Landgericht Hamburg verschiebt Prozessauftakt gegen BioNTech

Wegen eines kurzfristig eingereichten Befangenheitsantrages des Klägeranwalts konnte die deutschlandweit erste mündliche Gerichtsverhandlung um einen vermeintlichen Comirnaty-Impfschaden in Hamburg doch noch nicht beginnen. Jetzt heißt es wohl, einige Tage warten.
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Stein des Anstoßes: Eine Krankenhausärztin verlangt Schmerzensgeld und Schadenersatz vom Mainzer Comirnaty-Hersteller BioNTech – wegen eines Impfschadens. Der Auftakt der mündlichen Verhandlung musste kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben werden.Foto: Cindy Ord/Getty Images for Pfizer/BioNTech
Von 13. Juni 2023

Der mit Spannung erwartete Prozessauftakt gegen den Mainzer Impfstoffhersteller BioNTech wegen eines vermeintlichen Impfschadens ist am Vormittag des 12. Juni vom Landgericht Hamburg überraschend auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Das berichtet unter anderem die „Tagesschau“.

Nach Angaben eines Gerichtssprechers müsse nun eine Kammer des Landgerichts über einen Befangenheitsantrag des Klägeranwalts entscheiden. Dies könne „einige Tage dauern“.

Erste mündliche Verhandlung über Impfschaden in Deutschland

Tobias Ulbrich, der Düsseldorfer Rechtsbeistand der Klägerin, einer Krankenhausärztin aus Hamburg, habe am späten Freitagnachmittag, 9. Juni, einen schriftlichen Befangenheitsantrag gegen den Einzelrichter eingereicht, der die Schmerzensgeldklage ursprünglich verhandeln sollte.

Zur Begründung habe der Anwalt angegeben, es handele sich immerhin um die erste mündliche Verhandlung über einen Impfschaden vor einem deutschen Gericht. Das hatte BioNTech nach Angaben des „Münchner Merkur“ selbst eingeräumt. Deshalb, so der Klägeranwalt, müsse eine Kammer aus mehreren Richterinnen und Richtern entscheiden, nicht nur ein einziger Richter.

Klägerin will mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld

Die Klägerin verlangt laut NDR wenigstens 150.000 Euro Schmerzensgeld und den Ersatz sämtlicher ihr entstandenen „materiellen Schäden“ von BioNTech. Eigenen Angaben zufolge sei sie bis zum Zeitpunkt ihrer COVID-19-Impfung mit dem BioNTech-Vakzin Comirnaty „kerngesund“ gewesen. Danach habe sie nach Informationen der Zeitung „Welt“ Atemnot und Herzrhythmusstörungen bekommen. Sie sei „deshalb mehrere Wochen im Krankenstand gewesen“. Noch heute, so die „Tagesschau“, leide die Klägerin unter „Schmerzen im Oberkörper“, unter „Schwellungen in Armen und Beinen“, unter Erschöpfung, Müdigkeit und Schlafstörungen.

Die Ärztin habe ihre Leidensgeschichte auf 200 Seiten protokolliert, berichtet der NDR. Außerdem sei sie im Besitz von Laborergebnissen und von ärztlichen Attesten, die helfen sollen, ihren Impfschaden rechtsfest zu bestätigen.

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„Gefährdungshaftung“: Spahn entlastete Hersteller

Doch auch wenn das Gericht ihrer Schilderung folgen sollte, müsste BioNTech nicht automatisch zahlen: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die „Gefährdungshaftung“ für Hersteller von COVID-19-Vakzinen schon 2020 eingeschränkt. Den Haftungsausschluss habe Spahn damals damit begründet, dass es darum ging, „möglichst schnell an Impfstoff zu gelangen“, wie der NDR schreibt. Haften würde – wenn überhaupt – der Staat, also letztlich der Steuerzahler.

Hersteller von Medikamenten oder Impfstoffen sind nach Informationen der „Welt“ in Deutschland grundsätzlich nur dann schadensersatzpflichtig, wenn wissenschaftlich belegt werden kann, dass ihre Präparate „im Vergleich zu ihrem Nutzen einen unverhältnismäßig großen Schaden verursachen“. Dies im Fall BioNTech nachzuweisen, wird wohl die große Herausforderung für den Rechtsanwalt Tobias Ulbrich sein.

Ulbrich habe bereits angekündigt, entsprechende Gutachten vor Gericht zu präsentieren, „die die lebensrettende Wirkung sowie die positive Sicherheitsbeurteilung der Impfkampagne in Zweifel“ zögen. Bei der „mündlichen Anhörung“ gehe es „unter anderem [um] die Erörterung der Rechtslage“.

BioNTech bleibt gelassen – der Rechtslage wegen

Es ist nicht davon auszugehen, dass BioNTech freiwillig zahlt: „Mehr als schätzungsweise 1,5 Milliarden Menschen weltweit und mehr als 64 Millionen Menschen allein in Deutschland haben unseren Impfstoff erhalten“, hatte das Pharmaunternehmen laut „Tagesschau“ bekannt gegeben. „Die gleichzeitig sehr geringe Anzahl von möglichen Nebenwirkungen unterstreicht die Verträglichkeit des Impfstoffs.“

BioNTech steht nach Angaben der „Welt“ auf dem Standpunkt, dass keine Haftungspflicht bestehe, wenn eine „bekannte […] Nebenwirkung“ wie etwa Kopfschmerzen oder Fieber auftrete, die in den „Fach- und Gebrauchsinformationen“ aufgeführt sei. Sollte es sich um andere „gesundheitliche Beeinträchtigungen“ handeln, müsse zunächst ein „impfstoffassoziierter Zusammenhang festgestellt“ werden, und zwar „nach dem Stand der Wissenschaft und im Austausch mit den zuständigen Behörden“. Wie der „Münchner Merkur“ berichtet, habe BioNTech „nach einer Prüfung der Vorwürfe gefordert, die Klage als unbegründet abzuweisen“.

Beide Argumentationslinien von BioNTech scheinen sich mit der allgemeinen Rechtsauffassung zu decken. Nach Angaben des SWR sei „in der Rechtsprechung […] anerkannt, dass bekannte Nebenwirkungen vertretbar sind, wenn das Arzneimittel zugelassen ist […]. Es müssten […] bislang unbekannte Impffolgen eintreten.“ Und: „Ein medizinischer Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden kann nur in den seltensten Fällen nachgewiesen werden“, hieß es am 19. Mai beim MDR. „Die Beweislast liegt […] bei den Betroffenen. […] Ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang reicht nicht aus.“

Fast 200 Klagen in Deutschland anhängig

Nach Angaben der „Tagesschau“ war „eine ähnliche Klage gegen den Impfstoffhersteller AstraZeneca Anfang des Jahres 2023 von einem Landgericht in Bayern abgewiesen worden. Beinahe „200 Zivilklagen wegen angeblicher gesundheitlicher Schäden durch Corona-Impfungen“ seien deutschlandweit noch anhängig. Sie richteten sich gegen „alle vier großen Hersteller von Corona-Impfstoffen“.

Wie die „Welt“ berichtet, haben sich zwei Kanzleien in Deutschland inzwischen auf Impfschadensfälle spezialisiert. Die Düsseldorfer Kanzlei „Rogert & Ulbrich“ habe neben der Schadenersatzklage gegen BioNTech in Hamburg auch noch in rund 250 ähnlich gelagerten Fällen Klagen vor Gericht eingereicht. Etwa 100 weitere Mandanten betreue die Anwaltskanzlei „Cäsar-Preller“ in Wiesbaden.

Ist Schweigen Gold?

Aus Sicht von Thomas Mertens, dem Chef der Ständigen Impfkommission (STIKO), kann es sinnvoll sein, einen Verdacht auf einen Impfschaden gegenüber Ärzten besser gar nicht erst zu erwähnen. Da „Post Vac“ nicht als Krankheit anerkannt sei, könne ein Patient sonst auf den Behandlungskosten sitzen bleiben.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) hatte Mitte März 2023 eingeräumt, dass bei einer von 10.000 Impfungen „schwere Nebenwirkungen“ vorkommen könnten, die auch zu „schwersten permanenten Einschränkungen“ führen könnten.

PEI zählt nur „Verdachtsfälle“ – Beweislast beim Patienten

Beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für die Überwachung der Impfstoffsicherheit („Impfsurveillance“) zuständig ist, sieht man nach wie vor keinerlei Risikosignal.

Schon bis zum 7. September 2022 lagen dem Institut zwar bereits über 320.000 Meldungen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen und mehr als 3.000 Anzeigen wegen mutmaßlicher Todesfälle (PDF) infolge einer COVID-19-Impfung vor, dazu rund 51.000 Meldungen schwerwiegender Nebenwirkungen bis Mitte März 2023. Doch all diese Fälle wurden samt und sonders als „Verdachtsfälle“ klassifiziert, wie das ZDF am 22. März bestätigte: „[…] dazu führt keine Behörde eine Statistik. Das PEI zählt nur Verdachtsfälle, keine Impfschäden.“

Offiziell behördlich anerkannt wurden deutschlandweit laut ZDF bis Mitte März 2023 nur 301 Anträge auf Versorgungsleistungen infolge „unerwünschter Arzneimittelwirkungen“ – relativ wenige angesichts der 6.977 Anträge, die bis dahin bei den „Sozialbehörden aller 16 Bundesländer“ aufgelaufen seien. „Rund 2.300 wurden abgelehnt, die meisten sind noch in Arbeit.“

Grundrente: bis zu 854 Euro

Sollten die Antragsteller doch Erfolg haben, was bisher nur in gut einem von zehn Anträgen der Fall gewesen sei, „dann haben Betroffene Recht auf eine monatliche Grundrente vom Staat, die abhängig von der Schwere des Schadens bis zu 854 Euro pro Monat betragen kann“, wie „t-online.de“ am 15. März bekannt gab. Nach Informationen des MDR haben „Betroffene […] auch Anspruch auf Heilbehandlungen und einen Ausgleich für berufliche Einkommenseinbußen“. „In Extremfällen“ könne „die monatliche Gesamtsumme bis zu 15.000 Euro betragen“.



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