Lauterbach: „Im Krankenhaus darf aber niemand frieren“
Auf die Krise folgt die Krise: Nachdem die Kliniken aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Deutschland gut durch die Pandemie gebracht haben, sollen sie nun Unterstützung in der Energiekrise bekommen. „Den Krankenhäusern in dieser Situation nicht zu helfen, wäre unethisch“, zitiert das Ärzteblatt den SPD-Politiker. Dabei stellt er Finanzspritzen im zweistelligen Milliardenbereich in Aussicht.
Kliniken drängen auf schnelle Hilfe
Dabei drängen die Kliniken auf eine schnelle Reaktion des Ministers. Lauterbach hat zwischenzeitlich mitgeteilt, auf welcher Basis die Hilfszahlungen an Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen erfolgen sollen. Demnach soll es sechs Milliarden Euro für die Kliniken geben, sagte er bei der Eröffnung des Deutschen Krankenhaustages am Montag in Düsseldorf.
Weitere zwei Milliarden Euro sind für die stationäre und teilstationäre Pflege vorgesehen. Zahlungen aus der Gas- und Strompreisbremse seien dabei noch nicht berücksichtigt. Unterm Strich werde eine zweistellige Milliardensumme überwiesen.
Unbürokratisches Verfahren
„Die Zuteilungsmechanik wird sich an der Zahl der Betten orientieren“, zitiert das Ärzteblatt den Minister. Einen Selbstbehalt müssten die Krankenhäuser nicht übernehmen. Auch sei keine Härtefallprüfung vorgesehen, denn diese sei bereits unterstellt. „Wir wollen ein schnelles und unbürokratisches Verfahren“, versprach Lauterbach. Die Mathematik der Verteilung sei zwar nicht unkompliziert, die Vergabe der Gelder hingegen schon.
Mehrkosten verursachten in den Krankenhäusern Gas, Strom und „indirekte Energiekosten“, etwa durch Wäschereien. In diesem Jahr greife die Gaspreisbremse noch nicht. Zudem seien die sogenannten Landesbasisfallwerte noch nicht an die aktuelle Entwicklung angepasst.
Später wird „spitz abgerechnet“
Im kommenden Jahr werde die Preisbremse wirken. Auch sei „zu einem kleinen Teil“ die Erhöhung der Preise in den Landesbasisfallwerten enthalten. 2024 sei die Preiserhöhung dort dann stärker berücksichtigt. Allerdings komme dann noch der Effekt der indirekten Energiepreissteigerungen hinzu.
„Insofern ergeben sich insgesamt neun Felder, auf die die Gelder aufgeteilt werden“, erläuterte Lauterbach. Die Krankenhäuser würden zunächst die Gelder erhalten, später werde aber „spitz abgerechnet“. Der Minister betonte, dass keine Zuschüsse gezahlt werden könnten, die nicht energierelevant seien. Dies verstoße gegen europäisches Recht.
„Im Krankenhaus darf aber niemand frieren. Und bei keinem Patienten darf ein benötigtes MRT ausfallen, nur, weil Gas und Strom so teuer sind. Das wird nicht stattfinden“, versicherte er.
Düllings: Eine solche Krise habe ich noch nie erlebt
Den Krankenhaustag nutzten Vertreter von Kliniken, um auf die große finanzielle Not ihrer Einrichtungen hinzuweisen. „Die Krankenhäuser bekommen an keiner Stelle im System das Geld, das sie für die Patientenversorgung benötigen“, sagte der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), Josef Düllings.
Er befasse sich seit Mitte der 1980er-Jahre mit der deutschen Krankenhauslandschaft. „Eine solche Krise, wie wir sie aktuell haben, habe ich noch nicht erlebt.“
Kosten nicht an Patienten weitergeben
Düllings wies des Weiteren darauf hin, dass Kosten und Erlöse bei den Krankenhäusern stark auseinanderliefen. Steigende Kosten könnten nicht an die Patienten weitergeben werden. „Im November 2021 wurde der Veränderungswert für das Jahr 2022 auf 2,3 Prozent festgelegt“, sagte er. „Schon damals lag die Inflationsrate bei fünf Prozent. Heute liegt sie bei über zehn Prozent“, beschrieb er die Misere.
„Keine besonderen Anforderungen an Kliniken“
„Die Kliniken haben genau das gemacht, was sie immer gemacht haben. Ich würde nicht sagen, dass sie etwas besser gemacht haben und dass sie eine besondere Anforderung hatten“, kommentiert der Analyst Tom Lausen die Aussage des Gesundheitsministers.
„Neu war daher lediglich, dass jeder positiv auf Corona getestete Patient isoliert werden musste.“ Seinen Standpunkt erläutert er mit einem Blick auf die vergangenen zweieinhalb Jahre. Zu Beginn der Pandemie hätten die Kliniken pro Woche rund 400.000 Patienten aufgenommen.
Krankenhaussystem in die Knie gezwungen
Mit dem Lockdown 2020 hatte die Regierung den Kliniken verboten, bestimmte Patienten aufzunehmen und elektive Operationen durchzuführen. „Man hat praktisch das Krankenhaussystem in die Knie gezwungen“, sagte er. Das sei der entscheidende Moment gewesen.
„Und man hat es geschafft, die Kliniken auf bis zu 219.000 Neuaufnahmen pro Woche runterzudrücken. Man hat quasi eine gigantische Bremse eingebaut.“ Das habe dazu geführt, dass die Kliniken Ende 2020 rund 2,5 Millionen Patienten weniger behandelt hatten.
Patienten bleiben weg
In der Folge hätten die Krankenhäuser versucht, die Patientenzahlen wieder zu steigern, hätten es aber nicht mehr geschafft. Auch 2021 seien die Zahlen hinter denen der Jahre 2016 bis 2019 zurückgeblieben. „Dadurch gerieten die Kliniken wirtschaftlich in große Schieflage.“
Das habe vor allem daran gelegen, dass viele potenzielle Patienten Klinikaufenthalte vermieden haben. „Wenn die Patienten nicht mehr zu erreichen sind, kommen die Krankenhäuser auf keinen grünen Zweig mehr“, erläutert Lausen. Schnell gerieten sie dann in Schwierigkeiten und seien auf staatliche Hilfe angewiesen.
Corona war nie eine Belastung
Wenn man sich nun frage, ob die Kliniken die Krise gut bewältigt haben, erläutert Lausen: „Es gab auch nichts zu bewältigen, weil die Anzahl der Corona-Patienten so gering war, dass es nie eine ernsthafte Belastung für die Kliniken war.“
2020 und 2021 seien sie nie auch nur in die Nähe einer Kapazitätsgrenze gekommen. Das Lob Lauterbachs könne nur dafür sein, dass man weiter treu dem Narrativ folge, dass die Corona-Pandemie eine für das Krankensystem belastende Situation ist, mutmaßt der Analyst.
Die Kliniken hätten alles das gemacht, was die Regierung wollte. „Und sie haben gemacht, was für die Versorgung von Kranken notwendig ist.“ Zunächst seien sie gesetzlich dazu verpflichtet gewesen, die elektiven Operationen einzustellen. Danach hätten sie sich um die Patienten bemüht. „Sie haben eben ihre Arbeit gemacht, und die haben sie schon immer gut gemacht“, meint Lausen.
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