Kramp-Karrenbauer, die COVID-Impfpflicht und ein Soldat in Haft – Teil 1
Während die allgemeine Corona-Impfpflicht im Bundestag scheiterte, waren Soldaten der Bundeswehr von November 2021 bis Mai 2024 verpflichtet, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen.
Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) soll die sogenannte Duldungspflicht auf Anraten des Wehrmedizinischen Beirats, eines ehrenamtlich beratenden Gremiums aus Experten verschiedener Fachrichtungen, angeordnet haben. Sie erteilte dazu einen Tagesbefehl an alle Truppenteile am 29. November 2021.
Doch es gab auch eine kleine Gruppe Soldaten, die bis zuletzt die COVID-Impfung verweigerten.
Dies geschah zumeist aus gesundheitlichen Bedenken. Die Soldaten bemängelten die kurze Entwicklungszeit für die teilweise experimentellen Impfstoffe und die Notfallzulassung.
Wie das Verteidigungsministerium auf Anfrage der Epoch Times mitteilte, wurden bisher 72 Soldaten im Zusammenhang mit der Duldung der COVID-19-Impfung entlassen.
Außerdem wurden die Soldaten vor Gericht gestellt. In den meisten Fällen handelte es sich um Geldstrafen, in wenigen Fällen um Freiheitsstrafen auf Bewährung. Auch jetzt laufen noch Verfahren.
Gericht verurteilt Soldaten wegen Gehorsamsverweigerung
Einer von ihnen ist Jan Reiners (36), der sich als Zeitsoldat für 15 Jahre zum Sanitätsdienst in der Mannschaftslaufbahn verpflichtet hatte.
Da er die COVID-19-Impfung ablehnte, war er nach zwölf Jahren und zwei Monaten seines Dienstes als Soldat am 3. März 2023 „unehrenhaft“ entlassen worden.
Zuvor hat ihn das Amtsgericht Oldenburg in Niedersachsen wegen Gehorsamsverweigerung im November 2022 zu einer Strafe von 40 Tagessätzen zu je 60 Euro (2.400 Euro) oder 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt, wenn er nicht der Strafzahlung nachkommt.
Denn er war den Befehlen seiner Vorgesetzten, sich im Sanitätszentrum gegen COVID-19 impfen zu lassen, nicht nachgekommen, so sein Anwalt Edgar Siemund.
In der Berufungsverhandlung zu Reiners Fall am 22. März 2022 bestätigte das Landgericht Aurich die Entscheidung des Amtsgerichtes. Jedoch senkte es das Strafgeld auf 600 Euro, da Reiners nach der vorzeitigen Bundeswehrentlassung von Bürgergeld lebt. Zudem soll er die Gerichtskosten von 740 Euro tragen, so Siemund.
Mit seinem Rechtsanwalt ging er in die Revision vor dem Oberlandesgericht Oldenburg, welches dann keine Rechtsfehler in den vorangegangenen Verfahren feststellte. Schließlich reichte Siemund eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht – der letzten nationalen rechtlichen Instanz – ein. Doch auch dort scheiterten sie.
Die Antwort aus Karlsruhe auf die 60-seitige Beschwerde, so Siemund, sei kurz ausgefallen: Die Beschwerde werde nicht zur Entscheidung angenommen und die Entscheidung sei unanfechtbar.
Oberstabsbootsmann vor dem Bundesverwaltungsgericht
Siemund betreut mehrere Soldaten als Verteidiger. Er gehört auch zum Dreiergespann an Anwälten, die den Oberstabsbootsmann Lars M. am 29. Mai bei der öffentlichen Sitzung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig vertraten. Der Berufssoldat Lars M. verweigerte, genau wie Reiners, die Corona-Impfung.
Das Verfahren erhielt bundesweit mediale Aufmerksamkeit, da einen Tag vor Verhandlungsbeginn das Verteidigungsministerium überraschend die Impfung gegen COVID-19 von einer Pflichtimpfung zu einer Impfung, die „dringend empfohlen“ wird, herunterstufte.
Für den Berufssoldaten Lars M. bedeutete dies, dass seine bis dahin drohende Entfernung aus dem Soldatendienst, verbunden mit der Aberkennung seiner Dienstbezüge und Übergangsgelder nach 28 Jahren Bundeswehr, abgewendet wurde. Auch besteht mit der Aufhebung der Impfpflicht kein Zwang mehr, sich mit dem COVID-Impfstoff impfen zu lassen, so der Anwalt.
Das Beschwerdeverfahren vor dem BVerwG im Fall des Oberstabsbootsmanns läuft weiter. Denn das Anwaltsteam wollte mit dem Verfahren die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der damaligen Verteidigungsministerin feststellen lassen, die COVID-Impfung verpflichtend für die Soldaten zu machen. Zudem sieht die Verteidigung ein Rehabilitations- und ein Entschädigungsinteresse bei ihrem Mandanten.
Lars M. war für ein Jahr aufgrund des psychischen Drucks durch seinen Arbeitgeber nicht arbeitsfähig gewesen, so Siemund.
Der Anwalt teilte der Epoch Times mit, es bestehe die Gefahr, dass die Duldungspflicht durch das Verteidigungsministerium wieder eingeführt werde, da es nur eine Herabstufung und keine Abschaffung gegeben habe.
Auch Reiners leide mittlerweile aufgrund seiner Erlebnisse rund um die Verweigerung der COVID-Impfung unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, so sein Anwalt.
Auf das zuvor bereits rechtskräftige Urteil des Ex-Soldaten Reiners hat die Aufhebung der Bundeswehr-Impfpflicht jedoch keine Auswirkungen.
Sollte sich in dem Verfahren in Leipzig jedoch herausstellen, dass die damalige Anordnung von Ex-Ministerin Kramp-Karrenbauer auf falschen Tatsachen beruhte, müssten alle bisherigen Urteile gegen Soldaten im Zusammenhang mit der Duldungspflicht aufgehoben werden, so Siemund.
Dies hätte auch Auswirkungen auf die Verurteilung Reiners und ein Wiederaufnahmeverfahren wäre möglich.
Nürnberger Kodex
Für Siemund ist die COVID-19-Impfpflicht sowohl rechtswidrig als auch verfassungswidrig.
Rechtswidrig sei sie, weil sie den Soldaten verpflichte, sich einer „experimentellen Gentherapie“ zu unterziehen, die einen Verstoß gegen den Nürnberger Kodex darstelle, so der Anwalt aus dem bayerischen Mühldorf am Inn.
Der Kodex besteht aus zehn medizinethischen Grundsätzen, die das amerikanische Militärgericht in Nürnberg am 20. August 1947 im Rahmen eines Urteils gegen hochrangige Mediziner und Gesundheitsbeamte wegen des Vorwurfs der Euthanasie und Menschenversuche während der Zeit des Nationalsozialismus aussprach.
Ziel der Richter war es, zu verhindern, dass zukünftig ähnliche Verbrechen im Namen der medizinischen Forschung wie zur Zeit des Dritten Reiches stattfinden.
Der Kodex besagt unter anderem, dass bei medizinischen Versuchen an Menschen die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson unbedingt erforderlich ist, „unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Nötigung, Übervorteilung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges.“
Und dass die Versuchsperson das betreffende Forschungsgebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen muss, um eine „verständige und informierte Entscheidung“ treffen zu können.
Eine freiwillige Zustimmung als auch eine verständige und informierte Entscheidung sei laut Siemund für keinen der Bundeswehrsoldaten möglich gewesen.
„Weil selbst die Ärzte gar nicht wussten, was sie mit den COVID-Genpräparaten spritzen“, erklärt der Rechtsanwalt gegenüber Epoch Times.
Anwalt hält COVID-Duldungspflicht für verfassungswidrig
Siemund hält die COVID-19-Impfpflicht für Soldaten auch verfassungswidrig, weil sie gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoße. Dieser besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
„Doch aufgrund der Duldungspflicht sollte sich der Soldat in Friedenszeiten unter Missachtung seines Willens einer medizinischen Behandlung unterziehen“, so Siemund.
Artikel 1 setze jedoch genau wie der Nürnberger Kodex eine freiwillige Zustimmung voraus. „Das passt nicht zusammen“, so Siemund. Und ergänzt: Auch sei das Impfen gar nicht notwendig gewesen, da es eine ausreichende Medikation für den Fall gab, wenn man sich ansteckt oder erkrankt.
„All das wurde überhaupt nicht propagiert, sondern stattdessen hieß es ‚Impfen, Impfen, Impfen‘ mit einem experimentellen Genpräparat – das war die Ansage.“
Eingriff irreversibel
Ein weiterer Punkt ist für den bayerischen Anwalt, dass laut Bundesverfassungsgericht eine Impfung irreversibel sei. „Aufgrund dieser Irreversibilität des medizinischen Eingriffs muss ich als Dienstherr absolut sicher sein, dass meinem Soldaten kein Schaden dadurch entsteht.“
„Diese Sicherheit konnte der Dienstherr zu keinem Zeitpunkt haben“, erklärte Siemund.
Im Soldatengesetz heißt es unter Paragraf 17a Gesunderhaltungspflicht und Patientenrechte:
(1) Der Soldat hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen.
(2) Der Soldat muss ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn sie
- der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen oder
- der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen.
Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit […] wird insoweit eingeschränkt. […]
(4) […] Nicht zumutbar ist eine ärztliche Maßnahme, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist.“
„Mit Stand 2. August 2024 wurde in 14 Fällen ein Impfschaden als Folge einer COVID-Impfung als Wehrdienstbeschädigung anerkannt“, heißt es aus dem Verteidigungsministerium auf Anfrage der Epoch Times.
Anwalt hält Befehl zur Impfung für rechtswidrig
Ein weiterer Punkt, der die Duldungspflicht zur COVID-19-Impfung für Siemund rechtswidrig sein lässt, sei, dass die Vorgesetzten von Reiners einen Befehl zum Empfang der COVID-19-Impfung erteilten.
Jedoch hätte nur der Disziplinarvorgesetzte – etwa der Kompaniechef – befehlen dürfen, dass sich der Soldat im Sanitätszentrum zwecks eines ärztlichen Termins zum Erhalt der COVID-19-Impfung vorzustellen habe, so Siemund.
Ab dort gelte dann ein geschütztes Arzt-Patienten-Verhältnis, in das der Disziplinarvorgesetzte mit Befehlen nicht eingreifen dürfe.
Dass kein Befehl erteilt werden kann, sich impfen zu lassen, geht für Siemund aus der Zentralen Dienstvorschrift A-840/8 zu Impf- und weiteren ausgewählten Prophylaxemaßnahmen klar hervor:
Hier heißt es unter Ziffer 102: „Diese Regelungen wenden sich an Disziplinarvorgesetzte […], die für die zeitgerechte Vorstellung ihres Personals verantwortlich sind, sowie an das Sanitätspersonal der Bundeswehr.“
Anwalt: Das Wort „Befehl“ wird nicht erwähnt
Unter Ziffer 209 heißt es: „Impfungen und Maßnahmen zur Chemoprophylaxe werden nicht unter körperlichem Zwang vorgenommen.“ Das Wort „Befehl“ taucht auch in den weiteren Ausführungen zu den Impfungen nicht auf. Unter Ziffer 701 ist lediglich von einer „veranlassten Impf- und Prophylaxemaßnahmen“ die Rede.
Das Gleiche gilt für die Formulierung unter Ziffer 11.1, Nr. 1 der Checkliste „Ablaufkontrolle“ für die Disziplinarvorgesetzten: „Veranlasst Vorstellung der Soldatin bzw. des Soldaten bei impfendem Arzt.“
Und nur so wird die Zentrale Dienstvorschrift für „Impfungen“ der Gefahrenlage für den Soldaten und der Verantwortung des fürsorgepflichtigen Disziplinarvorgesetzten bis zum Bundesminister der Verteidigung auch gerecht, so Siemund.
Doch was hat Reiners überhaupt bewogen, die Impfung abzulehnen? Warum hat ihn der militärische Geheimdienst vernommen? Und warum landete er im Gefängnis?
Das erfahren Sie in Teil 2.
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