Lauterbach sieht ein Stück Heimat vernichtet – Habeck vermisst „Standortpatriotismus“

Nike anstatt Adidas: Politiker üben überwiegend Kritik am Ausrüsterwechsel des Deutschen Fußballbundes. Europameister Bierhoff: Politiker sollten sich aus der Diskussion raushalten.
DFB-Generalsekretär Andreas Rettig weist Kritik aus der deutschen Politik an dem Ausrüsterwechsel zurück.
DFB-Generalsekretär Andreas Rettig weist Kritik aus der deutschen Politik an dem Ausrüsterwechsel zurück.Foto: Jürgen Kessler/dpa
Von 24. März 2024

In Deutschland endet Ende 2026 nach mehr als 70 Jahren ein Stück deutsche Sportgeschichte. Der Deutsche Fußballbund (DFB) lässt seine Kicker dann nicht mehr von der deutschen Traditionsfirma Adidas kleiden, sondern vom amerikanischen Konkurrenten Nike.

Ein Hauch von Wehmut bei Habeck?

Über diesen Schritt sind deutsche Spitzenpolitiker nicht sonderlich angetan. Entrüstet über den Ausrüsterwechsel äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf X: „Adidas soll nicht mehr Nationaltrikot im Fußball sein? Stattdessen ein US-Unternehmen? Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet …“

Eine Vorlage, die sein Koalitionskollege Robert Habeck, seines Zeichens Bundeswirtschaftsminister, annimmt, seine Kritik angesichts seiner Abneigung zum Vaterlands- und damit auch zum Heimatgefühl in eine technokratische Sprache kleidet und stattdessen von „Standortpatriotismus“ spricht. Den vermisst der Grüne beim DFB und kritisiert den Ausrüsterwechsel mit harschen Worten.

Man erinnert sich an Habecks Zitat: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ Und nun wird dem Heimatlosen doch fast wehmütig ums Herz: „Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität“, zitiert ihn unter anderem der „Tagesspiegel“.

Bayaz: Nicht noch ein Kulturkampf ums Nationaltrikot

Doch mit seiner patriotischen Schelte bleibt der Minister in einem Abwehrbollwerk aus Fußballfunktionären hängen und wird sogar von einem Parteifreund klassisch abgegrätscht.

Danyal Bayaz, grüner Finanzminister im Kabinett Kretschmann III in Baden-Württemberg, sieht das nämlich ganz anders und äußerte ebenfalls auf X: „Adidas stattet seit Jahren Teams auf der ganzen Welt aus. Wenn im Exportland Deutschland aber die Globalisierung mal in die andere Richtung verläuft, dann soll die Marktwirtschaft zugunsten von ‚Heimat und Identität‘ weichen? Com’on! Bitte nicht noch einen Kulturkampf ums Nationaltrikot!“

Einer, der was vom Kontern versteht, ist der frühere Stürmerstar und Ex-DFB-Funktionär Oliver Bierhoff. Wenige Sätze genügen, um die Klasse zwischen Nationalspieler und Amateur deutlich zu machen. Politikerkommentare wie diese werte er „als Eigentore“, zitiert die „Welt“ den 55-Jährigen, der zwischen 1985 und 2002 insgesamt 92 Mal das Adidas-Nationaltrikot überstreifen durfte und 1996 Europameister wurde.

Bierhoff wirft Politikern Populismus vor

Politiker sollten sich seiner Ansicht nach aus der dieser Diskussion heraushalten. „Sie kennen die Hintergründe und Fakten nicht“, betont er und spielt Habeck den Ball scharf zurück: „Wo ist der Standortpatriotismus der deutschen Wirtschaftspolitik? Ich hätte mir gewünscht, dass sie mehr zum Standortpatriotismus beiträgt. Stattdessen verlassen uns Unternehmen wegen hoher Energiekosten, hoher Steuern und zu viel Bürokratie“, wetterte er laut „Welt“.

Und setzt nach: „Die Zeiten, aus Patriotismus bei einem Sponsoringpartner zu bleiben, sind vorbei. Das können wir uns schlichtweg nicht mehr leisten. Wenn sich der DFB also für das wirtschaftlich bessere Angebot entscheidet, dann wird das wohlüberlegt sein.“ Äußerungen wie die von Habeck und auch CDU-Chef Friedrich Merz, der dem DFB ebenfalls vorwarf, sich „unpatriotisch“ zu verhalten, seien „populistisch“, sagt Bierhoff.

Auch andere Politiker hatten die DFB-Entscheidung wortstark kommentiert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder blickte sieben Jahrzehnte zurück zum WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft 1954, „der unserem Land wieder Selbstbewusstsein gegeben hat. Deshalb ist es falsch, schade und auch unverständlich, dass diese Geschichte jetzt enden soll. Deutscher Fußball ist Heimat pur – und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe“, zitiert der „Spiegel“ den CSU-Politiker.

Dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) geht laut „ntv“ die „Reduzierung ausschließlich auf Geld und Dollarzeichen echt auf die Nerven“. Für seinen hessischen Amtskollegen Boris Rhein (CDU) ist Nike eine „amerikanischen Fantasiemarke“.

Sportökonom: DFB konnte nicht anders handeln

Der Sportökonom Christoph Breuer wundert sich laut „Welt“ über die kritischen Kommentare aus der Politik: „Zum einen, dass sie das überhaupt bewerten, und zum Zweiten, wie sie es bewerten“, sagt er.

Aus „wohlfahrtsökonomischer Sicht“ seien zwei Punkte von Bedeutung: „Zum einen ist es höher zu bewerten, wenn ein gemeinnütziger Verband in Deutschland deutlich mehr Mittel für die gemeinnützige Arbeit zur Verfügung hat.“ Zum anderen bleibe mit Blick auf die „Aktionärsstruktur“ bei Adidas auch „nicht mehr viel von einem deutschen Unternehmen übrig“.

Seiner Ansicht nach habe der DFB gar nicht anders handeln können. „Wenn ein gemeinnütziger Fußballverband quasi das Doppelte und über acht Jahre fast 400 Millionen Euro mehr erlösen und zumindest einen größeren Teil davon in die Entwicklung des Kinder-, Jugend- und Frauenfußballs stecken kann, dann ist das allein schon alternativlos“, sagte der Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Wenn man dann noch zur Kenntnis nehmen müsse, „dass aus dem einstmals reichen DFB ein Verband geworden ist, der den Euro zweimal umdrehen muss, ist es noch einmal alternativloser, da zuzugreifen“.

DFB-Generalsekretär spricht von kenntnisfreien Politikern

Die Rote Karte zückte DFB-Generalsekretär Andreas Rettig: „Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen. Das, muss ich ehrlich sagen, ist eine neue Qualität“, kommentierte er die Kritik aus der Politik. „Da muss man deutlich sagen: Da hätte man vielleicht doch das ein oder andere Mal besser geschwiegen.“

Wie der „Mitteldeutsche Rundfunk“ berichtet, steht es schon seit Längerem schlecht um die Finanzen des DFB. Im Finanzbericht für das Jahr 2022 habe der Verband ein Minus von 4,2 Millionen Euro ausgewiesen.

Wegen Steuerrückstellungen fiel das Defizit im Jahr zuvor mit 33,5 Millionen Euro noch viel deutlicher aus. Gründe für die Finanzflaute seien laut Verband neben sportlichen Misserfolgen auch die Baukosten für den neuen DFB-Campus. Hinzu komme Ärger mit dem Fiskus. Der hatte dem Verband bereits 2017 die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006 aberkannt. Die Folge: Eine Steuernachzahlung in Höhe von 22 Millionen Euro, gegen die der DFB allerdings klagt, berichtet das ZDF.

DFB nicht von Insolvenz bedroht

Im vergangenen Januar berichtete der Sender auf seiner Internetseite, dass die Aberkennung der Gemeinnützigkeit auch für die Jahre 2014 und 2015 erfolgt sei. Eine weitere Steuernachzahlung im zweistelligen Millionenbereich droht, der Verband hat dagegen allerdings zunächst Widerspruch eingelegt. Die Finanzbehörden hatten dem DFB Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Einnahmen aus der Bandenwerbung vorgeworfen.

Laut ZDF hatte DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald betont, dass die Angaben in den betreffenden Steuerklärungen korrekt seien. Er rechne mit einer Nachzahlung in Höhe von 26 Millionen Euro, betonte in dem Zusammenhang aber, dass dem Verband der Gang in die Insolvenz nicht drohe. Er verfüge über liquide Mittel im dreistelligen Millionenbereich.



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