Thüringen: AfD stärkste Kraft – CDU kann nicht ohne BSW regieren – Grüne fliegen aus dem Landtag
Die Landtagswahlen am Sonntag, 1. September, im Freistaat Thüringen endeten mit einem historischen Fiasko für die im Bund regierenden Ampelparteien. Auch die Linkspartei, die mit Bodo Ramelow seit 2014 den Ministerpräsidenten gestellt hatte, muss deutliche Verluste hinnehmen. Demgegenüber wird die AfD erstmals in einem deutschen Landtag mandatsstärkste Kraft. Sie kommt auf 32,8 Prozent und 32 Sitze.
Die CDU behauptet sich mit leichten Zugewinnen und 23,6 Prozent auf Platz 2. Mit 15,8 Prozent feiert das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einen Achtungserfolg. Mit 73,5 Prozent hat die Wahlbeteiligung den zweithöchsten Wert nach der Wiedervereinigung erreicht. Lediglich 1994 war sie mit 74,8 Prozent noch etwas höher.
CDU auf Verständigung mit BSW angewiesen
Die Mandatsverteilung im Landtag von Erfurt lässt erkennen, dass die CDU auf ein Arrangement mit dem BSW angewiesen ist, will sie künftig mit einem Ministerpräsidenten Mario Voigt regieren. Sie kommt auf 23 Sitze (+ 2 gegenüber 2019). Zusammen mit der Linkspartei und der SPD würde es lediglich für 41 reichen – was zu wenig ist für eine Mehrheit.
Ob es für eine Koalition aus CDU, SPD und BSW oder eine Tolerierung eines schwarz-roten Bündnisses durch die Wagenknecht-Partei reichen würde, war lange Zeit unklar. Allerdings verfehlen auch diese drei Parteien aufgrund des starken AfD-Ergebnisses mit 44 Sitzen knapp die Mehrheit.
Eine solche hätten jedenfalls CDU, BSW und Linkspartei mit zusammen 51 Sitzen, allerdings gilt aufseiten der Union ein Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der letztgenannten. Aus diesem Grund steht auch die Ära Ramelow vor ihrem Ende. Obwohl 51 Prozent der Bürger in Thüringen am Wahltag noch Zufriedenheit mit ihrem Ministerpräsidenten äußerten, stürzte dessen Partei ab und verlor 18,5 Prozentpunkte. Mit 13,1 Prozent kommt die Linke nur noch auf zwölf Sitze. Am Wahltag des Jahres 2019 kam Ramelow noch auf einen Beliebtheitsgrad von 68 Prozent.
AfD-Ergebnis ohne Wagenknecht-Partei noch deutlich höher
Etwa 1,66 Millionen Thüringer waren aufgerufen, die 88 Sitze im Landtag von Erfurt neu zu verteilen, die – ohne Berücksichtigung möglicher Überhangmandate – zu vergeben waren. Etwa 79.000 davon waren zum ersten Mal stimmberechtigt. Mit 51,3 Prozent waren mehr Frauen als Männer wahlberechtigt, mit rund 751.000 Wählern waren mehr als 45 Prozent 60 Jahre oder älter. Um die Sitze beworben hatten sich 427 Kandidatinnen und Kandidaten bei 15 Parteilisten.
Dass die Wahlbeteiligung höher ausfallen würde als vor fünf Jahren, zeichnete sich bereits am frühen Nachmittag ab. Nach Angaben des Landeswahlleiters lag diese um 14:00 Uhr bei 44,4 Prozent und damit bereits um 2,2 Prozentpunkte über jener von 2019. Gegenüber den EU- und Kommunalwahlen war es sogar ein Plus von 9,8 Prozent, und das ohne Briefwähler.
In einer Wahltagsbefragung nannten mehr als zwei Drittel der befragten AfD-Wähler Migration und Kriminalität als ausschlaggebend für ihre Entscheidung. Einer Erhebung von Infratest dimap zufolge befindet sich lediglich etwa ein Viertel der Wähler dieser Partei in vollständiger Übereinstimmung mit deren ideologischen Positionen. Ein weiteres Drittel teilt diese zumindest in höherem Ausmaß.
Das Ergebnis der AfD wäre nach Einschätzung der Demoskopen noch deutlich höher ausgefallen, hätte nicht das Bündnis Sahra Wagenknecht kandidiert. Dessen Namensgeberin verfügt in Thüringen über einen Beliebtheitsgrad von 46 Prozent, obwohl sie selbst im Freistaat nicht zur Wahl stand. Das für die AfD bedeutendste Ergebnis des Abends dürfte die Erlangung der sogenannten Sperrminorität gewesen sein. Damit kann sie künftig einige entscheidende Weichenstellungen im Landtag blockieren – etwa dessen Auflösung oder eine Verfassungsänderung. Auch führende Posten am Verfassungsgerichtshof oder Landesrechnungshof bedürfen künftig der Wahl mit zumindest einzelnen Stimmen aus der AfD.
BSW gewann aus allen Lagern dazu – AfD holte die meisten Nichtwähler zurück
Das BSW konnte von allen anderen Parteien Wähler gewinnen. Den größten Aderlass hatte dabei die Linke mit 85.000 Stimmen zu verzeichnen, die an die neue Konkurrenz gingen. Aber auch die AfD musste 13.000 Stimmen an die Wagenknecht-Partei abgeben. Von der Union gingen 18.000 Stimmen an das BSW, außerdem holte dieses 27.000 vormalige Nichtwähler an die Urne.
Ansonsten war es vor allem die AfD, die Wähler aus der Enthaltung holte. Nicht weniger als 61.000 Nichtwähler des Jahres 2019 gaben ihr dieses Mal ihre Stimme. Außerdem gewann die Höcke-Partei 22.000 ehemalige Wähler der CDU, 19.000 frühere Linken-Wähler und insgesamt 11.000 von FDP und SPD dazu.
Die Motivlage der Wähler hat sich gegenüber 2019 insbesondere bezüglich der Angst vor Kriminalität erheblich verändert. Insgesamt gaben 81 Prozent der befragten Thüringer an, dass diese ihnen „große Sorgen“ bereite. Gegenüber vor fünf Jahren war dies ein Plus von 17 Prozent. Weitere 77 Prozent erklärten, sie seien darüber besorgt, dass das Land in den Ukraine-Konflikt hineingezogen werde.
CDU-Zugewinne größtenteils auf Kosten der FDP
Für die Ampelparteien bewegt sich das Ergebnis in Thüringen nahe an der größtmöglichen Katastrophe. Die SPD kann sich im Freistaat trotz eines Verlustes von 2,1 Prozentpunkten mit 6,1 Prozent und sechs Mandaten immerhin ihren Verbleib im Landtag – und wahrscheinlich auch in der Regierung – sichern.
Demgegenüber sind weder die Grünen noch die FDP weiterhin im Landesparlament vertreten. Die Grünen, die im Freistaat bisher bei Landtagswahlen nie mehr als 6,5 Prozent der Zweitstimmen erreichen konnten, kamen nur noch auf 3,2 Prozent. Lediglich in Universitätsstädten konnten sie noch auf Ergebnisse jenseits der Fünf-Prozent-Hürde kommen.
Noch niederschmetternder sieht das Ergebnis der FDP aus. Die Liberalen, die mit Thomas Kemmerich kurzzeitig den Ministerpräsidenten gestellt hatten, kamen auf nur noch 1,1 Prozent. Von ihrem Scheitern hat vor allem die CDU profitiert, deren Plus von 2,0 Prozentpunkten zu einem erheblichen Teil auf abgewanderte FDP-Wähler zurückzuführen war.
Die CDU gewann 16.000 ehemalige Wähler der Liberalen für sich. Außerdem gaben ihr 41.000 frühere Wähler der Linkspartei, 25.000 vormalige Nichtwähler sowie insgesamt 20.000 frühere Wähler von SPD und Grünen ihre Stimme.
Die Freien Wähler spielten im Freistaat keine Rolle, sie konnten allerdings mit 1,3 Prozent die FDP hinter sich lassen. Unbedeutend bleiben auch die WerteUnion (WU) und das Bündnis Deutschland. Sie bleiben mit 0,6 beziehungsweise 0,5 Prozent deutlich unter ihren Erwartungen und werden auch von der Liste Tierschutz hier abgehängt, die auf ein Prozent kommt.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion