Kretschmer fordert das „Einfrieren“ des Ukraine-Konflikts und kritisiert Baerbock
Der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, Michael Kretschmer, hat seine Forderung nach einem Einfrieren des Ukraine-Konflikts erneuert. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ forderte der sächsische Regierungschef mehr Realismus bei der Einschätzung der militärischen Lage in der Ukraine.
„Weder Russland noch die Ukraine können diesen Krieg gewinnen“, machte Kretschmer deutlich. Deshalb sei der Ansatz von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, „immer nur Waffen“ liefern zu wollen, „zu wenig“. Zudem liege sie falsch mit ihrer Einschätzung, dass jetzt „nicht die Zeit für Diplomatie“ sei.
Kretschmer gegen Vorausverzicht auf ukrainische Territorialansprüche
Man benötige nun „den Willen, diesen Konflikt einzufrieren – zu akzeptieren, dass wir ihn in dieser Generation vielleicht nicht endgültig lösen können“, so Kretschmer. Für eine sofortige Befreiung jedes Quadratmeters ukrainischen Territoriums wäre „ein unglaublicher Blutzoll zu entrichten“.
Für einen Vorausverzicht auf ukrainisches Territorium, auch der von der Ukraine beanspruchten Halbinsel Krim, wolle Kretschmer sich nicht aussprechen. Diese sei „ukrainisches Territorium, worauf wir seit 2014 völlig zu Recht pochen“. Allerdings sei die Frage, „ob Kiew darauf beharrt, die Krim sofort zurückzubekommen, oder auf ein strategisches Zeitfenster in der Zukunft zu warten bereit ist“.
Das Parlament der vorwiegend von russischen Muttersprachlern bewohnten Halbinsel hatte nach dem euro-nationalistischen Staatsstreich in Kiew 2014 seine Abspaltung von der Ukraine erklärt. Eine eilig organisierte und von russischen Truppen geschützte Volksabstimmung ergab eine klare Mehrheit für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Diese hat die Krim daraufhin in ihren Staatsverband aufgenommen. Die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer haben die Abspaltung nicht anerkannt.
Deutschland hätte „stärker auf Umsetzung der Minsker Abkommen beharren“ sollen
Kretschmer bezeichnete es auch als Fehler, dass sich Deutschland nach 2014 nicht stärker für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen eingesetzt habe. Diese hatte Deutschland selbst zusammen mit Frankreich unter Beteiligung Russlands und der Ukraine ausverhandelt. Die Vereinbarungen sahen unter anderem besser garantierte Minderheitenrechte der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine vor.
Deutschland hätte „viel stärker auf die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen pochen müssen, auch durch die Ukraine“, äußerte Kretschmer. Heute spreche niemand mehr davon. Bereits im Vorjahr hatte Sachsens Ministerpräsident ein Einfrieren des Konflikts gefordert. Er befürchtete in Anbetracht der Energiekrise und der hohen Preise für Strom und Gas ein Kippen der Stimmung in der Bevölkerung.
Der Krieg drohe die ganze Welt und vorrangig Europa ins Chaos zu stürzen. Man benötige auch die Rohstofflieferungen, um wirtschaftlich stark sowie sicher und wettbewerbsfähig zu bleiben. Kretschmer plädierte im Herbst des Vorjahres auch dafür, nach einem Ende des Krieges mit Russland wieder über Gaslieferungen zu sprechen.
Eingefrorene Konflikte vor allem seit Zusammenbruch der Sowjetunion häufig
Das Phänomen eingefrorener Konflikte spielt bis heute vor allem auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion eine erhebliche Rolle. Viele durch deren Zerfall unabhängig gewordene Länder waren infolge der Nationalitätenpolitik der KPdSU mit starken ethnischen oder sprachlichen Minderheiten konfrontiert. Nicht alle fanden einen adäquaten Weg, deren Interessen zu schützen.
Beispiele für aktuelle eingefrorene Konflikte dieser Art stellen jene rund um Abchasien, Südossetien oder Transnistrien dar. Ein zuvor über knapp zwei Jahrzehnte eingefrorener Konflikt um Bergkarabach wurde jüngst militärisch entschieden.
Strukturell weist der Ukraine-Konflikt Ähnlichkeiten mit dem Zypern-Konflikt der 1960er- und 70er-Jahre auf. Damals versuchten rechtsextreme griechische Milizen mithilfe der Regierung in Athen, die Autonomie des von türkischsprachigen Zyprern bewohnten Nordteils der Insel zu beenden. Die Türkei intervenierte 1974 militärisch, um eine mögliche ethnische Säuberung zu verhindern. Die Insel ist bis heute geteilt.
Kretschmer sieht Einsparungspotenzial in der Migrationspolitik
Auch zur deutschen Haushaltskrise hat sich Kretschmer geäußert. Er forderte von Bundeskanzler Olaf Scholz, Führungsstärke zu beweisen und eine Staatskrise zu verhindern. Der sächsische Ministerpräsident hatte sich jüngst gesprächsbereit über eine Modifizierung der Schuldenbremse zum Zwecke der Sicherung von Investitionen gezeigt. Allerdings sei eine „klare Prioritätensetzung“ hierfür die Voraussetzung – wie auch für eine Mitwirkung der Union an der Überwindung der Haushaltskrise.
Kretschmer ortet Einsparungspotenzial vor allem in der Migrationspolitik. Deutschland gebe „50 Milliarden Euro für Geflüchtete aus“. Dies sei falsch und gefährde den sozialen Frieden. Zahlen des Bundesfinanzministeriums und einer Arbeitsgruppe Länderfinanzminister zufolge sind die Ausgaben im Kontext von Flucht und Migration im Jahr 2023 auf 48,2 Milliarden Euro gestiegen. Im Vorjahr waren es knapp 42 Milliarden. Die „Welt“ hatte berichtet.
Vor knapp zwei Wochen bestätigte Sachsens CDU Michael Kretschmer als Landesparteichef. Das Ergebnis von 89,4 Prozent war dabei deutlich höher als noch zwei Jahre zuvor. Derzeit regiert die CDU im Freistaat in einer Koalition mit SPD und Grünen. Nach den Landtagswahlen im kommenden September strebt Kretschmer eine Regierung ohne Grüne an.
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