Kugelbomben in Berlin auf Vormarsch: Menschen zum Teil schwer verletzt, fast 40 Wohnungen unbewohnbar
Mindestens 15 Verletzte, darunter zwei Polizisten, zahlreiche beschädigte Wohnhäuser und demolierte Autos – so lautet die Bilanz der Berliner Polizei nach der Explosion von Kugelbomben in der Silvesternacht. Laut dem „Tagesspiegel“ detonierten die Sprengkörper in den Stadtteilen Schöneberg, Neukölln, Prenzlauer Berg und Tegel. Im erstgenannten gingen Fensterscheiben zu Bruch, durch die Explosionserschütterung entstanden Risse in Wohnhäusern. Insgesamt sollen in Berlin etwa 36 Wohnungen durch Kugelbomben unbewohnbar geworden sein.
Polizeigewerkschaft: Feuerwerk gehört in die Hände von Fachleuten
In Tegel gab es mindestens neun Verletzte, darunter ein Kind, laut Stellungnahme der Polizei nach der Explosion einer Kugelbombe. Im Stadtteil Prenzlauer Berg erlitt ein Polizist schwere Verletzungen, nachdem ihn eine Kugelbombe am Bein getroffen hatte. Laut „Tagesspiegel“ wurde er in ein Krankenhaus gebracht und notoperiert. Bei demselben Einsatz erlitt eine Polizistin Verletzungen durch Splitter, die sie in der Hand trafen.
Das alles spielte sich an der Kreuzung Prenzlauer Berg/Danziger Straße ab. Randalierer griffen die Einsatzkräfte auch an, schreibt die Zeitung weiter. Angesichts der Vorkommnisse sprach Polizeisprecher Florian Nath von einem „der Tiefpunkte des heutigen Abends“.
Zwar bilanzierten Kliniken eine eher „unterdurchschnittlichen Zahl“ an Verletzungen, doch seien diese dafür wesentlich massiver als in der Vergangenheit. Angesichts der Bilanz in vielen Stadtteilen der Bundeshauptstadt fordert der Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, ein Verbot für Knallkörper.
„Es werden immer mehr, die Raketen, Böller und Batterien für Angriffe nutzen, die Zahl der Kugelbomben steigt“, sagte er. „Wir kämpfen als GdP für ein Pyrotechnikverbot für den Privatgebrauch. Denn Feuerwerk gehört in die Hände von Fachleuten.“
Stimmen, die ein Verbot fordern, gibt es auch aus der Politik. Konsequenzen verlangt etwa Burkard Dregger (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. „Der Import verbotener Feuerwerkskörper – Kugelbomben – aus dem östlichen Ausland muss durch noch schärfere Grenzkontrollen unterbunden werden“, teilte er „rbb24“ mit. Kugelbomben würden – weil hierzulande frei nicht verkäuflich – aus Tschechien oder Polen illegal nach Deutschland geschmuggelt. Daher müsse man mit den beiden Ländern über Lösungen reden.
Berlins Regierender Bürgermeister Wegner gegen generelles Böllerverbot
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) lehnt ein generelles Böllerverbot, wie es alljährlich diskutiert werde, ab. Die meisten Berliner Bürger hätten den Jahreswechsel friedlich gefeiert. „Warum sollten wir ihnen und ihren Familien eine fröhliche Silvesternacht mit traditionellem Feuerwerk versagen?“, zitiert ihn die „Deutsche Presse-Agentur“.
Allerdings fordert er eine Verschärfung des Waffenrechts. Das habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser „schon vor langer Zeit angekündigt, doch bis heute hat sie es nicht umgesetzt.“ So müssten Eigentümer von Schreckschuss, Signal- oder Reizgaswaffen nach Ansicht des Stadtoberhaupts künftig mit einem kleinen Waffenschein sowie einem Sachkundenachweis ausgestattet sein.
Grenzkontrollen müssten außerdem verschärft werden, meint Wegner, und sieht da ebenfalls die Bundesregierung sowie die Bundespolizei in der Pflicht.
Innensenatorin Iris Spranger plant, das Waffenrecht anzupassen. „Ich plädiere auch bei den anderen Innenministern immer dafür […], dass wir das Waffenrecht so verändern, dass wir die Möglichkeit haben, Ausnahmeregelungen für die Länder hinzubekommen, dass wir selber entscheiden können, wie mit Böllern umzugehen ist“, so die SPD-Politikerin laut rbb.
Die Berliner Grünen wollen gar ein generelles Verkaufsverbot für Böller. „Die Frage ist, wieso wir als Gesellschaft für eine Nacht des Böllerns bereit sind, unzählige Kollateralschäden für Mensch, Tier und Umwelt in Kauf zu nehmen“, begründete der innenpolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus, Vasili Franco, die Haltung seiner Fraktion.
Von einer „katastrophalen Bilanz“ spricht die Deutsche Umwelthilfe und forderte ebenfalls ein Verkaufsverbot für Pyrotechnik, schreibt der „Deutschlandfunk“ auf seiner Internetseite.
Lobbyverband: Opfer für ein Verbot zu instrumentalisieren, ist pietätlos
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk sieht hingegen ein Versagen von Politik und Behörden als Ursache für die bundesweit fünf Todesfälle in der Silvesternacht. Es sei ihnen nicht gelungen, den Handel mit illegalen Explosivstoffen zu verhindern, heißt es in einer Pressemitteilung, die der Verband auf seiner Internetseite veröffentlichte.
„Wer gefährliche Basteleien und den rechtswidrigen Umgang mit gefährlichen Explosivstoffen mit sicherem Kleinfeuerwerk in Verbindung bringt, verwechselt Äpfel mit Birnen. Betroffene von Unfällen durch gefährliche Explosivstoffe für ein Verbot von legalem und sicherem Feuerwerk zu instrumentalisieren, ist bestenfalls pietätlos”, so Vorstandsmitglied Ingo Schubert. Es sei ein Skandal, wie einfach gefährliche Produkte über das Internet zu bekommen seien.
Zwar habe die Politik auf diese Entwicklung jüngst mit drastischen Strafrechtsverschärfungen reagiert. Doch sei gleichzeitig aus den Bundesländern zu hören, dass die Ressourcen etwa bei den Landeskriminalämtern nicht ausreichten, um den illegalen Handel angemessen zu verfolgen.
Daher sei die Silvesternacht mit Toten und Verletzen „ein politischer Skandal. Was wir erlebt haben, ist das traurige Ergebnis des mangelnden Engagements der Politik gegen den illegalen Handel mit gefährlichen Explosivstoffen. Wer nun Einschränkungen von legalem und sicherem Kleinfeuerwerk fordert, wirft politische Nebelkerzen. Statt symbolpolitischer Gesetzgebungskosmetik muss das Problem mit gut ausgestatteten Behörden angegangen werden”, so Schubert.
Bisher größte Kugelbombe kam aus Japan
Obwohl sie ihrem Namen nach eher auf eine Kriegswaffe schließen lassen, gehören Kugelbomben – so sie denn legal produziert und verkauft werden – zu den Feuerwerkskörpern. Unter anderem bieten sie Plattformen im Internet an – allerdings exklusiv für Händler und Gewerbe. Der freie Verkauf ist in Deutschland verboten. Dabei tragen die Kugelbomben so blumige Namen wie „La Perla“ oder „Engelshaar“. Sie kommen oft bei professionellen Feuerwerken zum Einsatz, erläutert eine Website für Feuerwerkskörper.
Kugelbomben, so erläutert die Website weiter, gibt es in den verschiedenen Größen – von wenigen Zentimetern bis zu mehr als einem Meter. Fachkundig abgeschossen wird die Kugelbombe mithilfe von Schwarzpulver aus einem Abschussrohr (Mörser). Beim Abschuss wird ein Verzögerungszünder aktiviert, der die Bombe beim Erreichen des höchsten Punktes entzündet. Der Feuerwerkskörper wird auseinandergerissen und legt die Effekte frei.
Demnach werden die aus Pappe oder Plastik bestehenden Halbschalen mit Effekten und sogenannter Zerlegerladung gefüllt. Zu den Effekten zählen unter anderem Sterne, Schwärmer oder kleinere Kugelbomben (Flowers). Als Spezialisten gelten für diese Art der Feuerwerkskörper die Japaner. So wurde in Nagaoka zum Jahreswechsel 2023/2024 die bisher größte Kugelbombe gezündet. Die „Yonshakudama“ maß im Durchmesser 1,20 Meter, wog 420 Kilogramm und war mit einem 80 Kilogramm schweren, hochexplosiven Schwarzpulvergemisch gefüllt. Sie durfte erst in einer Höhe von 850 Metern detonieren.
Polizei: 2.168 Einsätze in der Silvesternacht
Insgesamt hatte die Berliner Polizei in der Silvesternacht (zwischen 18 Uhr und 6 Uhr) 2.168 Einsätze registriert. Im Vorjahr waren es 2.214, heißt es in einer Bilanz der Ordnungshüter. Es waren rund 3.000 zusätzliche Polizisten im Einsatz, darunter etwa 720 Bundespolizisten und Polizisten aus verschiedenen Bundesländern. 37 Polizisten (Vorjahr: 54) erlitten Verletzungen, 14 davon durch Feuerwerkskörper.
400 Personen wurden festgenommen. Verstöße gegen das Waffen- oder Sprengstoffgesetz, tätlicher Angriff oder Widerstand gegen Beamte, Brandstiftung und Körperverletzung waren die Grundlage für rund 670 Ermittlungsverfahren, die die Polizei einleitete.
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