Kritik an Windrädern: „Man steht im Wald und fühlt, dass es falsch ist“
Seit gut zehn Jahren kämpfen Naturschützer und Bevölkerung um den Erhalt von Hessens größtem zusammenhängenden Wald. Doch ging der Kampf gegen Behörden, Politik und Investoren vorerst verloren. Das Regierungspräsidium in Kassel hat am 2. Februar grünes Licht für den Bau von Hessens bislang größter Windkraftanlage im geschichtsträchtigen, rund 200 Quadratkilometer großen Reinhardswald gegeben. Bauträger des 142 Millionen teuren Projektes ist die EAM Natur GmbH.
Eine ganze Region ist entsetzt über diese Entscheidung. Am 6. Februar demonstrierten in Trendelburg trotz Sturm und Regen 700 Menschen, am Tag darauf reichte die Naturschutzinitiative Klage ein und stellte einen Eilantrag, um bereits laufende Rodungen zu stoppen. Trendelburg sieht sich auch der Kritik der Naturschützer ausgesetzt. So würden dort die rechtlichen Grundlagen für ein Bürgerbegehren seit rund einem Jahr geprüft. Es sei auf Zeit gespielt worden, um das Genehmigungsverfahren nicht zu behindern, sagt eine Sprecherin des „Aktionsbündnisses Märchenland“. Ihm gehören verschiedene Initiativen an, die versuchen, den Wald, der schon bei den Brüdern Grimm Erwähnung fand, vor der Zerstörung zu retten.
Sofort rollten Baufahrzeuge an
Die Genehmigung des Regierungspräsidiums sieht auch eine Erlaubnis zu sofortigen vorbereitenden Maßnahmen vor. Bereits wenige Stunden nach der Entscheidung der Kasseler Behörde rollten die ersten Baufahrzeuge an.
Die Genehmigung umfasst den Bau von 18 Windkraftanlagen von bis zu 241 Meter Höhe, teilt das Regierungspräsidium mit. Der Rotordurchmesser beträgt 150 Meter. Die Anlagen werden in den Gemarkungen der Oberförstereien Karlshafen und Gottsbüren errichtet.
Zwei Jahre Bauzeit sind vorgesehen, dann sollen die Windkraftanlagen rund 300.000 Megawattstunden Energie im Jahr produzieren, beruft sich das Regierungspräsidium auf Aussagen der EAM Natur GmbH. Der Baugenehmigung sei ein „hochkomplexes Verfahren“ vorausgegangen, an dem mehr als 30 Behörden beteiligt gewesen seien. Im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung hat es laut Regierungspräsidium 690 Einwendungen gegen das Vorhaben gegeben.
Der Windpark soll nach Angaben des Betreibers im nördlichen Reinhardswald errichtet werden. Dabei solle ein ausreichender Abstand zu den „touristisch wertvollen Bereichen um den Urwald oder den Tierpark Sababurg“ eingehalten werden, teilte das Unternehmen dem „Hessischen Rundfunk“ mit. Für die Windräder müssten laut der Energiegenossenschaft Reinhardswald mit rund 250 Buchen und mehreren Fichten eine „äußerst geringe“ Anzahl an Bäumen gefällt werden. Durch Stürme, Dürresommer und den Borkenkäfer sei bereits ein Großteil der benötigten Fläche frei von Bäumen.
Bau in Trinkwasserschutzgebieten
Aus Sicht der Naturschützer ist das zu oberflächlich gedacht. Um die nun genehmigten Anlagen zu errichten, müssten 14 Kilometer Straße gebaut werden, einige Hundert Schwerlasttransporte sind nötig, um das Material an seinen Bestimmungsort zu bringen. „Drei Fahrten pro Nacht sind genehmigt, das stört die im Wald lebenden Tiere enorm“, sagt die Sprecherin.
Zudem bedeute die Maßnahme auch einen massiven Eingriff in den Trinkwasserhaushalt, 50.000 Menschen würden in der Region mit Wasser aus dem Wald versorgt, denn 14 der 18 Anlagen würden in Trinkwasserschutzgebieten errichtet.
Alternativlos für hessische Umweltministerin
Mit dem im Januar 2021 veröffentlichten „Runderlass Naturschutz/Windenergie“ der hessischen Landesregierung, der für die Genehmigungsbehörden verpflichtend ist, sei diese Aussage in einem neuen Licht erschienen. „Es wurde klar: Nirgends in Hessen soll mehr die Frage sein, ob, sondern wie die bereits ausgewiesenen Flächen – davon liegen über 80 Prozent in hessischen Wäldern – bebaut werden können.“ Die Genehmigungsbehörden hätten zu genehmigen – und sei es mit weitreichenden Auflagen.
Auch sei die Errichtung des Windparks eine lukrative Einnahmequelle für das Forstamt. Pro Windrad werde jährlich ein hoher, fünfstelliger Betrag an Pacht gezahlt. Auf lange Sicht ein Millionengeschäft, soviel Geld sei mit dem Verkauf von Holz nicht zu verdienen.
„Aus unserer Sicht schadet das Vorhaben der Energiewende als Ganzes“, betont die Sprecherin. Mit Aktionen wie diesen gehe das Vertrauen verloren. „Man steht im Wald und fühlt, dass es falsch ist“, beschreibt sie. Die Umweltschützer hoffen nun, dass ein Gericht die Pläne zu Fall bringt und der Reinhardswald gerettet wird.
Für die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) ist der Windpark alternativlos. Daher habe sie die Weichen für das Projekt gestellt: „Die Windenergie leistet für die Energiewende und damit für den Erhalt der Natur einen entscheidenden Beitrag“, zitiert die „Bild“-Zeitung die Politikerin. „Ohne diese konsequente und engagierte Klimapolitik wird es bald gar keinen Wald mehr geben“, behauptet sie.
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