Lauterbach: „Ein paar Hundert Häuser werden sterben“ – DKG spricht von „kalter Marktbereinigung“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält nach der Verabschiedung der umstrittenen Krankenhausreform eine Schließung von zahlreichen Krankenhäusern sowie eine geringere Anzahl von Krankenkassen für nötig. Doch es gibt auch Gegenwind.
„Ein paar Hundert Häuser werden sterben. Viele davon in westdeutschen Großstädten“, sagte Lauterbach der „Bild am Sonntag“. „Für diese Krankenhäuser haben wir nicht den medizinischen Bedarf“, erklärte er. Schon jetzt stehe jedes dritte Bett leer, außerdem gebe es zu wenig Personal.
Der Minister bezeichnete es als einen „Gewinn der Qualität“, wenn wie in anderen Ländern die Versorgung mit komplizierteren Eingriffen zentralisiert werde.
Die von Lauterbach vorangetriebene Krankenhausreform zielt darauf ab, die medizinische Spezialisierung zu stärken. Künftig sollen vor allem kleinere Krankenhäuser weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen.
Unterversorgung, Fehlversorgung, Überversorgung
Während seiner Rede im Bundestag vor Verabschiedung des Gesetzes am 17. Oktober führte Lauterbach einige Beispiele an, mit denen er die Notwendigkeit der Krankenhausreform untermauerte. Dazu nannte er eine Unterversorgung bei Kindern, in der Geburtshilfe sowie bei Schlaganfallpatienten. „Zum Teil dauert es 50 Minuten, bis ein Patient nach einem Schlaganfall in einer geeigneten Einrichtung versorgt werden kann.“ Diese Unterversorgung koste Menschenleben, und zwar jeden Tag.
Andererseits gebe es eine Fehlversorgung, beispielsweise bei Krebsbehandlungen. Im Umfeld der Uniklinik Köln gebe es 85 Kliniken, die Patienten mit Darmkrebs versorgen. „Viele dieser Kliniken haben wenige Fälle und sind nicht spezialisiert. Kein Arzt würde sich selbst jemals in einer solchen Klinik behandeln lassen“, so Lauterbach.
Als weiteres Beispiel berichtete der Minister über eine Überversorgung wie Knieprothesen – einem „lukrativen Eingriff“.
Zum Teil ist es schneller möglich, ein Kniegelenk austauschen zu lassen – auch wenn es vielleicht gar nicht notwendig ist –, als dass Sie einen Termin beim Physiotherapeuten für die Kniebehandlung bekommen“, schilderte er weiter.
Das könne nicht richtig sein.
„Es ist falsch und herabwürdigend und unethisch, dass wir Menschen, die eine Hüftgelenkoperation oder eine Kniegelenkoperation bekommen, als Cashcows der Kliniken betrachten“, betonte der Minister, der von einem „ökonomischen Wildwuchs sprach“.
Die Länder hätten mit der Krankenhausreform die Möglichkeit, zusätzliche Kapazitäten für Schlaganfallpatienten aufzubauen und Überkapazitäten bei der Versorgung von Kniegelenkprothesen abzubauen – gemäß dem Bedarf der Bevölkerung.
DKG warnt vor „Wartelistenmedizin“
Die Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) übte heftige Kritik, nicht nur hinsichtlich der Inhalte der Reform, sondern auch am Gesetzgebungsverfahren.
„Die Abgeordneten müssen im Blindflug über eine Reform abstimmen, die die Krankenhauslandschaft massiv umstrukturieren wird. Kein Abgeordneter kann die Folgen dieser Reform insgesamt und für die Patientenversorgung im eigenen Wahlkreis abschätzen“, warnte der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß bereits vor der Abstimmung.
Eine mögliche Auswirkungsanalyse sei bis zuletzt „bewusst zurückgehalten“ worden. Jeder Abgeordnete, der in dieser Situation der Reform zustimmt, müsse sich daran messen lassen, ob die Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger in drei, vier oder fünf Jahren noch gewährleistet sei.
„Dieser Gesetzentwurf steht für eine fortgesetzte kalte Marktbereinigung mit wegbrechenden Krankenhausstandorten, den Einstieg in die Rationierung und Wartelistenmedizin, einen gigantischen Bürokratieaufwuchs und planwirtschaftliche Strukturen mit maximaler Zentralisierung“, so das Fazit von Dr. Gaß.
Er appellierte an die Abgeordneten, verantwortungsvoll und informiert über die Krankenhausreform abzustimmen.
Am Ende wurde das Gesetz mit einer Mehrheit von 373 Ja-Stimmen von SPD, Grünen und FDP gegen 285 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen. 74 Abgeordnete stimmten nicht über das Gesetz ab.
Vermittlungsausschuss angestrebt
Ob das gesteckte Ziel der Reform – weniger Krankenhäuser im Land, dafür bessere Qualität und mehr Spezialisierung – erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Die Umsetzung soll Schritt für Schritt innerhalb der nächsten Jahre erfolgen. Außerdem drängen einige Länder ein Vermittlungsverfahren an, um Änderungen aufzunehmen.
Am 22. November wird sich der Bundesrat mit der Reform befassen. Kritiker befürchten vor allem eine schlechtere Versorgung in ländlichen Gebieten. Gegenwind gibt es diesbezüglich aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Hessen. Fraglich ist, ob auch die SPD-geführten Länder mitziehen.
„Die Reform ist sehr an den Interessen der Unikliniken orientiert. Die anderen Kliniken, gerade auch die auf dem Land, sind dagegen die Verlierer“, erklärte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Aus Sicht des Ministers würden Lauterbachs Facharztvorgaben die Lage sogar verschärfen.
„Sie sind so streng, dass womöglich einige Kliniken schließen müssen, die das eigentlich nicht müssten – und dann wird das nächste Krankenhaus weiter weg sein als 20 Autominuten“, so Laumann.
Er wolle die Reform nicht stoppen, aber im Interesse der Patienten verbessern.
(Mit Material der Agenturen)
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