Laschet will „alles offenlegen“, doch die Regierungsparteien hüllen sich in Schweigen

CDU-Politiker Armin Laschet fordert die Bildung einer Enquete-Kommission und mehr Unabhängigkeit für das RKI. AfD: Die Risikoeinschätzung des RKI war politisch geplant und keine wissenschaftliche Einschätzung.
Ehemaliger Bundesvorsitzender der CDU: Armin Laschet.
Ehemaliger Bundesvorsitzender der CDU: Armin Laschet.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 26. März 2024

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Nach der Veröffentlichung der RKI-Protokolle ist die Empörung in den sozialen Medien groß. Kritiker der Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen, Maskenpflicht, Ausgangssperren und vieles mehr haben es nun schwarz auf weiß, dass viele der Maßnahmen nicht wissenschaftlich belegt, sondern vielmehr politisch motiviert waren. Doch das Schweigen in der politischen Landschaft ist groß. Weder SPD noch Grüne, FDP oder Linke haben bis Redaktionsschluss Stellung zu den Veröffentlichungen genommen. Somit stellt sich die Frage, ob es überhaupt ein politisches Interesse an einer Aufarbeitung gibt.

Laschet: Agieren in Krise muss nachdenklich machen

Nur zwei Politiker aus der Opposition wagen sich aus dem Schatten und nehmen zu den Veröffentlichungen Stellung. Einer von ihnen ist Armin Laschet (CDU), der im Interview mit dem ZDF deutliche Worte wählte. Im Juni 2021 hatte Laschet Corona als eine „Zäsur“ bezeichnet, die eine „scharfe Trennlinie zwischen einer Zeit davor und einer Zeit danach“ gezogen habe. „Erst rückblickend werden wir das ganze Ausmaß dieser Zäsur einmal wirklich ermessen können.“

An diese Aussage im ZDF-Interview erinnert, erwiderte der Bundestagsabgeordnete: „Ich glaube, es war eine Zäsur. Es muss uns heute nachdenklich machen, wie wir in der Krise agiert haben“, sagte der CDU-Politiker, der zu Beginn der Pandemie noch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war. Eine Folge sei geblieben: „Das sind die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche (…), und das ist die Spaltung der Gesellschaft.“

„Wie haben wir damals diskutiert? Wie sind wir mit anderen Meinungen umgegangen?“ Das sei bis heute immer noch „ein Feuer für Populisten, gegen den Staat Stimmung zu machen.“ Hier müsse man „selbstkritisch sagen: Wir hätten facettenreicher die wissenschaftliche Expertise nutzen müssen. Wir hätten unterschiedliche Meinungen anders anhören müssen.“

In Nordrhein-Westfalen habe man das mit einem Expertenrat versucht, aber insgesamt sei die Debatte „sehr moralisierend“ gewesen. „Entweder du bist für eine Maßnahme oder du bist ein Corona-Leugner.“ Es habe aber „eine Menge dazwischen“ gegeben. „Und dieses dazwischen, das müssen wir wieder lernen. Nicht schwarz-weiß, sondern wissen, dass das Leben manchmal auch Grautöne hat.“

Laschet widerspricht Lauterbach

Laschet sprach sich für die Einrichtung einer Enquete-Kommission im Bundestag aus. Dieses Gremium arbeite an „grundsätzlichen Themen“ und ein solches Thema sei: „Wie werden wir mit einer künftigen Pandemie umgehen?“ Der CDU-Politiker widersprach mit seiner Forderung auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der eine Enquete-Kommission ablehnt, weil sie nur Rechtspopulisten helfe.

Das sehe er „ganz anders“, betonte Laschet. „Wir müssen alles offenlegen“, wenn das nicht geschehe, helfe das Verschwörungstheoretikern und Rechtspopulisten. Die Offenlage der Protokolle habe gezeigt, wie differenziert seinerzeit beim RKI diskutiert wurde „und wie wenig von dieser Meinungsvielfalt dann am Ende in die konkrete Politik eingemündet ist“.

Es sei auch deutlich geworden, dass intern etwas anderes gesagt wurde als gegenüber der Öffentlichkeit, sagte Moderator Christian Sievers. Daher stelle sich die Frage, ob das RKI, das dem Bundesgesundheitsministerium zugeordnet sei, nicht unabhängiger sein müsse. Laschet bejahte das.

Das RKI müsse unabhängiger sein „und es hätte damals seine internen Debatten durchaus aussprechen müssen. Das hätte vielleicht zur Beruhigung beigetragen.“ Er erinnere sich daran, wie mit Virologen wie Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck, die andere Meinungen vertreten hatten, umgegangen worden sei. Es habe damals nur eine Meinung gegeben, die als die „einzig richtige Meinung angesehen“ worden sei.

Heute sagten „viele von denen“, dass man mit Kindern und Jugendlichen anders hätte umgehen müssen. Auch heiße es im RKI-Bericht, dass die FFP2-Masken ein Arbeits-, aber kein Pandemieschutz sei. Das sei damals anders diskutiert worden, daher glaube er, dass das RKI künftig unabhängiger sein müsse: „Weniger politischer Einfluss, mehr wissenschaftliche Vielfalt.“

Laschet: Müssen Respekt vor anderen Meinungen wieder lernen

Auch müsse es eine kritische Bilanz in den Medien geben, forderte Laschet. Dass die Freigabe der Protokolle nun von einer „Plattform“ (gemeint ist das Onlinemagazin „Multipolar“) erklagt wurde, dass die „Qualitätsmedien“ sich nicht darum bemüht haben. Medien wie auch Politik müssten sich kritisch hinterfragen: „Ich hoffe, dass die Spaltung der Gesellschaft (…) durch eine neue Dialogkultur, die auch Fehler zugesteht, sich wieder beruhigt“. Letztlich merke man das auch bei den anderen aktuellen Themen wie Klima oder Kriege. „Wir diskutieren viel zu aggressiv, ohne Respekt vor anderen Meinungen [zu haben], und ich glaube, das müssen wir wieder lernen.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich bislang nicht zu den offengelegten Protokollen geäußert. Die Bildung einer Enquete-Kommission, die Laschet fordert, lehnt er ab. Er halte davon „nicht so viel“. Das sei „ein Ideologiekampf“, rechte Gruppen wollten sich das Thema zu eigen machen.

Eine Enquete-Kommission sei „eine hochpolitische Angelegenheit“, sagte er in der vergangenen Woche im „Morgenmagazin“ des ZDF noch vor der Veröffentlichung der RKI-Files im Gespräch mit Dunja Hayali. Er habe daher Bedenken, dass das Thema noch weniger wissenschaftlich, dagegen aber politischer bearbeitet werde.

AfD: Öffentlichkeit muss erfahren, was damals passierte

Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert nach der Veröffentlichung der Protokolle einen Corona-Untersuchungsausschuss: „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was damals wirklich passierte“, betont der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert.

„Die Bundesregierungen unter Merkel und Scholz haben in den Jahren 2020 bis 2022 Millionen Menschen als ,Schwurbler‘ bezeichnet, weil sie die Corona-Maßnahmen hinterfragten. Die Verantwortlichen setzten die Grundrechte willkürlich außer Kraft, zwangen Millionen Menschen in ein Genexperiment, ruinierten die Kindheit unzähliger junger Menschen, spalteten die Gesellschaft. Willfährige Medien – allen voran ARD und ZDF – unterstützten die Regierung dabei. All das basierte auf der Risikoeinschätzung des RKI“, schreibt Sichert auf der Internetseite der Bundestagsfraktion.

Es sei nun bewiesen, dass die Risikoeinschätzung des RKI politisch geplant und keine wissenschaftliche Einschätzung war.

Merkel: Harte Maßnahmen waren politischen Ursprungs

Bereits im Verlauf einer Bundespressekonferenz im März 2021 hatte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeräumt, dass die harten Entscheidungen beim Vorgehen in der Pandemie politischen Ursprungs waren. Es sei ihr bewusst gewesen, dass es auch Stimmen aus der Wissenschaft gegeben habe, die sich gegen einen harten Kurs positionierten. „Es gibt in dem Ganzen auch politische Grundentscheidungen, die haben mit Wissenschaft nichts zu tun“, zitierte sie damals der Journalist Boris Reitschuster in seinem Blog.



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