„Lauterbach darf Lage nicht schönreden“ – Krankenkassen rechnen mit historischem Beitragssprung
Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) halten angesichts ihrer dramatischen Finanzlage im kommenden Jahr einen deutlich höheren Zusatzbeitrag für nötig als bislang befürchtet.
„Da es keine politischen Gegenmaßnahmen gibt, muss der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich steigen“, sagte TK-Chef Jens Baas dem Nachrichtenportal Politico. „Laut aktueller Schätzungen ist eine Größenordnung von 0,7 Prozentpunkten realistisch.“
In diesem Fall würde das Wahljahr 2025 mit einem historischen Beitragssprung beginnen. Dann würden Beiträge in Höhe von 17 Prozent des Bruttolohns an die GKV abgeführt. Im Sommer hatte der GKV-Spitzenverband für das kommende Jahr noch einen Anstieg um 0,6 Prozentpunkte prognostiziert.
„Die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung ist mehr als schwierig“, sagte Baas. „Die Ausgaben steigen ungebremst und viel stärker als die Einnahmen.“ Er fordert einen höheren Steuerzuschuss und höhere Beiträge für Bürgergeldempfänger. Der Chef einer anderen Krankenkasse hält sogar eine Erhöhung „um 0,8 oder sogar einen Prozentpunkt“ für nötig, sagte er Politico. „Gesundheitsminister Lauterbach darf die Lage nicht schönreden.“
Im Gesundheitsministerium stellt man sich offenbar schon darauf ein, dass die 0,6 Prozentpunkte nicht reichen könnten. Entscheidend wird die kommende Woche sein, wenn der Schätzerkreis tagt, in dem neben dem Gesundheitsministerium auch das Finanzministerium und die Kassen vertreten sind.
Das Gremium schätzt die Einnahmen und Ausgaben der GKV im kommenden Jahr, woraus sich rein rechnerisch der durchschnittliche Zusatzbeitrag ergibt. Zum Jahresende legt dann jede Kasse ihren Beitrag individuell fest. Baas warnte: „Die Entwicklung darf von der Politik nicht mit einem Schulterzucken hingenommen werden, sondern braucht aktive Gegenmaßnahmen.“
Pflegeversicherung droht die Pleite im Februar
Auch die finanzielle Lage der gesetzlichen Pflegeversicherung ist einem Medienbericht zufolge deutlich schlechter als bislang öffentlich bekannt. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete, drohe nach aktueller Einschätzung der Bundesregierung ohne ein Eingreifen bereits im kommenden Februar eine Zahlungsunfähigkeit. Lauterbachs Sprecher sagte, den Bericht könne er in dieser Form nicht bestätigen.
Der Gesundheitsminister räumte gleichzeitig ein, dass die Pflegeversicherung in großen finanziellen Schwierigkeiten stecke. Dass die Pflegeversicherung sowohl kurzfristig als auch strukturell Schwierigkeiten habe, habe Lauterbach mehrfach in der jüngsten Vergangenheit betont. „Das hat im Wesentlichen drei Gründe: Mit der jüngsten Pflegereform haben wir die Pflegebedürftigen in Heimen erheblich entlastet, Pflegekräfte bekommen höhere Löhne, und es gibt mehr Pflegebedürftige als angenommen.“ (dts/afp/red)
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