Landkreistagspräsident: Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine für Kommunen nicht mehr zu bewältigen

In einem Interview klagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager, die Kommunen seien nicht mehr in der Lage, den Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine zu bewältigen. Er schloss sich den Forderungen nach einem Ende der Sonderregelungen an und favorisierte Unterkünfte im Westen des Landes.
Valentinstag in Kiew: Zwischen Panzersperren und Blumensträußen geht das (Kriegs-)Leben für die Ukrainer und Ukrainerinnen weiter.
Valentinstag in Kiew: Zwischen Panzersperren und Blumensträußen geht das (Kriegs-)Leben für die Ukrainer weiter.Foto: Tony Hicks/AP/dpa
Von 21. April 2024

Unterschiedliche Wahrnehmungen der einzelnen Ebenen scheinen derzeit die Politik der Union zu bestimmen. Die Bundes-CDU und die Fraktion im Bundestag wollen – trotz düsterer militärischer Aussichten für Kiew – den Krieg in der Ukraine verlängern, in der Hoffnung, dass eines Tages das gewünschte Ergebnis eintritt.

Demgegenüber macht sich an der Basis vor Ort zunehmend Alarmstimmung breit. In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ warnte Landkreistagspräsident Reinhard Sager, dass die Zahl der Flüchtlinge aus dem kriegszerrütteten Land nicht mehr zu bewältigen sei.

Landkreistagspräsident erkennt keine Trendwende bei Zahl der Flüchtlinge

Sager bestätigt zwar in dem Interview, dass seit Beginn des Jahres die Anzahl der Flüchtlinge in Deutschland insgesamt zurückgegangen sei. Er führt das dabei auf die Grenzkontrollen zurück, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf zunehmenden Druck der Kommunen hin eingeführt habe.

Eine Trendwende sei jedoch immer noch nicht zu erkennen. Immerhin sei die Anzahl der Asylsuchenden im Winter immer rückläufig. Landkreise und Gemeinden seien mit der regulären und irregulären Migration überfordert.

Die vonseiten der EU beschlossenen Lager an den EU-Außengrenzen seien „nicht schön, aber unabdingbar“. Sie seien eine effektive Maßnahme gegen die Schlepperei, und zügige Verfahren seien im Interesse der Geflüchteten selbst.

Die Problematik verschärft sich

Die Umsetzung der Beschlüsse könne allerdings noch Jahre in Anspruch nehmen. Und auch die deutschen Grenzkontrollen sowie die Verlängerung der Abschiebehaft brächten keine nennenswerte Linderung, so Sager:

„Wenn die Bundespolizei irreguläre Migranten auf deutschem Boden aufgreift, werden sie nicht zurückgebracht, sondern bleiben im Land. Teils für immer, weil Abschiebungen auch nach der Asylreform von Bund und Ländern kaum zunehmen werden.“

Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, „endlich in großem Stil“ abzuschieben, sei „nichts anderes als eine Beruhigungspille mit bitterem Nachgeschmack, weil sie nicht wirkt“.

Gleichzeitig sei es nach wie vor noch nicht gelungen, alle Zuwanderer, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, in Arbeit zu bringen. Nicht erst seit dem Ukrainekrieg, sondern bereits seit 2021 sei die Anzahl der Migranten weiter deutlich angewachsen.

Kommunen haben fünf Milliarden Euro zu wenig für Unterkünfte

Bis Ende März haben im Jahr 2024 bislang 71.061 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr wäre demnach mit etwa 284.000 Anträgen zu rechnen. Saisonale Schwankungen sind dabei jedoch nicht berücksichtigt – und erfahrungsgemäß sind die Asylzahlen im Sommer und Herbst höher als in den kälteren Monaten. Im Vorjahr waren 351.915 Asylsuchende nach Deutschland gekommen.

Die Anzahl der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland beträgt derweil etwa 1,1 Millionen. Für sie gilt eine Sonderregelung, sodass sie keine regulären Asylverfahren durchlaufen müssen. Die Kommunen klagen jedoch schon lange darüber, dass sie nicht ausreichend Wohnungen, Lehrkräfte, Personal und Finanzen hätten, um alle Aufgaben zu bewältigen.

Sager wirft Kanzler Scholz zudem vor, die Finanzierung zusammengekürzt zu haben. Den Fehlbetrag für die Kommunen beziffert er allein für die vergangenen beiden Jahre auf insgesamt fünf Milliarden Euro allein für die Unterkünfte. Seine Prognose ist eindeutig:

„Wenn die Zahl der Flüchtlinge nicht schnell deutlich und dauerhaft zurückgeht, werden die Probleme immer größer, und das wird sich rächen. Nicht allein, aber auch im immer größeren Zuspruch für die AfD.“

Sager will Aus für Bürgergeld für Flüchtlinge aus der Ukraine

Die Geldkarte hält der Präsident des Landkreistages eher für Symbolpolitik. Sie helfe zwar, zu verhindern, dass Bargeld in die Herkunftsländer oder an Schlepper geschickt würden. Allerdings würde sie Menschen nicht grundsätzlich davon abschrecken, nach Deutschland zu kommen.

Die Landkreise unterstützten nun Forderungen, die Leistungen für Asylbewerber EU-weit zu harmonisieren – und die Sonderregelung für die Ukrainer abzuschaffen. Derzeit erhielten reguläre Asylsuchende 460 Euro pro Monat bei Unterbringung in einer Unterkunft. Ukrainische Migranten könnten Bürgergeld beantragen, also 563 Euro plus ortsübliche Kosten für Miete, Wasser und Heizung für Alleinstehende.

Generell wirft Sager die Frage auf, ob aus der Ukraine „wirklich so viele Menschen zu uns kommen“ müssten. Derzeit beherberge allein Baden-Württemberg mehr ukrainische Flüchtlinge als ganz Frankreich.

„Polen könnte noch mehr Kriegsflüchtlinge aufnehmen“

Sager begrüßte den jüngst von Bundesinnenministerin Nancy Faeser geäußerten Vorschlag, „wetterfeste Unterkünfte im sicheren Westen der Ukraine“ zu schaffen. Außerdem wäre möglicherweise auch Polen bereit, „mehr ukrainische Geflüchtete aufzunehmen, wenn es Unterstützung von der EU gibt“.

Generell klagt der Landkreistagspräsident, dass die Zuwanderung nach Deutschland ungeordnet vonstattengehe und die Behörden noch heute keinen vollständigen Überblick hätten. Sager forderte auch Maßnahmen, um künftig die Anzahl an Schutzsuchenden in Deutschland zu begrenzen:

„Dafür brauchen wir auch eine politische Debatte über eine Größenordnung, weil wir deutlich über 300.000 Menschen im Jahr nicht bewältigen können. Das muss man nicht Obergrenze nennen, aber die Beschreibung einer Dimension des Leistbaren ist erforderlich.“



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