Landtagsabgeordnete: „Es gibt noch viele dunkle Stellen, die beleuchtet werden müssen“
Am 15. März fand im Brandenburger Landtag die letzte öffentliche Corona-Untersuchungsausschusssitzung in dieser Legislaturperiode statt. Dort wurde neben dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) auch Dr. Ulrich Widders, Leiter des Referates 43 im brandenburgischen Gesundheitsministerium, als Zeuge befragt. Im Anschluss an die Sitzung sprachen wir mit der Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig (CDU), welche Fragen noch offen sind und welchen Gesamteindruck sie als Ausschussmitglied des Corona-Untersuchungsausschusses gewonnen hat.
Sie haben dem Referatsleiter aus dem Gesundheitsministerium die Frage gestellt, inwiefern das Thema Antikörper-Titer eine Rolle bei den Entscheidungen zu den Corona-Maßnahmen gespielt hat. Warum?
Während der Corona-Zeit gab es immer wieder auch andere Stimmen, die deutlich gemacht haben, dass eine Antikörper-Titer-Bestimmung ausreichen sollte, um zu sehen, ob jemand gegen Corona geschützt ist. Wir haben bestimmt oft gehört, man müsse sich impfen lassen, damit man sich selbst schützt oder auch andere. Ein solcher Schutz wäre aber ohne Impfung möglich gewesen – wenn ich schon genesen bin oder diese Infektion durchgemacht habe, ohne dass ich es wirklich gemerkt habe. Eine Titer-Bestimmung kann dies nachweisen. Wie wir festgestellt haben, gab es [in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Infektionsschutz] diese Diskussionen zu einem Zeitpunkt, wo es tabuisiert wurde, darüber zu diskutieren.
Deswegen ist das einfach wichtig gewesen, tatsächlich auch die zuständige Stelle, in dem Fall den Referatsleiter für Infektionsschutz [Dr. Ulrich Widders] zu befragen. Daher ist es interessant zu wissen, ob diese Diskussionen weitergetragen wurden [bis hin zur Gesundheitsministerin oder ins Kabinett].
Eine Entscheidungsgrundlage muss es bestimmt gegeben haben bei der Umstellung von 3G auf 2G, dass man mit zwei Impfungen nicht mehr als vollständig geimpft galt, sondern nur noch mit drei Impfungen. Deswegen ist es wahnsinnig wichtig herauszuarbeiten, zu welchem Zeitpunkt man tatsächlich Dinge gewusst hat, ob was hilft oder nicht hilft, und wie es dann eben umgesetzt wurde im politischen Raum.
Sie haben heute viel aus den Ergebnisprotokollen der Arbeitsgruppe Infektionsschutz zitiert und Widders mit Fragen dazu konfrontiert. Warum?
Zwischen dem, was man in den Protokollen dieser AG Infektionsschutz gelesen hat und was dann entschieden wurde, gibt es eine große Diskrepanz. Heute hieß es durch den Referatsleiter, dass man mithilfe dieser Arbeitsgruppe eine Entscheidungsgrundlage für die Gesundheitsministerin ausgearbeitet hatte. Wenn diese Protokolle die Entscheidungsgrundlage waren, fragt man sich natürlich, warum anders entschieden wurde, als die Diskussion es widerspiegelt.
Wir haben festgestellt, dass nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften unterschieden wurde bei der Aufnahme von COVID-Kranken in den brandenburgischen Kliniken. Was war dann die Datengrundlage, um zu sagen, dass die Impfung hilft?
Genau das ist eben die spannende Frage, warum hat man dann so entschieden? Wir haben heute von Woidke und Widders gehört, dass man sich als Regierung fast ausschließlich auf die Empfehlungen des RKI verlassen hat und auf die Dinge, die aus dem Bundesgesundheitsministerium kamen. Dies steht allerdings im Widerspruch zu den Diskussionen in der AG Infektionsschutz.
Was war für Sie das Auffälligste an den Aussagen von Ministerpräsident Woidke?
Er hatte ein ziemlich langes Eingangsstatement gehalten, in dem man sehr wohl heraushören konnte, dass von der Bundesebene – auch durch diese Ministerpräsidentenkonferenz – Einstimmigkeit beschlossen wurde. Es wurde eine politische Loyalität vereinbart, diese Dinge dann auch gemeinsam umzusetzen. Eingespielt wurden die Maßnahmen somit über die Bundesebene. In der Diskussion selbst hat sich das Bild dann etwas differenzierter gezeigt. Interessant ist, dass auch jetzt bisher nicht hinterfragt wird, ob die Maßnahmen noch mal so umgesetzt werden sollten, wenn wir eine neue Pandemie haben sollten. Das besorgt mich.
Woidke hat in der Befragung deutlich gemacht, dass es auch Bürger gab, die bundesweit eine Einheitlichkeit bei den Verordnungen und noch schärfere Maßnahmen wollten. Wie ordnen Sie diese Aussage ein?
Ja, natürlich gab es die. Es wird oft nicht anerkannt, dass es natürlich auch dieses Sicherheitsbedürfnis bei vielen Menschen gab, die auch Druck auf die Politik gemacht haben. Denn die Politik selbst arbeitet massiv mit Angst. Wir hatten das letzte Mal zwei Sachverständige da, die erklärt haben, dass 30 Prozent unserer Kinder und Jugendlichen heute immer noch mit den Folgen dieser Angstmacherei leben. Es ist fraglich, mit Angst zu arbeiten.
Durch den Prüfbericht der European Medicines Agency (EMA) zum COVID-Impfstoff von BioNTech ist deutlich geworden, dass kein gesicherter Fremdschutz besteht. Heute hat Ministerpräsident Woidke allerdings den Infektionsschutz mit als Grund für gewisse Maßnahmen und sogenannte Erfolge genannt. Hat sie das nicht verwundert?
Es wird behauptet, dass aufgrund der getroffenen Maßnahmen eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert wurde. Wenn man dann nachfragt, „wie haben sie das evaluiert“, dann wird es still. Sagt man dann, wir benötigen eine Untersuchung, weil die ausgebliebene Überlastung des Gesundheitssystems kann ja auch andere Ursachen gehabt haben, dann wird das abgelehnt.
Genauso wird von sehr vielen Amtsträgern heute noch die Tatsache abgelehnt, dass die COVID-mRNA-Impfung keinen Fremdschutz bietet. Es wird immer noch mit diesem Fremdschutz argumentiert, obwohl wir wissen, dass weder die Zulassung dies beinhaltet hat, noch darauf getestet wurde. Dieses Präparat ist nie unter diesem Aspekt entwickelt worden, einen Fremdschutz zu gewährleisten. In großen Teilen behauptet die Politik jedoch immer noch, dass es ein Fremdschutz gibt.
Nun hat Herr Woidke berichtet, dass er bei maßgeblichen Veränderungen der Corona-Verordnungen Kontakt aufgenommen habe zu zwei Klinikchefs von den zwei größten Kliniken hier in Brandenburg. Ist der Abwägungsprozess bei Entscheidungen durch die Zeugenbefragungen dadurch klarer geworden?
Ich finde es erst mal gut, dass der Ministerpräsident die Meinung der Klinikchefs zweier großer brandenburgischer Kliniken zu verschiedenen Corona-Maßnahmen eingeholt und sich bei Praktikern informiert hat. Aber natürlich ist es immer schwierig, genau jene zu befragen, die letztlich auch von der Umsetzung der Maßnahmen in gewisser Hinsicht profitiert haben. Nur zwei Klinikchefs zu befragen, reicht für mich an dem Punkt nicht aus.
Wie meinen sie das mit dem „profitieren“?
Das Krankenhausentlastungsgesetz wurde wegen Corona entsprechend angepasst. Für jedes freigehaltene Bett für einen möglichen COVID-Kranken wurden pro Tag 560 Euro an die Kliniken gezahlt. Dadurch entstand die absurde Situation, dass obwohl weniger Patienten in den Kliniken versorgt wurden, die Kliniken deutlich mehr Einnahmen hatten. Durch freigehaltene Betten, die nicht belegt waren, konnte man tatsächlich auch Geld verdienen. Das ist natürlich ein Anreizsystem, was Fehlanreize geben kann. Ich will nicht behaupten, dass es genauso war, aber die Wahrscheinlichkeit war gegeben. Diese Punkte muss man bei der Untersuchung zur Wirksamkeit der Maßnahmen mitberücksichtigen.
Die Aufarbeitung der Situation für die Kinder und Jugendlichen während der Corona-Krise hat bei Ihrer Fragestellung im Corona-Untersuchungsausschuss oft eine Rolle gespielt. Warum?
Ja, man hat sehr lange auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen agiert, um andere zu schützen. Das war das Argument. Das ist ethisch zu hinterfragen und auch in Bezug auf Risiko und Nutzen. Was ist den Kindern damit angetan worden? Wir haben jetzt eine Generation, die massiv eingeschränkt ist in ihrer Möglichkeit, ihr Potenzial ganz auszuschöpfen, eine vernünftige Arbeit zu finden oder studieren zu können, weil sie durch die Corona-Maßnahmen wie das Schüren von Angst oder das Maskentragen in ihrem Lernverhalten massiv behindert wurden. Das hat man damals offenbar nicht im Abwägungsprozess berücksichtigt.
Sie haben den Zeugen, darunter politische Entscheider, Beamte und Gutachter, in den ganzen Ausschusssitzungen viele Fragen gestellt. Ist für Sie jetzt die Entscheidungsfindung in der Corona-Krise transparenter, klarer und nachvollziehbarer geworden und inwiefern eine Abwägung stattgefunden hat und wie diese Abwägung aussah?
Es ist deutlich geworden, wie Entscheidungsprozesse organisiert wurden. An welcher Stelle entschieden wurde, bleibt bis heute offen. Was die Transparenz betrifft, da muss sehr nachgearbeitet werden. Die Landesregierung bezieht sich immer wieder auf den Schutz ihres exekutiven Handelns. In vielen Bereichen berichtet sie nicht transparent. Da gibt es, glaube ich, noch viele dunkle Stellen, die beleuchtet werden müssen.
Das heißt, Sie sehen keine Schwierigkeit, Zeugen zu finden, die Sie vielleicht in der nächsten Legislaturperiode vorladen wollen und haben noch genügend Fragen für die kommenden Ausschusssitzungen?
Ganz sicher.
Vielen Dank!
Das Interview führte Erik Rusch.
Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 20. März 2024 aktualisiert.
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