Kommt die Wehrpflicht zurück – nur anders?

Mehr als ein Jahrzehnt nach der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland stehen neue Pläne im Raum. Verteidigungsminister Pistorius stößt mit seinem Konzept an vielen Fronten auf Gegenwind. Die Grüne Jugend wirft ihm vor, der Wehrpflicht „Tür und Tor“ zu öffnen.
Titelbild
Bundeswehrsoldaten während einer Militärübung am 29. Mai 2024 in Pabrade, Litauen.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 30. Mai 2024

Eine Koalition hat sich in der – mittlerweile auch auf EU-Ebene geführten – Debatte um eine Wehrpflicht gebildet. In der deutschen Debatte hat sich die Grüne Jugend gegen deren Wiedereinführung positioniert. Im Rat der EU-Außenminister hat Ungarns Außenminister Péter Szijjártó am Montag, den 27. Mai, vor Überlegungen zu einer europaweiten Einführung der Wehrpflicht gewarnt.

Union warf Pistorius Verzicht auf die Wehrpflicht vor

Ursprünglich hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angekündigt, noch bis Ende Mai ein Konzept zur Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht in Deutschland vorzulegen. Zu Beginn der Woche legte er dem SPD-Präsidium erste Eckpunkte dazu vor.

Die Union kritisierte umgehend, dass das Wort „Wehrpflicht“ als solches darin nicht enthalten sei. Stattdessen setzt das bislang nicht offiziell der Öffentlichkeit präsentierte Konzept zumindest vorerst darauf, die Bundeswehr ausreichend attraktiv zu machen, um Freiwillige anzuziehen. Auch von einer allgemeinen Dienstpflicht, wie sie die Union Anfang Mai auf ihrem Bundesparteitag beschlossen hatte, war keine Rede.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, hat Pistorius daraufhin scharf kritisiert. Dieser und die SPD seien offenbar „weniger von der Sorge um Deutschlands Sicherheit und die unserer Verbündeten als von schlechten Wahlumfragen geplagt“. Hahns Aussage impliziert, dass er das Eintreten für eine Wehrpflicht nicht für eine Position hält, die Wahlsiege erleichtert.

Musterungsfragebogen muss beantwortet werden – sonst Sanktionen möglich

Ganz so einfach stellt sich die Sache jedoch nicht dar. Tatsächlich sollen Vorteile wie kostenloser Führerscheinerwerb, erleichterter Zugang zu bestimmten Studienfächern an Hochschulen und bessere Bedingungen für Studienkredite im Vordergrund stehen.

Gleichzeitig erklärte Pistorius, wie die „Zeit“ am Mittwoch berichtete, dass es „mittelfristig“ nicht nur um Freiwilligkeit gehen solle. Es sei eine Regelung geplant, die es erlaube, junge Menschen auch gegen ihren Willen einzuziehen. Pistorius dazu:

„Ganz ohne Pflicht wird es nicht gehen.“

Die erste Verpflichtung werde den Musterungsfragebogen betreffen, der jungen Menschen eines Jahrgangs zugesandt werden solle. Darin sollen sie Angaben über Fitness, Gesundheitszustand und allfälliges Interesse an einem Dienst in der Bundeswehr machen. Für das Nichtausfüllen des Bogens sollen Sanktionen drohen.

Anschließend will Pistorius in einem ersten Schritt zwischen 5.000 und 10.000 Rekruten zum Wehrdienst einziehen. Sollten sich nicht ausreichend Freiwillige finden, um die „Aufwuchsfähigkeit“ der Truppe zu gewährleisten, solle es auch Zwangsrekrutierungen geben. Das Modell sei an jenes in Schweden angelehnt.

Bundesverteidigungsminister Pistorius mit Soldaten in Litauen.

Bundesverteidigungsminister Pistorius mit Soldaten in Litauen. Foto: Alexander Welscher/dpa

Grüne Jugend: Pistorius-Pläne „öffnen Wehrpflicht Tür und Tor“

Die Jugendorganisation des Koalitionspartners Bündnis 90/Die Grünen hat sich gegen die kolportierten Pläne des Ministers ausgesprochen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur hat deren Co-Chefin Svenja Appuhn in Berlin Pistorius vorgeworfen, dieser mache mit seiner Musterungspflicht „unsere Generation zum Notnagel der Bundeswehr“.

Die „ohnehin schon krisengeschüttelte“ junge Generation werde dafür haftbar gemacht, dass es die Politik nicht schaffe, bessere Arbeitsbedingungen für Berufssoldaten zu gewährleisten. Sollten sich nicht ausreichend Freiwillige finden, werde doch zu Zwangsmaßnahmen gegriffen:

„Damit öffnet dieses Modell Tür und Tor für eine Wehrpflicht. Das lehnen wir ab.“

Ungarns Außenminister: „Das ist nicht unser Krieg“

Die Debatte um die Wehrpflicht scheint unterdessen auch die EU-Ebene erreicht zu haben. Am Montag tagte zum letzten Mal vor den EU-Wahlen der Rat der Außenminister der Staatengemeinschaft. Derzeit gibt es nur noch in sechs Ländern der EU eine Wehrpflicht. Dazu gehören Finnland, Griechenland, Österreich, Dänemark, Schweden und seit Jahresbeginn auch Lettland.

Wie „Magyar Nemzet“ mitteilt, sei es bei der Tagung nicht nur um weitere 6,5 Milliarden Euro für die Ukraine gegangen. Auf einer Pressekonferenz erklärte Ungarns Außenminister Peter Szijjártó, es sei auch das Thema der Wehrpflicht angesprochen worden. Offenbar gibt es in der EU Tendenzen, bestehende Regelungen in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren.

Ungarns Außenminister Peter Szijjártó. Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images

Szijjártó warnt davor, eine Verlängerung und Eskalation des Ukraine-Krieges in Kauf zu nehmen – und im Wege einer Salamitaktik am Ende noch Wehrpflichtige der EU-Staaten in den Krieg zu schicken. Szijjártó sieht einen Zusammenhang zwischen den immer höheren Verlusten an Menschenleben in der Ukraine, der Ausreisesperre für ukrainische Männer und den Bestrebungen, junge Menschen verpflichtend zur Armee einzuziehen. Im Fall einer Eskalation, so der Minister, würden zuerst Soldaten aus der geografischen Nähe herangezogen. Szijjártó erteilte solchen Ideen eine Absage:

„Hände weg von den jungen Menschen in Mitteleuropa, Hände weg von den jungen Menschen in Ungarn. Wir werden nicht zulassen, dass ungarische Jugendliche in den Krieg geschickt werden, denn das ist nicht unser Krieg.“



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