Laschet: EU darf sich nicht von Erdogan erpressen lassen
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verlangt, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich zu machen, dass Europa sich „nicht erpressen“ lasse. Es sei zwar „nicht erfolgversprechend“, der Türkei mit der Zerstörung ihrer Wirtschaft zu drohen, wie Donald Trump das 2019 getan hatte, dennoch sei Erdogan „jemand, der Klartext braucht, damit er seine Grenzen kennt“, sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Die wirtschaftlichen Beziehungen der Türkei zu Europa seien sehr eng.
„Erdogan weiß, dass er Deutschland und Europa braucht.“ Der türkische Präsident habe in den vergangenen Tagen „ein zynisches Spiel gespielt“, so der CDU-Politiker. Erdogan habe Flüchtlinge an die griechische Grenze gefahren, um die EU „auszutesten“.
Dabei habe er „wohl spekuliert, die EU werde am Ende nachgeben“. Das sei nicht passiert, „und das war hilfreich“, so Laschet. Jetzt seien Deutschland und Europa zwar gut beraten, in der Flüchtlingskrise humanitär und finanziell zu helfen, aber er erwarte von Erdogan zugleich „Zurückhaltung im syrischen Krieg und Respekt vor unserer Außengrenze“.
Laschet will Prinzip der Einstimmigkeit überprüfen
Angesichts der Flüchtlingsdramen in Syrien sowie an der Grenze zwischen der EU und der Türkei will Armin Laschet das Prinzip der Einstimmigkeit in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik fallenlassen.
Europa habe seine „Handlungsunfähigkeit“ schon in den neunziger Jahren auf dem Balkan erlebt, „wo vor unseren Augen Massenvertreibung und ethnische Säuberung stattfanden“, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Die EU habe daraus gelernt: „Wir brauchen eine gemeinsame Verteidigungspolitik.“
Dennoch sei hier bisher nicht genug erreicht worden. „Wir können derzeit im Verteidigungsfall nicht autark handeln“, so Laschet. Hier habe der französische Präsident Emmanuel Macron Vorschläge gemacht, „die wir jetzt mit Leben füllen sollten“. Vor allem aber brauche die EU „auch bei der gemeinsamen Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschlüsse Entscheidungen herbeizuführen“. Einstimmigkeit „bringt uns hier nicht weiter“.
Zum Angebot Macrons, mit den übrigen Europäern auch über die Rolle der französischen Atomwaffen bei der gemeinsamen Verteidigung zu sprechen, sagte Laschet, der Präsident habe zwar „aus guten Gründen“ davon abgesehen, Europa „die atomare Kapazität Frankreichs“ zur Verfügung zu stellen. Dennoch sei es „offenkundig“, dass „eine gemeinsame Abschreckung Teil einer europäischen Verteidigungspolitik sein muss“.
Ein „europäischer Sicherheitsschirm“ sei denkbar, ohne dass Frankreich sein Recht auf autonome Entscheidungen in Nuklearfragen aufgebe. (dts)
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