„Kriegsbeteiligung“? Deutscher in Polen nach Äußerungen zu Ukraine-Krieg vor Gericht

Ein Novum in der polnischen Justiz. So beschreibt der deutsch-polnische Anwalt Markus Matuschczyk den Fall seines Mandanten: Ein in Polen lebender Deutscher wurde dort wegen des „Beginnens und Führens eines Angriffskrieges“ angeklagt. Davor hatte sich der Menschenrechtler kritisch zum Ukraine-Krieg geäußert. Udo Leibmann droht nun eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren bis lebenslänglich.
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Der Menschenrechtsverteidiger Udo Leibmann kommt aus dem Landgericht in Breslau, Polen.Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Udo Leibmann
Von 25. Juli 2024

Der in Niederschlesien nahe Breslau lebende deutsche Menschenrechtler Udo Leibmann (48) ist seit 2020 in Polen für eine Menschenrechtsorganisation aktiv.

Jetzt steht er wegen des Vorwurfs des „Beginnens und Führens“ eines Angriffskrieges vor dem polnischen Landgericht in Breslau. Die dortige Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, sich öffentlich kritisch zum Ukraine-Krieg und der polnischen Außenpolitik geäußert zu haben. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren bis lebenslänglich.

In Polen sei er durch seine Menschenrechtsarbeit recht bekannt geworden und habe teils schwere Vorwürfe gegen staatliche Institutionen erhoben, so Leibmann gegenüber der Epoch Times.

Er habe polnischen Bürgern geholfen, die seiner Meinung nach Opfer von politisch motivierten Menschenrechtsverletzungen – vorwiegend im Kontext von Corona-Maßnahmen – geworden seien. Auch setze er sich für politisch Verfolgte bei Rechtsstreitigkeiten oder für Bankbetrugsopfer ein und engagiere sich gegen Kinderhandel. Er ist Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation „United for Freedom“.

Leibmann, der in Polen das Pseudonym Udo Bawarczyk verwendet, arbeitete auch zeitweise als freier Journalist bei einem kleinen alternativen Fernsehsender.

„Das heißt, ich war also schon jemand, den man in Polen kannte und dessen Meinung ein bisschen Gewicht hatte“, so Leibmann, der auch Polnisch spricht.

Breslauer Staatsanwaltschaft klagt Leibmann an

Die Staatsanwaltschaft in Breslau klagte ihn im Dezember 2023 aufgrund von 31 Aussagen zum Ukraine-Konflikt an. Diese soll Leibmann auf seinem Facebook-Profil unter dem Namen „Udo Bawarczyk“ zwischen dem 24. Februar und dem 24. April 2022 veröffentlicht haben.

In den Augen der Staatsanwaltschaft habe er damit unter „Vorsatz“ „öffentlich die Einleitung und Führung eines Angriffskrieges gelobt“ und so gegen Artikel 12 Paragraf 1 und Artikel 117 Paragraf 1 polnischer Strafkodex verstoßen.

Leibmann hingegen sieht eine politische Kampagne gegen sich, um eine kritische Stimme zum Schweigen zu bringen. Außerdem seien die Aussagen teilweise entfremdet oder stammen von anderen Personen, die er nur wiedergab.

Verteidiger: Fall ist Novum in der polnischen Justiz

Für Leibmanns Verteidiger, den deutsch-polnischen Rechtsanwalt Markus Matuschczyk aus Hannover, sei der Fall ein Novum und ihm sei kein Präzedenzfall bekannt.

„Denn im Kern ist es ein Meinungsäußerungsdelikt, um das es geht“, so Matuschczyk gegenüber der Epoch Times.

Er erklärt: Polen galt bislang als recht liberal, was die Meinungsäußerung anging, sogar noch liberaler, als es Deutschland sei.

„In Polen gibt es eine verfassungsrechtlich garantierte Meinungsäußerungsfreiheit und die wird normalerweise sehr breit ausgelegt. Dass die Aussagen meines Mandanten hier in dieser Art und Weise angeklagt sind, ist für mich erstaunlich und auch nicht nachvollziehbar“, so der Jurist.

Die Anklageschrift sei teilweise auch unklar formuliert, bemängelt er. Laut Überschrift gehe es um eine Meinungsäußerung in Form einer Billigung oder eines Gutheißens eines rechtswidrigen Angriffskrieges. In der Begründung hingegen werde Leibmann tatsächlich angeklagt, sich an diesem Angriff zu beteiligen.

„Klassischerweise würde ich unter ‚Beteiligung‘ verstehen, dass jemand tatsächlich mit einer Waffe in der Hand sich an einem Angriffskrieg beteiligt. Ich glaube, das war auch der Wille des Gesetzgebers, dass er im Tatbestand der Beteiligung an einem Krieg keine Äußerungsdelikte sehen wollte“, so Matuschczyk.

Vom Strafrahmen sei das auch ein großer Unterschied. Das Strafmaß für Billigung eines Krieges reiche von drei Monaten bis fünf Jahren (Artikel 117 Paragraf 3), erklärt der Jurist. Wer einen Angriffskrieg plane oder sich daran beteilige, müsse hingegen mit einer Strafe von zwölf Jahren bis zu lebenslänglich rechnen (Artikel 117 Paragraf 1). „Das ist das härteste, was an Bestrafungspotenzial in Polen möglich ist, was hier von der Staatsanwaltschaft aufgeboten wird“, zeigt sich der Anwalt verwundert.

An der Front in Donezk gegen die Kämpfe zwischen dem ukrainischen und russischen Militär weiter.

An der Front in Donezk gehen die Kämpfe zwischen dem ukrainischen und russischen Militär weiter. Foto: Evgeniy Maloletka/AP

Kriegsbeteiligung durch Meinungsäußerung?

Dabei sei es wichtig, sich die Definition eines Angriffskrieges genau anzuschauen, so der Anwalt. Wenn sein Mandant verneine, dass ein Angriffskrieg durch Russland im Fall des Ukraine-Krieges vorliege, könne man dann schon von einer Billigung dieses Krieges oder gar einer Beteiligung an ihm sprechen?, fragt sich Matuschczyk im Gespräch mit Epoch Times.

Für den Anwalt ist grundsätzlich fraglich, ob man sich durch Meinungsäußerungen an einem Krieg beteiligen kann. Das ginge nach seiner weitesten Auslegung wohl nur im Verbreiten von Propaganda.

„Ein Präzedenzfall zum Fall meines Mandanten ist mir in der polnischen Rechtsprechung nicht bekannt.“

Kein Zugang zum elektronischen Gerichtsportal

Für den Anwalt seien mehrere Auffälligkeiten bei dem Prozess um Leibmann hervorstechend, die er aus anderen Verfahren an polnischen Gerichten nicht kenne.

So habe er erst nach dem zweiten Gerichtstermin Zugang zu dem Gerichtsportal bekommen, nachdem Epoch Times das polnische Justizministerium und das Gericht in Breslau dazu angeschrieben hatte. Der Zugang ist für die Verteidiger obligatorisch, denn dort können die Gerichtsprotokolle eingesehen oder Anträge gestellt werden. Gegenüber Epoch Times erklärte das Gericht, dass Matuschczyk falsche Log-in-Daten benutzt habe und das der Grund für den fehlenden Zugang sei. Der Anwalt erklärt, dass er alles so wie sonst auch getan habe.

Da die Antragstellung für Beweisanträge und Ähnliches befristet war und mittlerweile die Frist abgelaufen ist, sieht sich Matuschczyk gegenüber der Staatsanwaltschaft in der Verteidigung seines Mandanten behindert. „Der Zugang wurde mir bislang aus angeblich technischen Gründen verwehrt“, erklärt er gegenüber der Epoch Times.

Zuvor habe er dazu zwei Anträge gestellt, in denen er einen Zugang fordert, und auch eine Rüge eingereicht – doch ohne Erfolg. „Das war nicht hinnehmbar und eine klare Benachteiligung der Verteidigung.“

Hindernisse bei Einsicht der Gerichtsakte

Neu ist für ihn auch, dass es Hindernisse bei der Einsicht der Gerichtsakte seines Mandanten gibt. „Dort werden mir tatsächlich Steine in den Weg gelegt, was ich so nicht erwartet und so auch noch nicht erlebt habe.“

Akten auf der Richterbank des Landgerichts Kassel vor Beginn des Prozesses.

Akten auf einer Richterbank. Foto: Nicole Schippers/dpa

Denn Leibmann und seinem Verteidiger wurden im Vorfeld der Verhandlung untersagt, Leibmanns Gerichtsakte von mittlerweile fast 1.000 Seiten elektronisch selbst einzuscannen. Begründet wurde dies mit „internen Regelungen“. Leibmann habe die Akte lediglich Seite für Seite mit dem Handy abfotografieren dürfen.

Leibmann erklärte, dass das eigenständige Einscannen in früheren Gerichtsfällen, die ihn selbst betrafen oder wo er im Namen einer Menschenrechtsorganisation Einsicht in die Verfahrensakte beantragt hatte, kein Problem gewesen sei.

Nach wiederholten schriftlichen Rügen sei jetzt nur gegen Bezahlung eine Anfertigung einer Kopie durch das Gericht für 1 Zloty pro Seite möglich gewesen und das erst nach dem zweiten Verhandlungstermin, wenn er nicht selbst die Seiten mit seinem Handy abfotografieren möchte, so Leibmann. Bei 1.000 Seiten wären das rund 250 Euro an Kosten.

Er sieht darin eine Willkürmaßnahme. „Der Richter nimmt die Rügen dazu entgegen, zuckt mit den Achseln und es geht einfach weiter“, so der Rechtsanwalt, der fließend Deutsch und Polnisch spricht.

Der Richter verwies laut Leibmann in seiner Antwort auf den Antrag zum Einscannen der Akte auf einen Paragrafen, der aussagen soll, dass die Naht einer vernähten Akte nicht geöffnet werden darf. Jedoch sei Leibmanns Gerichtsakte gar nicht vernäht und der angegebene Paragraf besage, dass Gerichtsakten nicht vernäht werden dürfen.

Verwundete ukrainische Soldaten werden am 3. April 2024 an einem unbekannten Ort in der Nähe der Stadt Chasiv Yar in der Region Donezk von ukrainischen Militärmedizinern behandelt. Foto: Roman Pilipey/AFP über Getty Images

Leibmann sieht einseitige Vorverurteilung von Russland

Ein Rückblick. Als der Konflikt in der Ukraine im Frühjahr 2022 eskalierte, begann Leibmann, sich öffentlich dazu zu äußern: „Ich sah den Konflikt voraus und habe dann meine Sichtweise aufgezeigt, die anders war als die sonst übliche in Polen.“ Die Mehrheit aus Politik, Medien und der Bevölkerung habe gegen Russland „gehetzt“.

Es war eine einseitige Vorverurteilung gegen Russland.“

Nach Luftangriffen auf Belgorod, Russland, am 24. März 2024. Foto: Stringer/AFP über Getty Images

Zu seinen Ansichten gehört, dass der Krieg in der Ukraine nicht erst im Februar 2022, sondern im Jahr 2014 mit dem Sturz der damaligen russlandfreundlichen Regierung in Kiew begann, dass die ukrainische Regierung nach dem Jahr 2014 Kriegsverbrechen in der Ostukraine an der russischsprachigen Bevölkerung verübte und der Westen sich nicht für die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens einsetzte.

Ziel des Minsker Abkommens von 2015 war die Beilegung der Kämpfe im Osten des Landes. Die Ukraine und Russland werfen einander vor, Minsk II gebrochen zu haben. Frankreich und Deutschland waren Vermittler und Garanten des Friedensprozesses.

Die Position zum Minsker Abkommen teile beispielsweise auch General a.D. Harald Kujat, ehemals ranghöchster NATO-Offizier und Generalinspekteur der Bundeswehr.

Zudem vertritt Leibmann die These, dass Putin ein Recht gehabt habe, im Februar in die Ukraine auf Bitte der von Russland anerkannten Republiken Donezk und Luhansk einzumarschieren. Denn er könne sich auf das Responsibility-to-Protect-Prinzip und Artikel 51 der UN-Charta (das Recht auf Selbstverteidigung) berufen.

OSZE stellte Zunahme von Gewalt in Ostukraine fest

Die OSZE stellte am 18. Februar 2022 – nur sechs Tage vor der Invasion Russlands – eine „beträchtliche Zunahme bewaffneter Gewalt in der Ostukraine“ fest.

Laut Leibmann litt die Zivilbevölkerung in Donezk und Luhansk seit Mitte Februar 2022 unter extremem und zunehmendem Beschuss durch die von den USA und dem Westen unterstützte Regierung in Kiew. Putin sprach sogar von einem „Genozid“.

Deshalb könne Russlands „Spezialoperation“ nicht als Angriffskrieg bezeichnet werden, so Leibmann.

So sehe es auch Jacques Baud, der früher als für die Ostblockstaaten und den Warschauer Pakt zuständiger Analyst für den Schweizer Strategischen Nachrichtendienst arbeitete. Im Rahmen der Bekämpfung der Ausbreitung von Kleinwaffen in der Ukraine war er für die UN an NATO-Missionen im Land beteiligt.

Das Responsibiltity-to-Protect-Prinzip der UN von 2005 fordert, dass Staaten ihre eigene Bevölkerung vor Völkermord und ähnlichen Verbrechen schützen. Wenn Staaten dazu nicht in der Lage oder willens sind, übernimmt die internationale Gemeinschaft die Verantwortung. Das geschieht zunächst durch friedliche Mittel und notfalls durch Zwangsmaßnahmen, welche durch den UN-Sicherheitsrat beschlossen werden müssen. Ein Beispiel ist der NATO-Einsatz in Libyen im Jahr 2011.

Polnische Medien greifen Leibmann an

Nachdem Leibmann sich öffentlich geäußert und Aussagen von Kujat und Baud zum Ukraine-Krieg geteilt hatte, habe es teils heftige Diskussionen gegeben, berichtet er.

Aber es habe auch „massive Angriffe“ auf ihn gegeben. Damit meint er sowohl Beschimpfungen in den Medien als auch Bedrohungen von unbekannten Menschen in der Öffentlichkeit. Nachdem er dann Beiträge aus den westlichen Medien wie ARD, ARTE und NBC über die Ukraine bezüglich des Zeitraums 2014 bis 2022 ins Polnische übersetzt veröffentlicht hatte, habe sich die Lage zugespitzt.

So habe im April 2022 die zweitgrößte Tageszeitung Polens, „Gazeta Wyborcza“, deren Miteigentümer George Soros ist, begonnen, aggressiv über Leibmann zu berichten.

„Die größte polnische Zeitung ‚Fakt‘ – die polnische Version der deutschen ‚Bild‘-Zeitung – begann ebenfalls auf übelste Art und Weise, gegen mich zu hetzen“, berichtet Leibmann der Epoch Times.

Sein voller Name und seine Wohnadresse und ein Foto von ihm wurden dort veröffentlicht. Der Artikel trug den Titel: „Putins Freund sendet unterhalb von Breslau.“ In den Kommentaren fanden sich laut Leibmann auch Mordaufrufe gegen seine Person.

Nachdem er sich in einem mutmaßlichen Fall von Kinderhandel engagiert hatte, bei dem es Hinweise auf eine Verwicklung staatlicher und kirchlicher Institutionen gegeben habe, erhielt er ein Schreiben von der Breslauer Staatsanwaltschaft.

Sie teilte ihm mit, dass sie gegen ihn wegen „Billigung und Begünstigung eines Angriffskrieges“ ermittele. Nach einer Vernehmung und der Vorlage von Belegen, aus denen seine Aussagen stammen, wie beispielsweise einem Zeitungsausschnitt von einem Harald-Kujat-Interview, habe die Staatsanwältin im August 2023 die Ermittlungen eingestellt.

Ein teilweise eingestürztes Wohnhaus, das am 12. Mai 2024 durch eine durch die russische Luftabwehr abgeschossene ukrainische Totschka-U-Rakete getroffen wurde. Foto: Stringer/AFP über Getty Images

Anklage nach Regierungswechsel

Nach dem Regierungswechsel in Polen im Dezember 2023 wurde das Verfahren jedoch wieder aufgenommen und die Anklage folgte am 20. Dezember 2023.

Für Leibmann ist offensichtlich, dass dies mit der im Dezember 2023 formierten neuen Pro-EU-Regierung unter Führung von Ministerpräsident Donald Tusk zu tun habe. Diese gehe „willkürlich und gnadenlos“ unter Missachtung der Grund- und Menschenrechte gegen Kritiker der damaligen Corona-Maßnahmen sowie der aktuellen Kriegspolitik vor, so Leibmann.

Die konservative PiS-Partei, die zuvor die Regierung stellte, ist bei der Parlamentswahl im Oktober 2023 zwar stärkste Kraft geworden. Sie stellt weiter mit Präsident Andrzej Duda das politisch einflussreiche Staatsoberhaupt, musste allerdings in die Opposition gehen, da sie keine regierungsfähige Koalition bilden konnte.

So begann nach der Wahl durch die Tusk-Regierung ein Umbau in verschiedenen Bereichen. Acht Jahre PiS in Regierungsverantwortung sollen offenbar rückgängig gemacht werden.

Die Staatsanwaltschaft unter der neuen Regierung habe eine Neubewertung durchgeführt, wurde Leibmann gegenüber die Anklage begründet. Leibmann wurde jetzt nicht mehr wegen „Billigung und Begünstigung eines Angriffskrieges“ angeklagt, sondern ihm wurde das „Beginnen und Führen eines Angriffskrieges“ vorgeworfen, so die schriftliche Begründung der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Angeklagten vom Dezember 2023.

Gericht nutzt Gutachten von Hassreden-Experten

Dabei stützt sich die Staatsanwaltschaft auf ein Gutachten von Michał Urbanczyk, Juraprofessor an der Universität Adam Mickiewicz in Posen, der sich auf freie Meinungsäußerung einschließlich Hassreden spezialisiert hat. Bei seinem Gutachten hat er sich auf Zeitungsartikel aus polnischen Mainstream-Medien bezogen.

Laut Leibmann präsentiere sich Urbanczyk mit seinen Beiträgen auf seinem Facebook-Account als eindeutig parteiischer pro-ukrainischer „politischer Falke“.

Dort habe sich Urbanczyk auch dafür stark gemacht, dass die Ukraine russisches Territorium angreife, und kritisierte die Friedensbemühungen von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Leibmann hält Urbanczyk zudem vor, die Tötungen von Ukrainern im Donbas durch die Kiewer Regierung in den Jahren 2014 bis 2022 infrage zu stellen.

Wegen seiner öffentlichen Äußerungen und seiner – aus Leibmanns Sicht – fehlende militärhistorische und politische Kompetenz, um Leibmanns Äußerung zum Ukraine-Krieg einordnen zu können, reichte er über seinen Verteidiger einen Befangenheitsantrag zusammen mit einer mehrseitigen Widerlegung von Urbanczyks Gutachten ein.

Gutachter: Aussagen nicht von Meinungsfreiheit gedeckt

Urbanczyk hat in seinem Gutachten die Bedeutung von Leibmanns Aussagen analysiert. Gleichzeitig ging es darum, zu klären, ob die verwendeten Ausdrücke zum Krieg aufstacheln.

Er kommt zu dem Schluss, dass Leibmann „bewusst und absichtlich die Einleitung und Durchführung des Aggressionskrieges gutheißt, die Schlagworte der russischen Kriegspropaganda öffentlich und über Social Media wiedergibt und dass seine Äußerungen den Charakter von Akten sprachlicher Aggression, Beleidigungen, Beschimpfungen usw. haben“.

Die Aussagen würden den Frieden und die internationale Ordnung und indirekt die nationale Sicherheit und Souveränität Polens bedrohen, heißt es in dem Gutachten weiter.

Des Weiteren ist Urbanczyk der Ansicht, dass Leibmanns Aussagen nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen würden.

Die Polizei in Polen hat drei Männer festgenommen, die jahrelang Lkw während der Fahrt ausräumten.

Ein Polizeiauto in Polen. Foto: Doris Heimann/dpa

Gericht lehnt alle Beweisanträge und Zeugenbeweise ab

Beim ersten Verhandlungstermin am 27. März wurde die Anklage und ein Beweisantrag von der Staatsanwaltschaft vorgelesen. Sämtliche Anträge der Verteidigung wurden abgelehnt, sowohl die beantragten Zeugen, darunter Sachkundige wie Historiker und Militärangehörige, als auch alle Beweise zum Nachweis der Unschuld ebenso wie der Antrag auf Ausschluss des Gutachters wegen Befangenheit, berichtete Leibmann.

Auch ein Befangenheitsantrag gegen Richter Marek Gorny wurde abgelehnt. Epoch Times liegen der Antrag und der Gerichtsbeschluss vor. Laut Schreiben des Vorsitzenden Richters reichten die Beweise nicht aus, um eine Befangenheit zu belegen.

Leibmann ließ den Antrag einreichen, da er bis jetzt keine Möglichkeit bekommen habe, vor Gericht Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft habe auch bis jetzt nicht erläutert, was konkret an den ihm zugeschriebenen Aussagen und Zitaten strafbar sein soll.

„Rein politischer Prozess“

Ziel des Gerichts sei gewesen, durch die Ablehnung aller Anträge der Verteidigung ihn direkt nach Verlesung der Anklagepunkte ohne Beweisaufnahme zu verurteilen, so Leibmann.

„Das Einzige, was das Gericht daran hinderte, war eine Frist auf eine Antwort auf einen Antrag, die noch nicht abgelaufen war.“

Am 26. Juni fand der nächste Gerichtstermin statt, an dem Leibmann krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte. Was bei dem Gerichtstermin genau geschah, war bisher aufgrund des fehlenden Zugangs zum Gerichtsportal für seinen Verteidiger unklar. Da sein Mandant nicht daran teilnehmen konnte, blieb auch er der Verhandlung fern.

Das Landgericht in Breslau, Polen. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Udo Leibmann

Laut Leibmann habe man es hier nicht mit einem rechtlichen, sondern mit einem „rein politischen Prozess“ zu tun. „Ich habe den Eindruck, egal, was ich vorbringe, meine Verurteilung steht schon fest, obwohl ich nach objektiven Gesichtspunkten nichts gemacht habe, was strafbar ist.“

Ich bin der jetzigen Regierung offenbar zu unbequem.“

Leibmann: Es war kein Angriffskrieg

Eine der Aussagen in Bezug auf Russlands Eingreifen in den Regionen Donbas und Luhansk, für die Leibmann jetzt vor Gericht steht, lautet:

Gott bless Putin! [sic] – Ich bin auf Putins Seite und empfehle, den Lügen in den polnischen, deutschen usw. Medien nicht zu glauben. Putin hilft auf Bitten der lokalen Regierungen und der Menschen, die dort leben, die sind froh, dass sie nach 8 Jahren Kriegsangriff durch die ukrainische Regierung endlich Hilfe bekommen. Die Europäische Union, die USA und die NATO hatten kein Problem damit, dass sie dort 8 Jahre lang Menschen getötet haben, die Minsker Abkommen verletzt haben, etc… Lassen Sie sich nicht von den deutschen Medien und den George-Soros-Medien hier in Polen manipulieren.“

Leibmann erklärt, dass es die Unterstützung Moskaus der russischen Separatisten in der Ostukraine und nicht die militärischen Aktionen Russlands im Westen der Ukraine betrifft.

Er sieht die Gefahr, dass der Westen Russland durch die Unterstützung der Ukraine immer mehr in die Arme Chinas treibe. Als aktiver Menschenrechtler sei er selbstverständlich „immer und ausnahmslos“ gegen einen Angriffskrieg und für Frieden und die bedingungslose Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte.

Zwei ukrainische Soldaten in einer Panzerhaubitze an der Frontlinie bei Donezk.

Zwei ukrainische Soldaten in einer Panzerhaubitze an der Frontlinie bei Donezk. Foto: Libkos/AP/dpa

Verteidiger: „Unser Ziel ist der Freispruch“

Leibmann sagt, die meisten Aussagen habe er mit Verweis auf Zeitungsartikel und Zitate in Videos von Dritten getroffen. Das sei in der Anklageschrift unterschlagen worden. Deshalb sieht er die Gerichtsakte über ihn – mit den gesammelten Aussagen und deren Zusammenhang – als den „besten Entlastungsbeweis überhaupt“. Damit erklärt er sich auch, dass ihm und seinem Verteidiger der Zugang zu der Akte erschwert werde.

„Unser Ziel ist der Freispruch“, erklärt sein Anwalt gegenüber Epoch Times. Die Verteidigungslinie sei auf Transparenz ausgerichtet. „Herr Leibmann ist ein Mensch, der mit offenen Karten spielt. Wenn etwas Verwerfliches vorliegen sollte oder er tatsächlich einen Straftatbestand erfüllen würde, dann ist er natürlich bereit, das auch zu akzeptieren.“

Für Matuschczyk ist nicht auszuschließen, dass der Prozess gegen seinen Mandanten darauf ausgerichtet sei, einen unbequemen Regierungskritiker hart zu bestrafen, um andere Kritiker abzuschrecken. Die polnische Staatsanwaltschaft sei ähnlich wie in Deutschland eine weisungsgebundene Regierungsbehörde, so der Jurist.

Leibmann selbst steht hinter dem, was er gesagt hat. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen und bin bereit, die ganzen Hintergründe und meine Beweggründe für meine Äußerungen offenzulegen und Beweise vorzulegen, die das Ganze untermauern.“ Der nächste Gerichtstermin am Breslauer Landgericht steht noch nicht fest.

Weder das polnische Justizministerium noch die Staatsanwaltschaft in Breslau beantworteten Fragen der Epoch Times zu dem Fall.



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