„Volksgemeinschaft gegen rechts“ begeht Verbrechen am AfD Abgeordneten Magnitz

Ein beherzter Bauarbeiter hat am Montagabend möglicherweise einen politisch motivierten Mord verhindert. Die politischen und medialen Reaktionen auf den Angriff sind uneinheitlich.
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Von Vermummten fast totgeschlagen; Der Bremer AfD-Bundestagsabgeordnete Frank MagnitzFoto: Fabian Sommer/dpa
Von 8. Januar 2019

„Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid!“, antwortete der Publizist Henryk M. Broder im Vorjahr im Rahmen des Autorentreffens der „Achse des Guten“ auf die turnusmäßig am Tag der Wiederkehr der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 auftauchende Frage, wie es so weit kommen konnte.

Zahlreiche Nutzer der sozialen Medien haben den mutmaßlich linksextremistisch motivierten Angriff auf den Bremer AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz vom Montagabend zum Anlass genommen, um Broders Ausspruch zu zitieren. Auf diese Weise wollten sie die Einschätzung zum Ausdruck zu bringen, Deutschland habe sich entgegen anderslautender Darstellungen von entscheidenden Massen-Charakterzügen nicht verabschiedet, die auch den Nationalsozialismus möglich gemacht oder diesem zumindest die Arbeit erleichtert hätten.

Diese wären unter anderem ein unauslöschlicher Drang zum Konformismus, eine Neigung zur Dehumanisierung alles nicht in den gefühlten Konsens Passenden und ein infantiler Moralismus, der sich bei Bedarf politisch nach Belieben ausbeuten und radikalisieren lässt.

„Pathetisch aufgeladener Wohlfühlantifaschismus“

Das selbstbewusst geschmetterte Bekenntnis „Nazis raus“, aus „aktuellem Anlass“, und vielfach gar zur Rechtfertigung der Gewalt gegen den AfD-Abgeordneten herangezogen, der ohne das Eingreifen eines Bauarbeiters den Angriff möglicherweise nicht überlebt hätte, ist nach dieser Einschätzung gerade nicht das, was es zu sein vorgibt, nämlich eine Absage an totalitären kollektiven Reinheitswahn.

Vielmehr gehe es, so hatten Kritiker wie die Zeitschrift „Bahamas“ bereits mit Blick auf jüngste „antifaschistische“ Großveranstaltungen der „Volksgemeinschaft gegen rechts“ gemutmaßt, bei Bekenntnissen dieser Art gerade „um die Wiederbelebung der deutschen Fetische Masse, Macht und Gemeinschaft“ – nur diesmal „unter dem Vorzeichen von Multikulturalismus und Islamophilie“.

Den „pathetisch aufgeladenen Wohlfühlantifaschismus“ für ein „Publikum […], das von der Schule an lernt, an den richtigen Stellen gegen rechts zu klatschen“, bringt Autor David Schneider dort in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem „deutschtümelnde[n] Sündenstolz eines Volks von sich zu Oberlehrern aufspreizenden refraktären Primanern, denen das Belehren, Bekritteln und Ermahnen des zivilisierten Rests der Menschheit als Alibi dient, um die eigenen Zerstörungsphantasien auszuleben“.

Im Herbst des Vorjahres schrieb er über den damit einhergehenden kollektiven Moral-Rausch:

„Das Triumphgefühl, das die erfolgreichen Zusammenrottungen bei ordinären Linksautoritären geweckt haben, vermag jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die vorgeblich edle Sache auf einer schamlosen Bündnispolitik beruht, die vor dem Zusammenschluss mit Islamisten und Antisemiten nicht zurückschreckt. Wegen ihrer offenkundigen Verlogenheit reagiert die bunte Glaubensgemeinde trotz zahlenmäßiger Überlegenheit auf Abweichler immer hysterischer. Die Widerspenstigkeit derer, die sich nicht der Wir-sind-mehr-Fraktion anschließen, wird als kränkende Weigerung erlebt, sich dem unteilbaren Mehrheitswillen zu unterwerfen.“

„Kampf gegen rechts“ als Selbstermächtigung zur Errichtung einer Diktatur

In der Praxis der „Anständigen“, sich, wenn es „gegen rechts“ geht, bei Bedarf schon einmal über Recht und Verfassung hinwegzusetzen, weil man sich moralisch im Recht wähne, werde, so schrieben Felix Mauser und Justus Wertmüller in der gleichen Zeitschrift, die „eigentliche Schwäche dieses Landes offenbar, dessen Bewohnern jedes staatsbürgerliche Selbstbewusstsein, jeder Common Sense abgeht“. Eine Konsequenz daraus sei ein Drang zur Selbstermächtigung, der greife, sobald man sich der eigenen Meinungsführerschaft nicht mehr ausreichend sicher ahne:

„Gegen Unzufriedene, die sich den sie ständig bevormundenden Ton des immer öfters mit falschen Zahlen und Fakten operierenden staatlichen und zivilgesellschaftlichen Establishments oft auch mit schlechten Gründen nicht mehr gefallen lassen wollen, soll endlich vom Staat und wenn es sein muss sogar durch die Ausrufung des rechtswidrigen Notstands durchgegriffen werden. Das ist Putschismus zum Erhalt von Meinungsführerschaft durch die Mobilisierung der Exekutive und der Straße und die Neuvermessung der Gewaltenteilung der Bundesrepublik zugunsten eines autoritären Erziehungskurses, der als institutionalisiertes System Diktatur heißt.“

Auch der sächsische Europakandidat der AfD, Maximilian Krah, sieht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Angriff auf Magnitz und dem großen antifaschistischen Gemeinschaftserlebnis, das den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und „Feine Sahne Fischfilet“ Tag für Tag miteinander verbindet:

Der Sprengstoffanschlag auf das AfD-Büro in Döbeln wie der Mordversuch am AfD-Bundestagsabgeordneten Magnitz sind die zwangsläufigen Folgen des ‚Kampfs gegen rechts‘. Die Gewalt wird weitergehen, weil sich die Täter der heimlichen Sympathie der tonangebenden Schichten sicher sein können – zwar nicht in den Mitteln, aber im Zweck.“

Sammelsurium an Relativierungen

Die Reaktionen auf die Gewalttat gerade in Kreisen, die bislang sehr schnell bei der Sache waren, wann immer es darum ging, den persönlichen Unmut über den wachsenden Zuspruch zu politischen Positionen der AfD zum heldenhaften Widerstand gegen eine drohende neue Machtergreifung des Nationalsozialismus zu veredeln, sind unterdessen sehr geteilt.

Unmissverständlich war die Reaktion des Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, der deutlich machte:

Es gibt keine Rechtfertigung für ein solches Verbrechen.“

SPD-Vize Ralf Stegner erklärte zwar auch „Gewalt ist falsch“, beklagte sich aber auf DW gleichzeitig über Vorwürfe, von ihm stammende Äußerungen wie jene auf Twitter, man müsse „Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechtsaußen und gefährlich sind“, würden ein Klima der Gewaltbereitschaft fördern. Vielmehr, so Stegner, seien die „Verrohungs-Spezialisten“ zu finden bei „der Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt und in Wirklichkeit eine Schande für Deutschland ist“.

Auch Cem Özdemir relativierte den Angriff auf den mit einer türkischstämmigen Frau verheirateten Abgeordneten mit dem Hinweis, man würde auf diese Weise „Hass mit Hass bekämpfen“.

Stephan Hebel von der „Frankfurter Rundschau“ spricht zwar von einer „furchtbaren Tat“, aber qualifiziert es gleichzeitig als „lächerlich“ und als „Wahnvorstellung“, dass man in einer „links-grün versifften“ Gesellschaft lebe, in der verfolgt werde, wer nicht „linientreu“ sei.

Ihm bereitet es vor allem Unbehagen, dass die Tat „niemandem mehr nutzen“ wird als der AfD. Und wer „Andersdenkenden, und seien sie noch so radikal“, auflauere und sie krankenhausreif prügele,

nimmt die Menschenfeindlichkeit, die in einer von der AfD beherrschten Gesellschaft herrschen würde, seinerseits auf übelste Weise vorweg – unter dem unglaubwürdigen Vorwand, sie zu bekämpfen“.

Die AfD zu bekämpfen, bleibe „für freiheitlich denkende Menschen eine demokratische Pflicht“.

Amadeu-Antonio-Stiftung: „Tathintergrund bisher völlig unklar“

Marcus Schmidt erwiderte daraufhin auf Twitter:

„Verstehe ich das richtig? Nicht weil man Menschen nicht mit Kanthölzern den Schädel einschlagen darf war der Angriff auf #Magnitz falsch, sondern weil die Bluttat „die Rechten“ stärker macht? Das ist abstoßend und menschenverachtend!“

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hält es wiederum noch gar nicht für eine ausgemachte Sache, dass der Angriff dreier vermummter Gestalten einen politischen Hintergrund hatte. Auf Twitter schrieb man:

Klar ist: Angriffe auf Menschen sind immer zu verurteilen. Auffällig ist, dass der Fall #Magnitz schon jetzt politisiert wird, obwohl der Tathintergrund bislang völlig unklar ist. Spekulationen helfen niemandem, außer denen, die den Fall für ihre Hetze ausschlachten.“

Offene Sympathie für den Gewaltakt äußerten demgegenüber Personen aus dem linksextremen Spektrum wie die freie Journalistin Veronika Kracher, die auf Twitter schrieb:

Dass #Magnitz zusammengelatzt wurde ist übrigens die konsequente Durchführung von #NazisRaus. Abhauen werden die nicht. Die werden sich bei der größten möglichen Bedrohungssituation aber zweimal überlegen ob sie offen faschistische Politik machen. Deshalb: mit ALLEN Mitteln.“

Damit bestätigt sie aber unfreiwillig das, was schon die eingangs erwähnte „Bahamas“ über das deutsche Gemeinschaftserlebnis „Kampf gegen rechts“ geschrieben hatte – und was auch Rolf Bergmeier im „European“ mit der Gewalt gegen Andersdenkende in Verbindung bringt.

„Wiedergänger der Nazis nennen sich jetzt Antifa“

Er zieht einen Bogen hin zu Angriffen auf Wohnhäuser von AfD-Politikern, Drohungen gegen Wirte, die Säle vermieten, Zensur in sozialen Medien, Fake-News über „Hetzjagden“ oder Pöbeleien von Politikern wie Johannes Kahrs, Ralf Stegner oder Martin Schulz im Bundestag. Sein Fazit über den, wie er es nennt, „Paradigmenwechsel zur Gesinnungsdiktatur“:

Sie treten den Anstand mit Füßen und kreuzigen die Freiheit. Gleich zu welcher Partei man gehört, gleich ob man überhaupt noch wählen geht oder nicht, man muss besorgt sein um Deutschland.“

Auch Ronny Kumpf von der AfD Sachsen-Anhalt hat auf die jüngste „Nazis raus“-Kampagne zahlreicher Medien unter dem Banner der Solidarität mit der ZDF-Journalistin Nicole Diekmann, die kritisiert wurde, weil sie darunter „jeden, der nicht die Grünen wählt“ versteht, geantwortet. Er meint dazu:

„Aus den Gräbern? Immerhin dürften ja mittlerweile 99,9 Prozent der #Nazis verstorben sein. Aber ein paar #Wiedergänger scheint es unter ihnen noch zu geben, die keinen Frieden finden. Die nennen sich jetzt #Antifa. Man erkennt sie an ihrer Gewalttätigkeit und ihrem Fanatismus.“

 



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