Koalitionsstreit neu entflammt: Pistorius will Ausnahme bei Schuldenbremse für Verteidigung

Pistorius zeigte sich laut Medienberichten verärgert über Scholz' Abfuhr, Mehraufwendungen für die Verteidigung als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von der Schuldenbremse auszunehmen.
Titelbild
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images
Von 16. Mai 2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich über fehlende Finanzzusagen für seinen Wehretat empört. Allerdings will er seine Verärgerung nicht als Rücktrittsdrohung verstanden sehen.

„Ich muss das hier nicht machen“, sagte der Politiker laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ in dieser Woche bei einem Koalitionsfrühstück, an dem Haushalts- und Verteidigungspolitiker der Ampelkoalition teilnahmen.

Zuvor hatte Pistorius bei einem Besuch in New York verlangt, Ausgaben für die Bundeswehr und auch für Teile der Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen. Hintergrund sind Streitigkeiten mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über die Haushaltsmittel der Bundeswehr.

Lindner lehnt jedoch jegliche Ausnahme von der Schuldenbremse ab und Kanzler Olaf Scholz (SPD) scheint ihn dabei bislang zu unterstützen.

Streit um Schuldenbremse

„Die Schuldbremse bliebe ja bestehen, aber die Ausgaben für Verteidigung und Zivilschutz würden nicht dort eingerechnet“, sagte der Verteidigungsminister. Pistorius fordert für 2025 eine Erhöhung des Wehretats um mindestens 6,5 Milliarden Euro. Derzeit vorgesehen sind nach Lindners Vorgaben 52 Milliarden Euro.

Unmittelbar vor der Steuerschätzung pochte der Finanzminister darauf, die Wehrausgaben aus dem regulären Haushalt zu bestreiten. „Wir können ungeahnte Spielräume eröffnen, wenn wir unseren Sozialstaat treffsicher auf Bedürftige konzentrieren, wenn wir die internationale Politik fokussieren, wenn wir inzwischen ineffektive und unnötige Subventionen reduzieren“, sagte er. „Außerdem sollten wir uns nicht immer mehr Zinsen aufhalsen, indem wir unkontrolliert Schulden machen.“

„Mit dem 100-Milliarden-Programm habe ich bewiesen, dass ich unorthodox denken und das Notwendige tun kann. Aber wir müssen den Sicherheitsbegriff erweitern“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die am Donnerstag, 16. Mai, erschienen.

„Auch die finanzielle Resilienz des Staates ist ein Faktor von Sicherheit. Wir können nicht über Jahrzehnte Schulden für die Bundeswehr machen, weil uns die Zinsen erdrücken würden.“

Pistorius: Sicherheit des Landes verfassungsrechtlich höher

Pistorius hat sich wiederholt für Mehraufwendungen für die Verteidigung als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgesprochen und dafür, dass diese von der Schuldenbremse ausgenommen werden.

Damit wollte er erreichen, dass jedes Jahr mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgegeben werden können. In den Augen des Verteidigungsministers sei die Sicherheit des Landes verfassungsrechtlich höher zu bewerten als die Schuldenbremse.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze stellt sich hinter ihren Parteikollegen: „Sparappelle allein werden der internationalen Lage, in der wir uns befinden, in keinster Weise gerecht“, sagte Schulze dem „Tagesspiegel“.

Laut FDP-Fraktionschef Christian Dürr sei die Schuldenbremse kein Hemmnis. „Sie ist vielmehr eine Lebensversicherung für die Stabilität unseres Landes – und eine Lebensversicherung kündigt man in schwierigen Zeiten nicht.“

Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul, äußerte gegenüber Pistorius‘ Vorschlag Kritik. „Bei Haushaltsforderungen muss man sich politisch durchsetzen. Da hilft Juristerei nicht weiter. Denn man könnte mit gutem Recht ja zum Beispiel auch sagen, dass die Mittel für die Grundsicherung Verfassungsrang haben“, so der CDU-Politiker zum „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND).

„Wir haben kein Einnahmeproblem“

Vor der Steuerschätzung am Donnerstag, 16. Mai, forderte Lindner weitere Einsparungen im Bundeshaushalt. „Wir haben in unserem Staat kein Einnahmeproblem – unser Problem betrifft die Ausgaben“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es gebe „immer höhere Anforderungen an den Staat“, kritisierte er.

„Wir finanzieren international enorm viele Projekte, obwohl die harte Sicherheit unseres Landes und die Ertüchtigung der Bundeswehr Priorität haben müssten“, sagte der Finanzminister. „Wir haben einen Sozialstaat, der leider zu wenig Anreize gibt zu arbeiten und eher erleichtert, angebotene Arbeit abzulehnen.“

Lindner will am Nachmittag die Ergebnisse der Frühjahrssteuerschätzung vorstellen. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hatte seit Dienstag seine Prognose für die Steuereinnahmen der Jahre 2024 bis 2028 erarbeitet.

Lindner will Änderungen beim Bürgergeld

Lindner pochte gegenüber den Funke-Zeitungen auf Änderungen beim Bürgergeld. „Es ist eine Gerechtigkeitsfrage, dass Leute, die arbeiten können, es auch tun“, sagte er. „Damit können wir den Arbeitskräftemangel bekämpfen und zugleich Milliarden Euro gewinnen.“

Bei der Vermittlung, der Zumutbarkeit von Jobs oder den Mitwirkungspflichten müsse die Arbeitsmarktpolitik „fordernder“ werden. „Arbeitskräftemangel und die Subventionierung von Arbeitslosigkeit passen nicht zusammen“, sagte er.

Zugleich stellte Lindner eine Anpassung der Einkommenssteuer in Aussicht. 2021 habe man mit dem Inflationsausgleichsgesetz dafür gesorgt, dass die Steuerzahler entlastet wurden, sagte er. „Bei der Lohn- und Einkommenssteuer wird das 2025 und 2026 fortgesetzt werden.“ Die Gehaltserhöhung dürfe bei der arbeitenden Mitte nicht zu überproportional höheren Steuern führen. „Kalte Progression wäre eine feige und unfaire Steuererhöhung, während auf der anderen Seite Sozialleistungen an die Inflation angepasst werden.“

Zugleich stellte Lindner weitere Entlastungen bei der Steuer in Aussicht. „2021 haben wir mit dem Inflationsausgleichsgesetz dafür gesorgt, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlastet wurden“, sagte er. „Bei der Lohn- und Einkommenssteuer wird das 2025 und 2026 fortgesetzt werden.“

Abschaffung der Steuerklassen III und V

Zudem gab Lindner das Versprechen ab, dass die geplante Abschaffung der Steuerklassen III und V zu keinerlei Mehrbelastung führen wird. „Es sind viele Musterrechnungen im Umlauf, mit denen Menschen Angst gemacht wird. Niemand wird weniger netto haben“, sagte der FDP-Chef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Das ist der große Unterschied zu der von den linken Parteien oft geforderten Abschaffung des Ehegattensplittings. Denn ohne Splitting würden Paare schlechter gestellt“, so Lindner.

Vom Ehegattensplitting profitieren Paare umso mehr, je größer der Gehaltsunterschied beider Ehepartner ist. Kritiker bemängeln, dass dies insbesondere für die häufig geringer verdienenden Frauen die Anreize für Mehrarbeit verringert.

Lindner erklärte, bei den bisherigen Steuerklassen III und V habe der Ehepartner mit dem geringeren Einkommen überproportional hohe Steuerlasten. „Bei der Steuerklasse IV mit dem sogenannten Faktorverfahren – die es heute schon freiwillig gibt, aber nun zur Regel werden soll – wird die Steuerlast auf beide Partner proportional verteilt. Das ist fairer.“

Lindner räumte ein, dass es bei der Umsetzung noch zu Verzögerungen kommen kann. „Im Jahressteuergesetz 2024 wird die Reform der Steuerklassen geregelt. Wir werden es in wenigen Wochen auf den Weg bringen und es soll schnellstmöglich in Kraft treten.“ Was das bedeute, müsse mit den Bundesländern diskutiert werden, die für die Steuerverwaltung zuständig seien, so Lindner. „Die Umstellung wird aber etwas Zeit brauchen.“

Lindner: „Selbstverantwortung, Respekt vor Leistung und Eigentum“

Lindner plant eine politische Karriere über die Bundestagswahl 2025 hinaus. „Unverändert habe ich das Gefühl, dass ich gerade erst angefangen habe, und die Ziele, die mir wichtig sind, werden ja drängender“, sagte der FDP-Chef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Selbstverantwortung, Respekt vor Leistung und Eigentum sind doch eher in der Defensive.“

Auf die Nachfrage, ob er über 2025 hinaus FDP-Chef und Finanzminister bleiben wolle, erklärte Lindner die Bundestagswahl zur Richtungsentscheidung. „Es ist offensichtlich, dass es im nächsten Bundestagswahlkampf um Freiheit, Generationengerechtigkeit, um die Entlastung der Bürger und um einen Staat geht, der den Menschen effektiv das Leben einfacher macht. Oder ob es zurückgeht zu Schulden, Steuererhöhungen und mehr Bevormundung“, sagte er.

„Klar will ich weiter dafür kämpfen und mitarbeiten, dass unser Land freier, faire, digitaler und moderner wird.“ Als Wahlziel nannte Lindner, die FDP strebe das dritte Mal in Folge ein zweistelliges Wahlergebnis an.

Auf die Frage, ob die FDP in der richtigen Koalition sei, sagte er, es gehe ihm „um die Sache, nicht um Koalitionsspielereien“. Die Nachfrage, ob der Eindruck täusche, dass die FDP einen Bruch der Ampel provozieren wolle, beantwortete der Parteichef mit einer Gegenfrage: „Warum sprechen wir nicht darüber, was unser Land braucht?“

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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