Krankenkassen vor Corona-Schock: Beiträge könnten bald in die Höhe schnellen
Die Corona-Pandemie könnte auch für gesetzlich Krankenversicherte ein dauerhaftes Nachspiel haben. Wie die „Welt“ unter Bezugnahme auf Angaben von Krankenkassen berichtet, könnte es schon in den kommenden Jahren zu spürbaren Beitragserhöhungen kommen.
Die Techniker Krankenkasse (TK), die knapp elf Millionen Versicherte zählt, hat bereits Ende Dezember 2020 nach Jahren niedriger Beiträge eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt auf 15,8 Prozent verfügt.
AOK rechnet mit 2,5 Prozent Zusatzbeitrag
Bei anderen Kassen ist die Erhöhung offenbar keine Frage des „Ob“ mehr, sondern nur des „Wann“ und „Wie viel“. AOK-Vorstandschef Martin Litsch, dessen Kasse mit 27 Millionen Versicherten nach wie vor der mit Abstand größte gesetzliche Krankenversicherer Deutschlands ist, rechnet im Gespräch mit der „Welt“ mit „massiven Beitragssatzanhebungen“ auf bis zu 17,1 Prozent des Bruttogehalts.
Allein eine Fast-Verdoppelung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages auf etwa 2,5 Prozent stünde Versicherten ins Haus, sollte der Gesetzgeber keine eigene Idee haben, den zu erwartenden Fehlbetrag für 2022 von mindestens 17 Milliarden Euro anderweitig auszugleichen.
Dafür gäbe es nach Überzeugung von Litsch aber nur zwei denkbare Wege: Entweder die Bundesregierung schafft es zeitnah nach der Bundestagswahl, eine Mehrheit für entsprechende Zuschüsse aus dem Haushalt zu organisieren, oder der Gegenwert müsse durch Sparprogramme hereingebracht werden – was unpopuläre Maßnahmen beinhalte.
Lauterbach: Spezialkliniken für Corona-Kranke nötig
Die im Zusammenhang mit den Corona-Hilfspaketen beschlossene 40-Prozent-Obergrenze für Sozialbeiträge könnte schon bald von der Realität eingeholt werden. Zwar werde der Staat aus dem Bundeshaushalt und nicht aus den Krankenversicherungsbeiträgen die Kosten tragen, die auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes für die Impfungen anfallen.
Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit lassen jedoch die Beitragseinnahmen sinken, während es ungewiss bleibt, welche Folgekosten Corona für die Krankenversicherungsträger nach sich ziehen wird.
SPD-Gesundheitssprecher Karl Lauterbach erwartet diesbezüglich für die kommenden zehn Jahre Mehrbeträge in Milliardenhöhe.
Er befürchtet, dass zu den unmittelbaren Corona-Folgen noch Schäden an inneren Organen, ein erhöhtes Demenzrisiko sowie depressive Verstimmungen oder Angst- und Erschöpfungserscheinungen treten können – nicht als Lockdown-Folgen, sondern solche der Krankheit selbst.
Gegenüber der „Welt“ erklärte Lauterbach: „Wir werden Spezialkliniken für COVID-Erkrankte brauchen.“
Auflösung der Reserven macht Minus bei Beträgen nur kurzfristig wett
Bereits im Herbst des Vorjahres war Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einem Bericht des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (RND) zufolge davon ausgegangen, dass das Corona-bedingte Loch in den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherungsträger schon 2021 auf 16 Milliarden Euro zu beziffern sein werde.
Spahn wies in diesem Zusammenhang auf bestehende Rücklagen in Höhe von 20 Milliarden Euro hin, auf welche die Kassen zugreifen könnten. Der Minister trat dafür ein, die Versicherungsträger notfalls durch Zwangsmittel dazu zu bewegen, ihre Reserven aufzulösen.
Dies rief unter anderem den Widerspruch von Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann hervor, die von einem „Anschlag auf die gesetzliche Krankenversicherung“ sprach und stattdessen einen höheren Bundeszuschuss für die Krankenversicherung forderte.
Krankenkassen bereits jetzt am Limit
Eine sofortige Auflösung der Rücklagen würde das Problem ohnehin nur verschieben. Die Einnahmen der Kassen sind Corona-bedingt bereits jetzt über einen längeren Zeitraum hinweg deutlich gesunken. Es ist damit zu rechnen, dass zahlreiche Operationen und Vorsorgeuntersuchungen nachgeholt werden, die bereits für Frühjahr des Vorjahres geplant waren.
Die Krankengeldtage seien Angaben der TK zufolge im bisherigen Verlauf der Corona-Krise um zehn Prozent gestiegen, die Leistungsausgaben in den ersten drei Quartalen 2020 pro Versicherten um etwa 4,5 Prozent. Für zusätzliche Belastungen sorgten auch Corona-unabhängige gesetzliche Vorgaben wie jene zur Verbesserung der Situation des Pflegepersonals oder für den Terminservice.
Kurzfristige Einsparungsmöglichkeiten seien hingegen nur beschränkt vorhanden. Unions-Gesundheitssprecherin Karin Maag will insbesondere durch einen Digitalisierungsschub die Kassen effizienter machen. Die „elektronische Patientenakte“ soll Betreuung und Dokumentation in entscheidender Weise erleichtern.
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