Lambsdorff: Kanzler Scholz kann nun auf keinen Fall nach Kiew fahren
Nach der Ablehnung des Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine sollte nach Auffassung der Linken Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf eine Reise nach Kiew vorerst verzichten. „Bundeskanzler Scholz darf diesen Affront nicht durch einen Besuch faktisch akzeptieren und sollte die Reise nach Kiew aufschieben“, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe).
Es gebe einiges, was an Bundespräsident Steinmeier zu kritisieren sei, „das Staatsoberhaupt Deutschlands allerdings so zu brüskieren und gleichzeitig täglich neue Forderungen zu stellen, halte ich jedoch auch angesichts des brutalen Krieges Putins für einen Fehler“, so Bartsch.
Lambsdorff: „Diplomatisches `Trainwreck`“
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete die ukrainische Absage des geplanten Besuchs von Steinmeier unterdessen als „Fehlentscheidung“ und „diplomatisches `Trainwreck`“. Kanzler Scholz könne nun auf keinen Fall nach Kiew fahren, ohne dabei den Bundespräsidenten zu beschädigen, sagte er dem Fernsehsender „Welt“.
Man habe in Kiew den Mann haben wollen, der entscheiden könnte, welche Waffen geliefert werden – das sei Olaf Scholz, nicht Frank-Walter Steinmeier. „Trotzdem hätte man Steinmeier empfangen müssen. Das war der Fehler.“ Und was jetzt in den nächsten Monaten passiere, entscheide sich in erster Linie auf dem Schlachtfeld.
„Diplomatisch ist vollkommen klar: Im Moment kann der Bundeskanzler nicht fahren, das wäre ein Affront eines Verfassungsorgans der Bundesrepublik Deutschland gegen ein anderes, und das tut man einfach nicht.“ Das undiplomatische Vorgehen sei vermutlich der Anspannung der Kriegszeit geschuldet, so Lambsdorff. Mitten im Krieg könne man eben nicht „alles im Feinen austarieren“. Das merke man ja auch an dieser „Fehlentscheidung“.
Aber der diplomatische Schaden sei dennoch da. Grundsätzlich könne er die ukrainische Abneigung gegenüber Steinmeiers pro-russischer Politik aus seiner Zeit als Außenminister verstehen, aber nun gelte es, „Brücken zu bauen“, so Lambsdorff.
Sorge um weitere Zusammenarbeit mit Kiew
Auch SPD-Außenpolitiker Michael Roth bezeichnete die Entscheidung am Mittwoch als „nicht angemessen“. Es gehe „ja nicht um die Person Frank-Walter Steinmeier, es geht um unseren Bundespräsidenten“, sagte Roth dem Sender rbb. Deutschland sei „einer der engsten Verbündeten der Ukraine“ und „deswegen halte ich das für nicht angemessen“. Er hoffe, dass es „keine weiteren Abkühlungen“ gebe, sagte der Vorsitzende des Außenausschusses des Bundestags. Politik und Bevölkerung stünden hinter der Ukraine.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bezeichnete die Entscheidung der ukrainischen Regierung als „bedauerlich“. Sie werde den deutsch-ukrainischen Beziehungen „nicht gerecht“, erklärte er. „Gleichwohl werden wir darauf achten, dass dieser Vorgang unsere Zusammenarbeit nicht gefährden wird.“ Zugleich forderte der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, „dass sich ukrainische Repräsentanten an ein Mindestmaß diplomatischer Gepflogenheiten halten und sich nicht ungebührlich in die Innenpolitik unseres Landes einmischen“.
Unions-Außenpolitikexperte Jürgen Hardt (CDU) forderte ein sofortiges Telefonat zwischen dem Bundeskanzler und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch am Mittwoch. Scholz solle mit Selenskyj „die Dinge besprechen, auch alle Beschwernisse auf beiden Seiten auf den Tisch legen“, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im ARD-„Morgenmagazin“. (dts/afp/red)
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