Kritik an Lindners Kürzungsplänen: Mütterrente im Fokus der Haushaltsdebatte
Die Haushaltsdebatte über den Bundesetat für das Jahr 2025 ist von der Notwendigkeit gekennzeichnet, einen Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro zu kompensieren. Bisherige Ansätze wie der Versuch, diese durch Darlehen an die Deutsche Bahn oder Autobahngesellschaften zu halbieren, reichen nicht aus. Deshalb möchte Bundesfinanzminister Christian Lindner verstärkt im Sozialbereich einsparen – und hat die sogenannte Mütterrente als potenzielles Ziel genannt.
Wirtschaftweise Grimm stärkt Lindner den Rücken
Im Jahr 2014 hatte die Große Koalition die Einführung dieses rechtlichen Systems zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten beschlossen. Ein Ausbau erfolgte 2019. Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchen begrüßten die Mütterrente als überfällige Form der Würdigung von Erziehungsleistungen.
Kritik gab es hingegen unter anderem von Arbeitgeberverbänden, aus der FDP und auch von Wirtschaftsweisen wie Veronika Grimm. Diese hatte erst jüngst gegenüber der „Funke Mediengruppe“ Einsparungspotenziale im Bereich der Rente ausgemacht. Neben der – mittlerweile fälschlicherweise sogenannten – „Rente mit 63“, die de facto nur noch ab 65 Jahren angetreten werden kann, treffe dies auch die Mütterrente.
Anders als beim Bürgergeld und bei direkt erworbenen Rentenansprüchen sei bei diesen Sonderleistungen ein Ansetzen des Rotstifts einfacher, so Grimm. Sie und andere Kritiker sehen die Mütterrente als versicherungsfremde Leistung, die perspektivisch zur Belastung künftiger Generationen beitrage.
Aufwand für Mütterrente mittlerweile bei knapp 14 Milliarden Euro
Was ist Mütterrente eigentlich? Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, bekommen in Würdigung ihrer Kindererziehung pro Kind zwei Rentenentgeltpunkte gutgeschrieben. Pro Entgeltpunkt werden Begünstigte nun so gestellt, als hätten sie ein Jahr für den Durchschnittsverdienst gearbeitet und Rentenbeiträge bezahlt.
Für später geborene Kinder beträgt die Gutschrift sogar drei Punkte. Die jährliche Mehrbelastung für die Rentenkasse hat mittlerweile zwischen 13 und 14 Milliarden Euro erreicht. Die Finanzierung der sogenannten Mütterrente erfolgte zu Beginn aus Mitteln des Bundeshaushalts. Mittlerweile wird sie durch geringere allgemeine Rentenerhöhungen, Leistungen von Beitragszahlern und zu etwa zwölf Prozent durch den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung finanziert.
Maximal werden für Kinder mit Geburtsjahr vor 1992 bis zu zwei Jahre und sechs Monate an Kindererziehungszeiten gutgeschrieben. Bei jüngeren Kindern sind es bis zu drei Jahre. Eine Obergrenze der Anrechnung liegt bei insgesamt zehn Jahren. Die Bestimmungen über die sogenannte Mütterrente gelten sinngemäß auch für alleinerziehende Väter, die zum Zwecke der Kindererziehung die Vollzeiterwerbstätigkeit vorübergehend ausgesetzt hatten.
DIW: Soziale Folgekosten höher als mögliche Einsparung
Kritik an den Kürzungsplänen kommt jetzt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dieses hat einen Bericht präsentiert, in dem zwar eingeräumt wird, dass ein Ende der Mütterrente ein Einsparungspotenzial in zweistelliger Milliardenhöhe nach sich ziehe. Immerhin belaufe sich der Aufwand für die Leistung auf drei Prozent der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).
Das mache die Mütterrente zu einer der teuersten Rentenreformen der jüngeren Jahre. Allerdings gibt das Institut gleichzeitig zu bedenken, dass die sozialen Folgekosten einer Abschaffung möglicherweise noch höher wären.
Im Jahr 2022 hätten rund neun Millionen Menschen in Deutschland von der Mütterrente profitiert. Vor allem ärmere Mütter und in eigenen Fällen Väter hätten einen zählbaren Nutzen von der Vergünstigung. Im Schnitt würden Bezieherinnen, die vor 1992 Kinder bekommen hätten, ohne die Mütterrente 107 Euro weniger in der Tasche haben.
Bei reicheren Personen wäre dies etwa ein Prozent des monatlichen Einkommens, bei ärmeren hingegen bis zu 20 Prozent. Die Armutsrisikoquote von Rentnerinnen würde den Berechnungen des DIW zufolge von 19,4 auf 22,3 Prozent steigen.
Studie: Statt Aus für Mütterrente Erwerbstätigkeit von Frauen steigern
Studienautorin Annica Gehlen hält eine mögliche Kürzung für „rechtlich fragwürdig“. Gravierend wären jedoch auch die finanziellen Folgen. Zudem ergebe sich ein mögliches Gerechtigkeitsproblem. Die Mütterrente mildere „einige Ungleichheiten ab, die vor allem aufgrund von Kindererziehung während der Erwerbsphase entstanden sind“.
Vor allem in Westdeutschland sei eine Unterbrechung der Erwerbsbiografie durch Mütter während der Kindererziehung häufiger aufgetreten. Rentenrechtlich hat dies Nachteile zur Folge – zumal auch Ansprüche auf Witwenrente im Zuge der Rentenreformen Anfang der 2000er-Jahre eine Kürzung erfahren hatten.
Das DIW rate demgegenüber dazu, „Ungleichheit und Altersarmutsrisiken schon während der Erwerbsphase anzugehen“. Es würden zum einen sich Reformen empfehlen, die zum einen die Erziehungs- oder Pflegearbeit in der Ehe partnerschaftlicher aufteilen. Zum anderen bedürfe es effizienter Schritte im Steuersystem, um die Frauenerwerbstätigkeit zu steigern.
Ein Aus für die Mütterrente wäre aus Sicht des DIW jedenfalls ein unverhältnismäßiger Schritt, um die verbleibende Haushaltslücke zu füllen. Diese belaufe sich laut Minister Lindner noch auf fünf Milliarden Euro.
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