Lauterbach: Es gibt nichts zu verbergen – Pürner: Ungeschwärzte RKI-Files belegen das Gegenteil

Die unautorisierte Veröffentlichung sämtlicher Protokolle des Corona-Krisenstabes des RKI hat in der Behörde Missbilligung ausgelöst. Minister Lauterbach erklärte, man hätte die Dokumente zeitnah ohnehin publiziert. Der Inhalt sei nicht brisant. Zu dieser Einschätzung gibt es Widerspruch.
Mehr Transparenz: Karl Lauterbach hat veranlasst, dass die RKI-Protokolle weitestgehend entschwärzt werden.
Die erste Reaktion von Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Zu verbergen gibt es nichts.“Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 24. Juli 2024

Am Dienstag, 23.7., hat eine Gruppe von Corona-Maßnahmenkritikern rund um die freie Journalistin Aya Velázquez einen unredigierten Datensatz der Protokolle des COVID-19-Krisenstabs im Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht. Diesen habe ihnen ein Whistleblower aus dem RKI selbst zugänglich gemacht. Damit seien nun die kompletten sogenannten RKI-Files von 2020 bis 2023 frei und ungeschwärzt lesbar. Zuvor hatte es die Protokolle bis April 2021 für die Öffentlichkeit lediglich in redigierter Form gegeben.

Das RKI selbst hat in einer ersten Erklärung scharfe Kritik an der unautorisierten Veröffentlichung geübt. Die Einrichtung „missbilligt ausdrücklich“ die Veröffentlichung der Daten, „soweit in diesen Datensätzen personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter rechtswidrig veröffentlicht und insbesondere Rechte Dritter verletzt werden“.

Whistleblower wollte offenbar Schwärzungen von RKI-Files verhindern

Gegenüber den am 30.5.2024 vom RKI selbst veröffentlichten Datensätze sind mit den neuen Dokumenten etwa 1.500 Seiten hinzugekommen. Außerdem sind Schwärzungen weggefallen, die in den autorisierten Dokumenten noch vorhanden waren. Die Behörde rechtfertigte diese mit dem erwähnten Schutz der Daten und Geschäftsgeheimnisse Dritter. Nun unautorisierte Teile der Protokolle seien „weder geprüft noch verifiziert“.

Die Gruppe um Velázquez erklärte in einer Pressekonferenz, es gehe bei den Schwärzungen mitnichten lediglich um schützenswerte Rechte Dritter. Vielmehr enthielten die zuvor bisher nicht publizierten Aktenteile brisante Aussagen, die Entscheidendes über die Entscheidungsprozesse in der Corona-Zeit verrieten.

So seien einige Entscheidungen der Politik und vor allem deren Begründungen auf RKI-Empfehlungen gestützt worden, die es in dieser Form vonseiten der Wissenschaftler selbst nicht gegeben habe. Vielmehr habe es gegen zentrale Narrative, auf die sich restriktive Maßnahmen der Regierung stützten, sogar erheblicher wissenschaftliche Vorbehalte gegeben.

Lauterbach: „Zu verbergen gibt es nichts“

Im Ergebnis hätten einige Passagen den Eindruck erweckt, die Politik habe bei ihren Entscheidungen die Autorität des RKI vorgespannt. Dabei habe sie ausgenutzt, dass die Weisungsgebundenheit der Behörde es dieser unmöglich gemacht hätte, gegenteilige Empfehlungen zu publizieren – selbst, wenn es dafür eine wissenschaftliche Rechtfertigung gegeben hätte.

Das RKI erklärt, man plane selbst die Veröffentlichung der noch nicht der Öffentlichkeit zugänglichen Protokolle bis zum Ende der Sitzungen im Juli 2023. Allerdings prüfe man derzeit noch die Rechte und schutzwürdigen Interessen Dritter. Man wolle aber „weitestgehend ohne Schwärzungen zur Verfügung stellen, soweit dies unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rechte aller Beteiligten nach dem IFG zulässig ist“.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte in einer ersten Reaktion, er hätte ohnehin eine Zustimmung seinerseits zur Veröffentlichung erteilt. Allerdings erst, wenn der Schutz aller erforderlichen Rechte Dritter gewährleistet worden wäre. Dieser sei nun missachtet worden. „Zu verbergen gibt es trotzdem nichts“, unterstreicht Lauterbach.

Kubicki zweifelt an Ankündigung Lauterbachs

Der EU-Abgeordnete des BSW, Dr. Friedrich Pürner, widerspricht dem Minister. Die RKI-Files zeigten, dass Lauterbach und andere Regierungsmitglieder sehr wohl etwas zu verbergen hätten. Ein Rücktritt sei angebracht.

Auch FDP-Vize und Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki zweifelt Lauterbachs Aussage an. Er erklärt, auch sein Name sei in den Protokollen aufgetaucht. Dass er keine Anfrage hinsichtlich einer ungeschwärzten Veröffentlichung erhalten habe, spreche aus seiner Sicht gegen ein entsprechendes Vorhaben.

Auf X zog die Aussage Kubickis einen Community-Note-Vorschlag nach sich. Dieser beinhaltete die Anmerkung, dass sich der Name Kubickis in den RKI-Files darauf bezog, dass dieser in Bundestag eine Kleine Anfrage gestellt hätte. Diese war auch beantwortet worden. Eine Anfrage bezüglich seiner geschützten Rechte sei aufgrund dieses öffentlich zugänglichen Prozesses gar nicht in Betracht gekommen.

Durch RKI-Files angestoßene Debatten schon früher geführt?

Bereits anlässlich der Veröffentlichung der ersten RKI-Files hatten Befürworter der Corona-Maßnahmen bestritten, dass die Dokumente gravierende Missstände aufdeckten. Im Wesentlichen verwiesen sie darauf, dass es schon damals in den Gremien Debatten gegeben hätte, in denen auch kritische Stimmen zu Wort gekommen wären.

ARD-„Faktenfinder“ Pascal Siggelkow äußerte ähnliches, insbesondere mit Blick auf die „überspitzte Formulierung“ von Lauterbach-Vorgänger Jens Spahn. Dieser hatte am 3. November 2021 gesagt:

Wir erleben gerade vor allem eine Pandemie der Ungeimpften – und die ist massiv.“

Das RKI hatte diese These zumindest in dieser pauschalen Form nicht bestätigen wollen und dies auch protokolliert.

Virologe Martin Stürmer erklärte gegenüber der ARD, die Formulierung habe „natürlich den falschen Eindruck erweckt, dass die Ungeimpften die absoluten Pandemietreiber sind“. Dem sei nicht so gewesen. Schon im Laufe des Jahres 2021 habe es Geimpfte gegeben, die Dritte angesteckt hätten – und mit dem Entstehen zusätzlicher Varianten immer mehr sogenannte Impfdurchbrüche.

Laschet: „Nur eine Meinung“ in „sehr moralisierter Debatte“

Bereits im März hatte Ex-CDU-Chef Armin Laschet mit Blick auf die ersten veröffentlichten Protokolle erklärt, es habe zwar tatsächlich Virologen wie Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck gegeben, die kritische Auffassungen vertreten hätten. Auch im RKI sei differenziert über Maßnahmen wie Lockdown, Maskenpflicht oder 3G-Regel diskutiert worden.

Allerdings habe es in der „sehr moralisierten Debatte“ jener Tage stets „nur eine einzige richtige Meinung“ gegeben:

„Entweder du bist für die eine Maßnahme oder du bist ein Corona-Leugner. Es gab aber eine Menge dazwischen.“

Laschet forderte bereits damals, die Politik müsse „alles offenlegen“. Sein Parteikollege, der frühere Generalsekretär Ruprecht Polenz, machte die Ampel für die nunmehrigen Irritationen verantwortlich. Auf X schrieb er:

Rede von „Tyrannei der Ungeimpften“ habe diese zu Sündenböcken gemacht

Ruth Schneeberger schreibt in der „Berliner Zeitung“, die nun veröffentlichten Daten seien „brisanter als die bisherigen“. Von der fehlenden Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken abseits des Arbeitsschutzes über das Infektionsgeschehen an Schulen bis zu den Mängeln des Astrazeneca-Impfstoffs sei vieles frühzeitig im RKI zur Sprache gekommen.

Die Politik habe trotz der Zweifel der Wissenschaft einen „unbedingten Willen zur Umsetzung“ der Maßnahmen gezeigt, „teils noch deutlich stärker oder länger als in anderen Ländern“. Die Aussage von der „Pandemie der Ungeimpften“, sogar von „Tyrannei“ war die Rede, habe „alle Dämme brechen“ lassen. Diesen Ausdruck habe Weltärzteverbandspräsident Frank Ulrich Montgomery geprägt. Von da an mussten „sich andere Mediziner, Politiker, Journalisten und der Nachbar von nebenan auch nicht mehr damit zurückhalten, die Schuld für das Anhalten von Maßnahmen und Pandemie wütend auf Ungeimpfte zu schieben.“



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