Juso-Chef droht mit Absage an Koalition – Merz: schwierige Tage bis zur Regierungsbildung

Juso-Chef Türmer will Koalition mit SPD aktuell nicht zustimmen. Insbesondere bei der Migration müsse nachgebessert werden. Union und SPD starten ab Donnerstag mit den Koalitionsverhandlungen, wobei die Infrastrukturreform im Zentrum steht.
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Friedrich Merz und Lars Klingbeil, sprechen am 08. März 2025 in Berlin zu den Medien.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times11. März 2025

Angesichts der umstrittenen Ergebnisse der Sondierungen zwischen SPD und Union hat der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer mit Ablehnung des Koalitionsvertrages gedroht, sollte seine Partei in den Verhandlungen keine substanziellen Verbesserungen erreichen.

In den Bereichen Arbeit, Soziales und Migration seien Punkte enthalten, „die ich aus tiefster Überzeugung ablehnen muss“, sagte Türmer am Dienstag dem „Stern“. „Ich könnte einem Koalitionsvertrag mit diesem Inhalt so nicht zustimmen.“

Insgesamt müsse das ganze Paket besser werden, sagte der Juso-Chef mit Verweis auf das Sondierungspapier. Sonst werde es mit der Unterstützung der Jusos „sehr schwierig“.

Kritik an Abschiebungen

Von den Sondierungsergebnissen im Bereich Asyl und Migration sei er „schlichtweg erschüttert“, sagte Türmer. „Massive Abschiebungen unter anderem nach Syrien, wo nach aktuellen Berichten gerade 300 alawitische Zivilisten ermordet wurden, das verletzt ganz klar menschenrechtliche Mindeststandards.“

Die Union hatte im Wahlkampf eine Verschärfung der Migrationspolitik und eine Verringerung der Zuzugszahlen in Aussicht gestellt. In ihrem am Samstag veröffentlichten Sondierungspapier, das die Grundlage für Koalitionsverhandlungen bilden soll, hatten Union und SPD unter anderem vereinbart, dass eine „Begrenzung“ der Einwanderung als Ziel ins Aufenthaltsgesetz geschrieben werden soll.

Allerdings ist zwischen den Verhandlern ein Streit über die Auslegung der gemeinsamen Sondierungsvereinbarungen zur Migrationspolitik entbrannt – vor allem bei der Zurückweisung an den Grenzen.

Der Streit dreht sich um den Passus in dem gemeinsamen Sondierungspapier von Union und SPD, wonach Zurückweisungen künftig „in Abstimmung“ mit den europäischen Nachbarländern vorgenommen werden könnten. Vereinbarungen wie diese kritisierte Türmer als „weder humanitär noch aus europäischer Perspektive akzeptabel“.

Entzug von Staatsbürgerschaft

„Fassungslos“ mache ihn zudem die Überlegung, Doppelstaatlern unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Damit werde „ein verfassungswidriger Weg beschrieben und eine rote Linie überschritten“, sagte der Juso-Chef. „Das ist ein absoluter Dealbreaker, der für uns nicht tragbar sein darf.“

Auch in den Bereichen Arbeit und Soziales werde die SPD-Führung nachbessern müssen, sagte Türmer weiter. „Noch ist es zwar ein Sondierungs- und kein Koalitionspapier, aber viele sozialdemokratische Ideale scheinen meinem Empfinden nach gerade ordentlich zu wackeln.“

Türmer forderte angesichts der Streitfragen harte Verhandlungen ohne Einigungszwang. „In diesem Sondierungspapier stehen viele Punkte, die für eine sozialdemokratische Partei nicht vertretbar sind“, argumentierte er.

Union und SPD verhandeln ab Donnerstag über Koalition

Union und SPD wollen ab Donnerstag über die Bildung einer Koalition beraten und bis Ende kommender Woche zu Ergebnissen kommen.

In 16 Arbeitsgruppen wollen CDU, CSU und SPD binnen zehn Tagen die Grundzüge eines Koalitionsvertrags aushandeln, kündigte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin an. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, und das heißt, wir müssen konzentriert weiterarbeiten“, sagte er.

Am Vormittag hatten sich die CDU-Gremien nach Linnemanns Worten einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD ausgesprochen. SPD und CSU hatten bereits am Wochenende grünes Licht für die Verhandlungen gegeben. CDU-Chef Friedrich Merz hatte nach der Bundestagswahl das Ziel ausgegeben, die Regierungsbildung bis Ostern abgeschlossen zu haben.

Strukturreform und Einsparungen

Bei den Koalitionsverhandlungen soll es nach Linnemanns Worten nicht nur um die bereits vereinbarten kreditfinanzierten Finanzpakete gehen, sondern auch um Strukturreformen und um die Konsolidierung des Haushalts.

Vorstand und Präsidium der CDU hätten den Anspruch formuliert, dass das geplante 500 Milliarden Euro schwere Infrastrukturpaket „mit massiven Strukturreformen einhergehen muss“, sagte der Generalsekretär. Deutschland brauche eine große Verwaltungsreform, eine „Staatsmodernisierung“ und einen „Bürokratierückbau“ – „das alles muss kommen“, forderte Linnemann.

„Ferner brauchen wir eine Haushaltskonsolidierung“, sagte Linnemann. „Alle Sondierer sind sich dessen bewusst, dass das alles gegenfinanziert werden muss und entsprechend auch gespart werden muss“, sagte er. Im Bereich Einsparungen werde „über zweistellige Milliardenbeträge“ gesprochen. Die Koalitionsverhandlungen sollen auf den Grundsatzeinigungen aufbauen, auf die sich Union und SPD am Samstag in ihren Sondierungsgesprächen verständigt hatten.

Linnemann räumte ein, dass er das geplante schuldenfinanzierte Infrastrukturpaket „grundsätzlich für schwierig“ halte. Er trage aber den mit der SPD gefundenen Kompromiss mit.

In den Reihen der Union hatte es in den Tagen zuvor deutliche Kritik an den Plänen gegeben, welche die Staatsverschuldung massiv ansteigen lassen würden.

Unionsfraktionschef Merz schwor seine Bundestagsfraktion auf schwierige Tage bis zur Regierungsbildung ein. In der anstehenden Sitzungswoche werde es sehr viel Kritik an dem „geben, was wir vorlegen werden im Bundestag“, sagte Merz laut Teilnehmern in einer Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU.

Erste Ergebnisse nach zehn Tagen erwartet

Für erste konkrete Ergebnisse der Koalitionsgespräche seien zehn Tage Verhandlungen angesetzt, sagte Linnemann. Die CDU sei mit der SPD und der CSU „im Einvernehmen, dass wir hier Dampf machen müssen“. Danach werde es „natürlich noch weitere Runden“ geben.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil betonte am Montag die Notwendigkeit rascher Entscheidungen. „Wir haben einen gewaltigen Investitionsrückstau, bei Ländern und Kommunen kann man das besonders sehen“, sagte er in Berlin.

Die 16 geplanten Arbeitsgruppen sollen laut Linnemann von einer sogenannten Steuerungsgruppe koordiniert werden, die bereits die Sondierungsgespräche geführt hatte. Ziel sei ein Koalitionsvertrag, der sich „wirklich auf die großen Punkte konzentriert“, sagte Linnemann. Nach Fraktionsangaben sollen jeder Arbeitsgruppe 16 Mitglieder angehören – sieben von der SPD, sechs von der CDU und drei von der CSU.

Der CDU-Generalsekretär titulierte das anvisierte schwarz-rote Bündnis als „Arbeitskoalition“. Eine solche lösungsorientierte Koalition sei nötig, „weil sich alle bewusst sind, welche Verantwortung sie tragen, dass wir Vertrauen zurückgewinnen müssen in die Mitte des Parlamentes und entsprechend wird diese Arbeitskoalition neue Stabilität schaffen“.

(afp/red)



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