Lauterbach stellt nach Kabinettsbeschluss Cannabis-Gesetz vor – viele Fragen ungeklärt
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) und der Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz beschlossen. Anschließend stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellvertretend für die Ampelkoalition in einer Pressekonferenz den neuen Entwurf vor.
„Privater Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis wird für Erwachsene legal“, so der Gesundheitsminister vor den Pressevertretern. Damit sorge das Gesetz für die überfällige Entkriminalisierung der zahlreichen Menschen, die Cannabis lediglich zum Eigenbedarf nutzten und stärke gleichzeitig „endlich“ den Jugendschutz.
Und weiter: „So entziehen wir dem Dealer an der Straßenecke die Geschäftsgrundlage und schaffen mit den Cannabis-Clubs sichere, kontrollierte und legale Zugangsmöglichkeiten zu Cannabis für Volljährige.“
Gleichzeitig werde man Prävention und Gesundheitsschutz großschreiben und Jugendliche über die Risiken und Folgen des Cannabis-Konsums aufklären, versprach der studierte Gesundheitsökonom. „Mit dem Gesetz schaffen wir eine Balance zwischen individueller Freiheit und öffentlicher Vorsorge.“
Gleichzeitig wolle man aber Kinder und Jugendliche vor dem Konsum schützen. Dafür habe man heute eine hauptsächlich digitale Kampagne zur Aufklärung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen über die Gefahren des Konsums von Cannabis gestartet, berichtet der SPD-Politiker.
Kern der Kampagne werde sein, dass bis zum Alter von 25 Jahren das wachsende Gehirn vom Konsum oft nachhaltig geschädigt werde, so Lauterbach. „Darauf müssen wir hinweisen.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei das ein Tabuthema. Nach der Kampagne werde jeder junge Mensch wissen: „Wenn ich Cannabis konsumiere, wenn ich das regelmäßig tue, dann beschädige ich mein Gehirn. Ich habe dann die erhöhte Wahrscheinlichkeit, später Psychosen zu entwickeln. Ich kann an Aufmerksamkeitsstörungen erkranken, die möglicherweise nicht reversibel sind. Ich kann darüber hinaus auch Veränderungen im Gehirn haben, die mich für andere Drogen vorbereiten, suchtaffiner machen“, erklärt der Gesundheitsminister.
Lauterbach: Wendepunkt „einer leider gescheiterten Cannabis-Drogenpolitik“
Für ihn markiere das Cannabis-Gesetz einen Wendepunkt „einer leider gescheiterten Cannabis-Drogenpolitik“. Ziel sei es, den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen, das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen einzudämmen und die Konsumentenzahlen zu drücken.
„Für Jugendliche bleibt der Konsum verboten, für junge Erwachsene soll er nur bedingt möglich sein“, so der Gesundheitsminister, der eingestand, selbst bereits Cannabis konsumiert zu haben.
Kern des veränderten Entwurfes ist dabei eine „kontrollierte Legalisierung“ durch das Zulassen eines privaten und gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbaus für Erwachsene zum Eigenkonsum – in einer Art genossenschaftlicher Vereine. Um Mitglied in solch einem Verein zu werden, müssen die Personalien angegeben und eine Mitgliedsgebühr gezahlt werden. Dafür kann dann über den Verein monatlich 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erworben werden.
Konkret bedeutet dies:
- Erwachsenen ist der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften erlaubt.
- Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist künftig straffrei.
- Es gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
- Es soll ein Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten gelten.
- Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen dürfen nur mit behördlicher Erlaubnis Konsumcannabis gemeinschaftlich unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder anbauen und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergeben. Enge gesetzliche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden.
- Anbauvereinigungen dürfen maximal 500 Mitglieder haben; Mitglieder müssen erwachsen sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland haben.
- Die Einhaltung von strengen Mengen-, Qualitäts- sowie Kinder- und Jugendschutzvorgaben ist erforderlich, gesichert durch eine behördliche Kontrolle.
- Konsumcannabis darf in Anbauvereinigungen nur an Mitglieder weitergegeben werden, verbunden mit einer strikten Pflicht zur Überprüfung der Mitgliedschaft und des Alters – maximal 25 Gramm pro Tag / 50 Gramm pro Monat.
- Die Weitergabe an Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren muss auf 30 Gramm pro Monat, der zulässige THC-Gehalt auf 10 Prozent begrenzt werden.
- Die Weitergabe von Konsumcannabis ist nur in kontrollierter Qualität und nur in Reinform, das heißt Marihuana oder Haschisch, erlaubt.
- In begrenztem Umfang ist privater Eigenanbau mit Pflicht zum Schutz des privat angebauten Konsumcannabis vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte zulässig.
- Es gibt Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie in den Anbauvereinigungen, ebenso Informationen und Beratung durch Präventionsbeauftragte mit nachgewiesenen Sachkenntnissen und Kooperationen mit lokalen Suchtberatungsstellen.
Gesetz soll bis Jahresende stehen
Das Gesetz, an dem sieben Bundesministerien mitwirkten, soll nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen evaluiert werden. Für die Nutzung von Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken wird es ein eigenes Gesetz geben.
Der jetzige Gesetzentwurf wird nun dem Bundestag zur Debatte und Verabschiedung vorgelegt. Ziel der Ampel ist es, dass das Gesetz Ende des Jahres in Kraft tritt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist der Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Das CSU-regierte Bayern etwa ist strikt gegen eine Legalisierung.
Bis der Bundestag das Gesetz beschließt, bleibt die Droge weiter verboten, auch wenn der Besitz kleiner Mengen (6 bis 10 Gramm je nach Bundesland) schon lange vielerorts nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes sollte viel weiter gehen als der jetzige.
Was noch unklar ist, sind die Grenzwerte von Cannabis im Straßenverkehr. Dazu findet gerade eine wissenschaftliche Auswertung im Verkehrsministerium statt, erklärt Lauterbach. Wenn diese nicht rechtzeitig vor Eintritt des Gesetzes feststehen, gilt die alte Regelung. Auch ist unklar, wie verhindern werden soll, dass Menschen in mehreren Cannabis-Clubs Mitglied sind. „Mehrfachmitgliedschaften sind natürlich schwierig. Die sind nicht vorgesehen“, sie seien aber schwer kontrollierbar. „Weil ich ja in einem anderen Bundesland dann Mitglied sein kann und von daher kann man so etwas nicht ausschließen.“
Zudem ging Lauterbach nicht darauf ein, wie die Zonen frei von Cannabis-Konsum rund um Kindergärten, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen umzusetzen sind.
Auf die Frage der Finanzierung der Präventionsprogramme gegen den Cannabis-Konsum bei Kindern und Jugendlichen ging Lauterbach ebenfalls nicht konkret ein. „Das Geld wird da sein“, so der SPD-Politiker.
Was ist Cannabis überhaupt und wie wirkt es?
Cannabis ist der lateinische Name für Hanf. Das Harz an den Blüten der weiblichen Pflanze enthält laut dem Deutschen Hanfverband hohe Konzentrationen von Tetrahydrocannabinol (THC), den Stoff mit der Rauschwirkung.
Werden die getrockneten knollenartigen Blüten geraucht oder Produkte mit THC konsumiert, werden Nutzer „high“: Sie geraten je nach Menge und Konzentration in einen heiteren, oft albernen Zustand. Bei manchen Menschen ruft die Droge aber auch Angstzustände und Panik hervor. Der Rauschhöhepunkt dauert ungefähr eine halbe Stunde an und ebbt dann langsam ab. Ein typisches Anzeichen dafür, dass jemand „bekifft“ ist, sind stark gerötete Augen.
Eine laut Gesundheitsministerium repräsentative Befragungen aus dem Jahr 2021 soll ergeben haben, dass 8,8 Prozent aller Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben.
Bei den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sollen 9,3 Prozent schon einmal im Leben Cannabis probiert haben. 1,6 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe gaben regelmäßigen Konsum an. Bei den jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) hatte die Hälfte schon einmal probiert. 8,6 Prozent gaben regelmäßigen Konsum in den vergangenen zwölf Monaten an.
Cannabis soll auch weiter nicht frei verkäuflich sein, obwohl das der ursprüngliche Plan war – angelehnt an Länder wie Kanada oder einzelne US-Bundesstaaten. Dort gibt es spezielle Läden, in denen von Blüten („Gras“) über fertig gerollte Joints bis hin zu mit Cannabis versetzten Süßigkeiten verschiedenste Produkte frei an Erwachsene verkauft werden. Das soll nun in Deutschland zunächst vereinzelt in Modellprojekten erprobt werden. Allerdings ist dafür auch ein gesondertes Gesetz nötig, das noch gar nicht vorliegt.
(Mit Material von dpa)
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