Kubicki warnt vor „dramatischem Irrtum“ – Trittin kritisiert KKWs als „nutzlos und zu teuer“

Am Wochenende sollen Deutschlands letzte Kernkraftwerke dauerhaft ihren Betrieb einstellen. FDP und Wirtschaft wollen sie als Versorgungsreserve behalten.
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Wolken über den Kültürmen des Kernkraftwerkes Grohnde in Niedersachsen. Symbolbild.Foto: Peter Steffen/dpa/dpa
Von 12. April 2023

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Spätestens am kommenden Samstag, 15. April, werden die drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen. Ursprünglich war geplant, Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg schon zum Ende des Vorjahres vom Netz zu nehmen. Der Krieg in der Ukraine und die dadurch verschärfte Energiekrise veranlasste die Ampelkoalition, die Betriebsdauer noch über den Winter zu verändern. Nach Meinung der FDP und führender Wirtschaftsverbände reicht dies nicht aus.

Habeck für Weiterbetrieb der Kernkraftwerke – in der Ukraine

Die Liberalen fordern nun, die Kernkraftwerke zumindest noch in Reserve zu halten. Dann könne man in erneuten schwierigen Situationen wieder auf sie zurückgreifen, betont Fraktionschef Christian Dürr. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki warnte vor einem „dramatischen Irrtum“, der in der „Abschaltung der weltweit modernsten und sichersten Atomkraftwerke“ liege. Dieser werde „für uns noch schmerzhafte ökonomische und ökologische Konsequenzen haben“.

Bereits in den vergangenen Tagen hatte der bevorstehende endgültige Ausstieg aus der Kernkraft auch in sozialen Medien für reichlich Unverständnis gesorgt. Anlass dafür war eine Aussage des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck über Kernkraftwerke in der Ukraine. Im Zusammenhang mit seinem Besuch in dem kriegsgeschüttelten Land hatte dieser erklärt:

Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar – und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.“

Wirtschaft befürchtet noch höhere Strompreise

Für nicht erforderlich hält auch der Geschäftsführer des TÜV-Verbandes, Joachim Bühler, das endgültige Ende des Betriebs der drei verbliebenen Kernkraftwerke. Aus seiner Sicht hätten die Meiler noch „bis Ende des Jahrzehnts sicher weiterlaufen können“.

Wie Bühler gegenüber der „Bild“ erklärt, seien die seit 1988 und 1989 laufenden KKW für eine Betriebsdauer von mindestens 40 Jahren ausgelegt. Sie könnten bei entsprechender Wartung und regelmäßiger Sicherheitsüberprüfung noch über einige Jahre weiter in Betrieb bleiben.

Der Vorsitzende des Mittelstandsverbandes BVMW, Markus Jerger, befürchtet weitere negative Folgen für die deutsche Wirtschaft durch den Ausstieg. Deutschland habe bereits jetzt weltweit die höchsten Energiepreise, betonte er gegenüber den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. Die hohen Strompreise hätten bereits mehrere mittelständische Unternehmen in den Ruin getrieben. Manche Branchen „gehen deshalb auf den Knien“.

Der Atomstrom sei „bisher relativ günstig und insbesondere der versorgungssicherste“ gewesen. Es gelte jetzt, „die Versorgungssicherheit und vor allem Bezahlbarkeit von Strom im Auge zu behalten“. Auch die Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, Astrid Hamker, warnte gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) vor Abwanderung und Arbeitsplatzverlusten infolge hoher Strompreise.

 

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Trittin: „Laufzeitverlängerung wäre gar nicht erforderlich gewesen“

Die Grünen sperren sich demgegenüber kategorisch gegen jede weitere künftige Versorgungsoption, die Kernkraftwerke beinhalten könnte. Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin äußerte gegenüber dem „Tagesspiegel“, Atomkraft sei nur noch „eine Nischentechnologie“.

Atomstrom sei mittlerweile „vier- bis fünffach so teuer wie Strom aus Solar- und Windkraftanlagen“. Weltweit trage die Kernkraft nur zu fünf Prozent zur Stromversorgung bei. Außerdem stehe die Rechtslage in Deutschland einem Weiterbetrieb entgegen.

Trittin spricht auch mit Blick auf den vergangenen Winter von „simulierter Versorgungssicherheit“. Aus seiner Sicht sei bereits die Laufzeitverlängerung nicht erforderlich gewesen. Die übrigen Quellen hätten für eine stabile Versorgung ausgereicht:

An den meisten Tagen haben wir mehr Strom produziert als benötigt, wir haben Strom exportiert, Windparks zugunsten der Atomkraft abgeschaltet und den Betreibern dafür Geld bezahlt.“

Atomausstieg der Schröder-Ära von Energiepartnerschaft mit Russland flankiert

Im Übrigen, so Trittin, sei der Ausstiegsbeschluss 2001 im Konsens mit der Energiewirtschaft zustande gekommen. Dieser solle den Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglichen. Das novellierte Atomgesetz vom 22. April 2022 sah eine Restlaufzeit bestehender Kernkraftwerke von maximal 32 Jahren vor, Bis etwa 2021 sollte die Abschaltung der damals noch 19 laufenden KKWs vollzogen sein.

Was Trittin nicht erwähnt: Die Energiepolitik der Regierung Gerhard Schröder, der er damals angehörte, flankierte ihren Atomausstiegsbeschluss mit einer intensiven Energiepartnerschaft mit Russland. Diese erlebte im Zuge der von der Ampelkoalition verkündeten „Zeitenwende“ in Anbetracht des Ukrainekrieges jedoch einen Bruch.

Im September 2010 hatte die Regierung unter Angela Merkel eine Laufzeitverlängerung der noch vorhandenen deutschen Kernkraftwerke um acht beziehungsweise 14 Jahre beschlossen. Die Tsunami-Katastrophe von Japan und dadurch bewirkte Schäden am AKW in Fukushima hatten eine intensive Medienkampagne gegen die Kernkraft in Deutschland zur Folge. Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete unter deren Eindruck im März 2011 eine 180-Grad-Wende in der Energiepolitik.

Erzeugung von Ökostrom günstiger – Output der Kernkraftwerke jedoch stabiler

Tatsächlich sind die Erzeugungskosten für erneuerbare Energien einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zufolge deutlich geringer als für Strom aus Kernkraft. Im Jahr 2024 sollen diese bereits unter zehn Cent pro Kilowattstunde liegen. Im Jahr 2030 könnte die Stromerzeugung aus einem PV-Batteriesystem schon günstiger als aus einem Gas- und Dampfkraftwerk sein.

Allerdings haben Kernkraftwerke eine hohe Outputleistung und können eine kontinuierliche Stromversorgung gewährleisten. Im Gegensatz dazu können erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraftwerke schwankende Outputleistungen haben. Sie sind von den natürlichen Bedingungen abhängig. Auch Wasserkraftwerke können nur unter der Bedingung eine konstante Leistung erbringen, dass genügend Wasser verfügbar ist.

Ein zu hoher Anteil an erneuerbaren Energien im Stromnetz kann auch zu Stabilitätsproblemen führen, wenn die Netzinfrastruktur nicht ausreichend angepasst wird. Deren Ausbau bleibt in Deutschland nach wie vor hinter den politischen Erwartungen zurück.

(Mit Material der dpa)



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