Kostenfalle: Warum private Versicherungen nicht immer besser sind
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Die Debatte um Wartezeiten auf Arzttermine ist nicht neu: Kassenpatienten warten länger auf Arzttermine als noch vor fünf Jahren, so eine repräsentative Befragung unter gesetzlichen Versicherten von 2024 im Auftrag des GKV-Spitzenverbands. Ein Viertel der Patienten wartet demnach länger als 30 Tage auf einen Termin in der Facharztpraxis. Im Fünfjahresvergleich berichten 43 Prozent, dass sich die Wartezeiten verschlechtert hätten. Der GKV sieht darin eine „Diskriminierung der gesetzlich Versicherten gegenüber Privatpatienten“.
Auch die Stiftung Warentest hat sich des Themas angenommen, eine repräsentative Civey-Umfrage unter 5.000 befragten Versicherten bestätigt, dass Privatpatienten im Vergleich zu Kassenpatienten doppelt so häufig einen Facharzttermin innerhalb eines Monats bekommen haben: 58 Prozent der Privatpatienten haben ihren jüngsten Facharzttermin nach eigenen Angaben innerhalb dieses Zeitraums bekommen, bei den Kassenpatienten waren es nur 30 Prozent.
Vermeintliche Privilegien: Bessere Leistungen, kurzfristigere Termine
Während die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) gesetzlich festgelegte Mindestleistungen böte, profitierten Privatversicherte oft von individuell zugeschnittenen Tarifen, die eine bessere medizinische Versorgung ermöglichen sollen, wozu auch die kürzeren Wartezeiten und damit bevorzugte Behandlung bei Fachärzten gehörten. Privatversicherte erhielten zudem häufig Zugang zu besseren Krankenhausleistungen oder speziellen Therapien, die in der GKV nur begrenzt oder gar nicht abgedeckt sind. GKV versus PKV – das hat eine andere aktuelle Untersuchung der Stiftung Warentest zum Inhalt – mit überraschendem Ergebnis für die mutmaßlich privilegierten Privatversicherten:
„Auf dem Markt sind sehr viele Angebote, die weniger als die gesetzlichen Kassen erstatten oder in denen die Versicherten einen hohen Selbstbehalt an den Krankheitskosten zahlen müssen.“, schreibt die Zeitschrift Test in ihrer Onlineausgabe, die den Beitragsdschungel unter die Lupe genommen hat.
Über zwei Drittel der Privatversicherungen durchgefallen
Den Testern der Stiftung Warentest zufolge erfüllen 69 Prozent der Privat-Tarife nicht einmal das Mindest-Niveau der gesetzlichen Krankenversicherungen. Damit wurden von den geprüften 1.245 Tarifkombinationen am Ende nur 384 Tarife unter die Bewertungslupe genommen. Diese bieten einen Rundum-Schutz, bei dem maximal 660 Euro Selbstbeteiligung pro Jahr fällig werden. Der Rest, also die Mehrheit der privaten Versicherungen, ist somit nach Stiftung Warentest nicht empfehlenswert.
Sind Privatpatienten neben offiziellen Privilegien wie kürzeren Wartezeiten und bevorzugter Behandlung am Ende auch besser abgesichert?
Oft nicht, ergab die aktuelle Auswertung der Stiftung Warentest, viele PKV-Tarife hatten Lücken und leisteten sogar weniger als gesetzliche Krankenkassen, bekräftigt Julia Bönisch, Vorstand der Stiftung Warentest gegenüber „Focus“. „Defizite bestehen bei vielen Tarifen zum Beispiel bei der Palliativpflege, bei ambulanter Psychotherapie oder bei digitalen Anwendungen wie Ernährungsapps.“
Unter Bezug auf eine Pressekonferenz der Stiftung Warentest schreibt „Focus“, wurde „eine wahre Horror-Rechnung“ präsentiert: Wer mit 35 Jahren einen der günstigeren Top-Tarife zu einem Monatsbeitrag von rund 600 Euro im Monat abschließt, so die „abschreckende Musterrechnung“, muss als Rentner mit 67 dafür mit 1.500 Euro rechnen. Hochgerechnet auf 14 Rentenjahre sind das 250.000 Euro allein nur für die Krankenversicherung.
Privatversicherte müssen sparen – für die Rente
Wer als Privatversicherter nicht vermögend ist, so empfiehlt die Stiftung Warentest in ihrer Zusammenfassung der Untersuchung, der sollte unbedingt bis zum Ende des Erwerbslebens ein finanzielles Polster für die Beitragszahlungen seiner Krankenkasse gebildet haben. Zudem muss damit gerechnet werden, dass die Beiträge in den kommenden Jahrzehnten steigen. Immerhin, wer eine staatliche Rente erhält, bekommt einen Zuschuss, wenn auch nur von maximal 8,55 Prozent der Rente.
Bei Angestellten beteiligt sich der Arbeitgeber schon zuvor mit 50 Prozent an einer privaten Krankenversicherung, allerdings mit höchstens 570,55 Euro im Monat, während Selbstständige für die Krankenversicherung allein aufkommen müssen. Für Beamte hingegen übernimmt der Dienstherr von vornherein 50 Prozent der Kosten. Nur der Rest muss, so der Wunsch besteht, privat bezahlt werden. Für Staatsdiener gelten die Privilegien bis ins Pensionsalter, da müssen die Beamten nur noch für 30 Prozent aufkommen, während der Staat sogar 70 Prozent der Ausgaben erstattet.
Solidaritätsprinzip versus Kostenexplosion
„Die private Krankenversicherung kann zur existenzbedrohenden Kostenfalle werden. Wir empfehlen sie nur für Beamte uneingeschränkt, da der Staat einen Großteil der Kosten im Alter übernimmt.“, so Bönisch. Beitragssteigerungen fallen in diesen Konstellationen weniger ins Gewicht. Dass der Beitrag mit dem Alter steigt und die Prämien für Rentner womöglich unerschwinglich werden, hätten nur wenige auf dem Schirm.
Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Tarife der privaten Krankenversicherung nicht einkommensabhängig, was sich im Rentenalter negativ bemerkbar macht. Denn die private Krankenversicherung funktioniert nach dem Äquivalenzprinzip, bei dem die Höhe der Beiträge vom individuellen Risiko, Alter und Gesundheitszustand abhängt. Jüngere und gesunde Versicherte zahlen meist niedrigere Beiträge, die jedoch im Alter ansteigen können.
Die gesetzliche Krankenversicherung hingegen basiert auf dem Solidaritätsprinzip: Die Beiträge richten sich nach dem Einkommen, sodass Besserverdiener höhere Beiträge zahlen, während Menschen mit niedrigerem Einkommen finanziell entlastet werden. Zudem sind Familienmitglieder in der GKV beitragsfrei mitversichert, während in der privaten Versicherung eigene Verträge abgeschlossen werden müssen.
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