„Ich glaube, dass wir deutlich vor Ostern lockern werden“
Der Gesundheitsminister konnte sich vorstellen, dass auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz über Lockerungen diskutiert wird. Ob es tatsächlich zu Lockerungen kommt, „hängt davon ab, wie wir dann stehen.“
Zum jetzigen Zeitpunkt ist Lauterbach strikt gegen Lockerungen: Er halte es „für verrückt“, wenn bei Höchstzahlen von Infizierten und einer „funktionierenden Strategie“ die Maßnahmen gelockert würden. Der Minister fragte: „Was wäre in Deutschland, wenn wir vorgehen würden wie in England?“ Seine Antwort: „Dann hätten wir pro Tag über den Daumen gepeilt vielleicht 300 Tote. Wir haben aber deutlich weniger, nämlich 60 bis 80.“ Mit den Maßnahmen „retten wir jeden Tag Leben“, betonte Lauterbach.
Söder kritisiert „wirre Debattenlage“
Scharfe Kritik kommt unterdessen von der Opposition. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat der Bundesregierung eine „wirre Debattenlage“ beim weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie vorgeworfen. „Die Bundesregierung ist uneins“, sagte Söder am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Dies zeige sich etwa bei der einseitigen Verkürzung des Genesenenstatus oder im Umgang mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler.
Söder warb vor der am 16. Februar stattfindenden nächsten Ministerpräsidentenkonferenz dafür, die derzeit geltenden Beschränkungen zu lockern. Einschränkungen der Bevölkerung seien dann richtig, wenn das Gesundheitssystem extrem belastet sei – das sei derzeit bei der Omikron-Variante aber nicht der Fall. In solch einer Situation müsse in der Balance von Freiheit und Sicherheit die Freiheit einen stärkeren Platz finden.
Grünen-Politikerin unterstützt Lauterbach
Unterstützung bekam Lauterbach von der Grünen-Obfrau im Gesundheitsausschuss, Saskia Weishaupt. „Wir haben die Verantwortung, die Gesundheit und das Leben aller Menschen zu schützen, dazu gehört auch, nicht einfach voreilige Öffnungen und Lockerungen anzukündigen“, sagte die Grünen-Politikerin der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagsausgabe). Sie sehe vor März wenig Möglichkeiten für Lockerungen, betonte Weishaupt. „Die Zahlen der Ungeimpften bei über 60-Jährigen sind zu hoch“, betonte Weishaupt.
„An der Frage, wie es nach dem 19. März mit den infektionsschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen weitergehen soll, arbeiten wir gerade mit Hochdruck“, erklärte die Koalitionspolitikerin. „Ich persönlich sehe gerade bei einzelnen Maßnahmen die Notwendigkeit, diese zu verlängern.“ Am 19. März läuft das Infektionsschutzgesetz aus, das die Grundlage von Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Nachweispflicht des Impfstatus bildet.
Weishaupt zufolge wünschen sich viele Bürger eine bessere Krisenkommunikation von der Politik. „Dazu gehört aber eben auch, keine falsche Hoffnung zu machen, die dann wieder zu Enttäuschung führt“, betonte sie. Dies bedeute, dass derzeit noch nicht Öffnungen für Mitte Februar angekündigt werden könnten.
Montgomery fordert Öffnungsdebatte
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, sagte hingegen, die Öffnungsdebatte komme nicht zu früh, sondern „genau richtig“. „Wir müssen jetzt festlegen, was, wann und unter welchen Umständen geschieht“, forderte er in der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe). „Dabei müssen wir aber höllisch aufpassen, dass manche Diskutanten nicht die abstrakte Debatte mit einer konkreten Handlungsanweisung verwechseln.“
Mit Blick auf eine mögliche bundesweite Aufhebung der 2G-Regel im Einzelhandel forderte Montgomery eine bessere wissenschaftliche Datenlage, die dann bundesweit Anwendung finden müsse. „Entscheidend ist, wo die Infektionstreiber sind. Sind es nicht die Kontakte im Handel? Dann sollte 2G dort durch eine konsequente Maskenpflicht ersetzt werden“, sagte er der Zeitung. „Wir brauchen mehr wissenschaftliche Evidenz, was wo geschieht. Aber diese sollten wir dann auch bundeseinheitlich und konsequent umsetzen. Nicht Hü in Brandenburg und Hott in Sachsen-Anhalt“, betonte der Weltärzte-Chef.
Lauterbach will allgemeine Impfpflicht
Lauterbach warb indes erneut für die allgemeine Impfpflicht: „Wenn wir im Herbst tatsächlich eine Impfpflicht bekämen, dann glaube ich, ist der Spuk weitestgehend vorbei, weil wir damit die Impflücken geschlossen bekommen.“ Der Minister machte deutlich, dass dies nur für eine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren gelte: „Wenn wir eine Impfpflicht machen ab 50 oder für jeden Zweiten, dann haben wir nachher eine Riesendebatte um eine Impfpflicht gehabt, aber das Problem ist noch immer nicht gelöst.“ In der Gruppe der 18- bis 50-Jährigen seien viele, die auch schwer erkranken könnten und die geschützt werden müssten.
Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, eine Impfpflicht auch gegen den angedrohten Widerstand der Union um den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz durch den Bundestag bringen zu können: „Ich glaube, auch dann – bei allem Respekt vor Friedrich Merz und der Größe der CDU, die ja auch schon mal anders im Bundestag gesessen hat – bekommen wir trotzdem die Mehrheit.“
Merz hatte am Wochenende angekündigt, keinen der bislang im Bundestag vorgelegten Vorschläge unterstützen zu wollen. Diese reichen von einer Impfpflicht für alle ab 18 Jahren bis zur völligen Ablehnung einer Impfpflicht. Eine Entscheidung könnte im März fallen.
Kritik an RKI-Chef Wieler
Kritik äußerte Lauterbach unterdessen am Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, für dessen mangelhafte Kommunikation der Verkürzung des Corona-Genesenenstatus von sechs auf drei Monate: „Das hier war nicht in Ordnung“, sagte er Bild TV. Es gehe nicht an, dass er als Minister gleichzeitig mit den Bürgern erfahre, dass es einen neuen Status gebe. „Das ist ja klar, und darüber ist offen gesprochen worden.“ Das dürfe sich „nicht wiederholen“.
Gleichzeitig sah der Minister keinen Grund für personelle Konsequenzen: Wieler habe „zwei Jahre lang eine sehr wichtige und gute Arbeit gemacht und genießt weiter mein Vertrauen. So einfach ist das.“
Hintergrund der Diskussion ist, dass der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem „Spiegel“ gesagt hatte, dass sich Wieler des „Vertrauens der FDP“ nicht mehr sicher sein könne. Das Kommunikationsdebakel um den Genesenenstatus sei „kein Einzelfall“ gewesen. Kurz vor Weihnachten war Wieler bereits einmal in die Kritik geraten, als seine Behörde kurz vor einem Bund-Länder-Gipfel für schärfere Maßnahmen warb, ohne dass dies nach Lauterbachs Angaben mit ihm abgestimmt gewesen war. (afp/red)
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