der Erneuerungen ist die Berufungszeit auf maximal drei Perioden zu je drei Jahren begrenzt. Dies soll dazu beitragen, die Unabhängigkeit des Gremiums zu sichern, hieß es aus dem Ministerium.

Zu den ausgeschiedenen Mitgliedern gehört unter anderem auch der Virologe Thomas Mertens, der seit 2017 Vorsitzender war. Auch Dr. Fred Zepp, emeritierter Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Mainzer Uniklinikum, und seit 1998 Mitglied der STIKO, ist nicht mehr mit dabei.

Er kritisierte den Austausch von zwei Dritteln des Gremiums. Das bedeute einen erheblichen Erfahrungsverlust. „Die neue STIKO wird wahrscheinlich eine gewisse Zeit benötigen, um sich in die anstehenden Themen einzuarbeiten und belastbare Empfehlungen vorzubereiten“, sagte Zepp im November 2023. „Das ist dem BMG aber sicher auch bewusst.“

DEGAM: Einarbeitung der neuen Mitglieder schwierig

Kritik äußerte auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). „Dieser radikale Umbau ist für uns nicht nachvollziehbar, denn dabei geht wichtige praktisch-wissenschaftliche Expertise verloren. Deutschland leistet sich mit der STIKO zurecht ein unabhängig agierendes Gremium für Impfempfehlungen – die darin enthaltene Erfahrung und Kontinuität sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“, zitierte die „Ärztezeitung“ DEGAM-Präsident Professor Martin Scherer.

Er bedauerte zudem, dass das Bundesgesundheitsministerium „den angekündigten Umbau bisher auch nicht genutzt, um für die Berufung der STIKO-Mitglieder transparente Regeln zu veröffentlichen.“

Das Aufgabenfeld der STIKO nannte Scherer sehr komplex. Es benötige viel Expertise und Erfahrung. Daher werde es in diesem Jahr schwierig bis unmöglich, den neuen Mitgliedern eine ausreichende Einarbeitungszeit zu ermöglichen. Es fehlten die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die diese Einarbeitung übernehmen könnten.

Fachleute aus verschiedenen Bereichen

Neben der bereits erwähnten Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Constanze Rossmann setzt sich die neue STIKO aus folgenden Virologen, Immunologen und Allgemeinmedizinern sowie Mitarbeitern von Gesundheitsämtern zusammen:

  • Prof. Dr. Reinhard Berner (Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden);
  • Prof. Dr. Stefan Flasche (London School of Hygiene & Tropical Medicine);
  • Dr. Anja Kwetkat (Abteilung für Geriatrie und Palliativ-Medizin, Klinikum Osnabrück);
  • Dr. Berit Lange (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig);
  • Stefan Brockmann (Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg);
  • Dr. Christian Schönfeld (Reisemedizinische Beratung und Impfungen, Charité-Universitätsmedizin, Berlin);
  • Prof. Dr. Birgitta Weltermann (Institut für Hausarztmedizin, Universitätsklinikum Bonn);
  • Prof. Dr. Jörg Meerpohl (Cochrane Zentrum Deutschland, Freiburg);
  • Dr. Julia Tabatabai (Gemeinschaftspraxis, Scheden);
  • Dr. Marianne Röbl-Mathieu (Frauenarztpraxis, München);
  • Prof. Dr. Alexander Dalpke (Zentrum für Infektiologie, Universitätsklinikum Heidelberg);
  • Prof. Dr. Beate Müller (Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Köln);
  • Prof. Dr. Klaus Überla (Virologisches Institut, Klinische und Molekulare Virologie, Universitätsklinikum Erlangen);
  • Dr. Thomas Grünewald (Klinik für Infektions- und Tropenmedizin, Klinikum Chemnitz);
  • Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt (Spezialambulanz für Impfungen, Reise- und Tropenmedizin, Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien);
  • Dipl.-Med. Gudrun Widders (Gesundheitsamt Berlin);
  • Prof. Dr. Horst von Bernuth (Sektion Immunologie und Infektiologie, Klinik für Pädiatrie m.S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin Charité-Universitätsmedizin, Berlin);
  • Prof. Dr. Andrea Kaifie-Pechmann (Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg).


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