Landesregierung räumt zu „Schlumpfgate“ ein: Polizeieinsatz war ein Fehler

Ein Hinweis auf Radikalisierungstendenzen einer Schülerin führte im Februar zu einer Gefährderansprache durch die Polizei am Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten. Nun räumt das Land MV ein: Das Vorgehen war selbst nach Maßgabe bestehender Vorgaben überzogen.
Das Polizei-Wappen von Mecklenburg-Vorpommern Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes erklärten etliche Vorschriften im 2020 reformierten Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) des Bundeslandes für verfassungswidrig.
Landesregierung räumt ein: Polizeieinsatz am Wossidlo-Gymnasium wegen „Schlumpfgate“ wäre nicht erforderlich gewesen. Symbolbild.Foto: Danny Gohlke/dpa
Von 31. Mai 2024

Im Februar und März des Jahres hatte ein Polizeieinsatz am Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten bundesweit die Gemüter bewegt. Im Rahmen von „Schlumpfgate“, wie der spätere X-Hashtag dazu lautete, wurde dessen Schulleiter auf TikTok-Inhalte einer 16-jährigen Schülerin hingewiesen. Diese deuteten auf eine mögliche rechte Radikalisierung hin.

Der Schulleiter verständigte umgehend die Polizei über die ihm via E-Mail zugegangenen Wahrnehmungen. Diese sichtete das Material, schloss eine strafrechtliche Relevanz aus, führte jedoch in Abstimmung mit dem Schulleiter mit der Schülerin eine sogenannte Gefährderansprache durch. Das Bekanntwerden des Falls hatte massive Kritik an der Schulleitung und an den Einsatzkräften zur Folge – bis zu Beschimpfungen und Drohungen. Aktivisten der als rechtsextremistisch eingestuften „Identitären Bewegung“ entrollten vom Dach der Schule ein Spruchband.

Anlagen zum Notfallplan wurden Ausschuss nicht zur Kenntnis gebracht

Die Landesregierung hatte das Vorgehen des Schulleiters und der Polizei im Landtag als angemessen verteidigt. Dabei wurde unter anderem auf ein Rundschreiben verwiesen, das Meldepflichten an die Polizei bei bestimmten Vorkommnissen oder Verdachtsmomenten vorsieht. Diese würden auch möglicherweise strafrechtlich oder staatsschutzrechtlich relevante Inhalte umfassen, die Schüler besäßen oder verbreiteten. Nun hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag die ursprüngliche Position ihrer Minister relativiert.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage (Drucksache 8/3565) äußerte sich das Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung zuerst über die Anlagen zur aktuellen Fassung des Rundschreibens. Der Abgeordnete Enrico Schult hatte dabei Anstoß daran genommen, dass diese dem Ausschuss für Bildung und Kindertagesförderung in der Sondersitzung vom 21. März 2024 nicht vorgelegt worden waren.

Die in den Anlagen angesprochenen Fallkonstellationen beziehen sich auf „Bombendrohungen und Amokankündigungen, Vorkommnisse mit Waffen, Vorkommnisse mit Drogen und den Missbrauch digitaler Medien“. Der Schulleiter hatte sein damaliges Vorgehen auf die Anlage zum „Missbrauch digitaler Medien“ gestützt.

Bei „Schlumpfgate“ hätte Meldung per Meldebogen ausgereicht

Die entsprechenden Anlagen zum sogenannten Notfallplan seien aus Sicherheitsgründen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, heißt es in der Antwort weiter. Andernfalls ließen sich „schon aus pauschalisierten Aussagen konkrete Rückschlüsse für mögliche tatverursachende Personen“ ziehen. Im konkreten Fall könnte dieses Wissen genutzt werden, um den Notfallplan auf mögliche „Schwachstellen“ oder „Einfallstore“ zu überprüfen.

Das Ministerium sichert jedoch zu, dass die Regelungen zu „Missbrauch digitaler Medien“ und sonstige Regelungen des Notfallplans politisch neutral formuliert seien.

Allerdings heißt es in dem Rundschreiben selbst auch, dass bei „meldepflichtigen Vorfällen ohne Brisanz oder vermuteter Öffentlichkeitswirkung“ eine „Anzeige mittels Vordruck der Meldebögen A und B innerhalb von 24 Stunden“ ausreiche. Zu dieser Art von Vorfällen zählen beispielsweise Rangeleien oder sonstige Vorkommnisse dieser Größenordnung.

Bezüglich des „Schlumpfgate“-Falls am Wossidlo-Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten gibt die Landesregierung die zusammenhängende Antwort:

„Mit Bezug auf den Sachstand am 27. Februar 2024 ist eine Meldung per Meldebogen angezeigt.“

Bildungswesen kennt eigene Richtlinien zur Prävention von Radikalisierung

Diese Aussage lässt jedoch bezogen auf den Anlassfall die Schlussfolgerung zu, dass eine sofortige Gefährderansprache in der Schule selbst durch die Polizei nicht angezeigt war. Spätestens, als die herbeigerufenen Beamten die strafrechtliche Relevanz der Darstellungen ausschließen konnten, lag eine „Brisanz“ der Ereignisse nicht mehr auf der Hand.

Grundsätzlich gibt es an Schulen in Deutschland generell und auch in Mecklenburg-Vorpommern Talkreihen und andere Initiativen, die der Prävention von Radikalisierung durch die Schule dienen. Diese sehen jedoch pädagogische Ansätze als primären Zugang vor – auch in konkreten Einzelfällen. Die diskrete Ansprache der Schüler und ihrer Erziehungsberechtigten ist einer davon. Die Einschaltung der staatlichen Ordnungsmacht gilt jedenfalls nicht als vorrangiges Gebot.

Wie der „Nordkurier“ schreibt, strebt die Mutter der 16-Jährigen eine Klage gegen den Polizeieinsatz vor dem Verwaltungsgericht Greifswald an. Landtagsabgeordneter Schult sieht sich durch die Antwort in der ursprünglichen Position seiner Fraktion – neben der auch die CDU-Fraktion Erklärungsbedarf sah – bestätigt:

„Meine Fraktion hatte stets kritisiert, dass der Schulleiter überzogen handelte, als er die Polizei rief, deren Einsatz am Gymnasium dann nicht nur unnötig, sondern sogar unangemessen erfolgte.“

Mutter der Betroffenen von „Schlumpfgate“ strebt gerichtliche Klärung an

Ursprünglich war vonseiten der Schülerin und einer Wochenzeitung, die über den Fall berichtete, die Rede von harmlosen Äußerungen, die zu dem Einsatz geführt hätten. Der Begriff „Schlumpfgate“ war aufgekommen, weil es anfänglich hieß, es wäre lediglich um ein Pro-AfD-Video mit Schlümpfen und um Bekenntnisse zur „Heimat Deutschland“ gegangen. Dies ließ schnell den Eindruck entstehen, der Schulleiter wolle die 16-Jährige wegen ihrer AfD-Sympathien einschüchtern.

Später stellte sich heraus, dass sich auf den Social-Media-Accounts der 16-Jährigen auch eindeutigere Symbolik fand, die den Eindruck einer drohenden Radikalisierung erwecken konnte. SPD-Fraktionschef Julian Barlen nahm den Schulleiter im Landtag in Schutz. Dieser dürfe keine Neutralität praktizieren, wenn verfassungsfeindliche Codes verwendet würden.

Dennoch war, wie die Antwort der Landesregierung nun erkennen lässt, ein Vorgehen aufgrund des „Notfallplans“ nicht erforderlich. Dies betont auch der Abgeordnete Schult und erklärt:

„Es ist an der Zeit, dass Ministerin Oldenburg ihre damalige Fehleinschätzung offen eingesteht und sich bei der Mutter und der Schülerin für den Polizeieinsatz entschuldigt.“



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