Knigge für Asylsuchende: „Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten“
Der Alltag in der kleinen Gemeinde Hardheim im Norden von Baden-Württemberg ist aus den Fugen geraten. Seitdem die beschauliche 4600-Seelen-Gemeinde rund tausend Flüchtlinge aufgenommen hat, hat sich für die Bewohner vieles verändert.
Ob vor dem Supermarkt, auf den Straßen oder am Fußballplatz, überall prägen fremde Gesichter das Alltagsbild. Viele der Asylsuchenden fallen durch ihr Fehlverhalten auf. Für Bürgermeister Volker Rohm (Freie Wähler) war das ein Grund, einen Verhaltenskodex an die Asylbewerber zu verteilen.
„Liebe fremde Frau! Lieber fremder Mann!“, beginnt das Schreiben, über das die Flüchtlinge laut Gemeinde in verschiedenen Landessprachen informiert wurden. „Viele von Ihnen haben Schreckliches durchgemacht. Krieg, Lebensgefahr, eine gefährliche Flucht durch die halbe Welt“, heißt es.
Aber trotzdem: „Deutschland ist ein sauberes Land und das soll es bleiben!“ Und wenn man öffentliche Toiletten benutze, „ist es hier zu Lande üblich, diese sauber zu hinterlassen“. Weiter geht es darum, Ware im Supermarkt zu zahlen, bevor man sie aufmacht. Oder nach 22 Uhr die Nachtruhe zu respektieren. Und: „Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten, nicht in Gärten und Parks, auch nicht an Hecken und hinter Büschen.“
Die Hardheimer Benimmregeln sorgen deutschlandweit für Schlagzeilen. Am Donnerstagvormittag bricht die Internetseite der Gemeinde zusammen, das Telefon im Rathaus steht nicht mehr still. Der „Spiegel Online“ kritisiert den Leitfaden, ohne dabei zu berücksichtigen, dass dies Missstände sind mit der die Gemeinde zu kämpfen hat.
Das Gemeindeoberhaupt verteidigt die Benimmregeln. „Der Leitfaden ist nicht als Schikane gedacht, sondern soll das Zusammenleben zwischen Asylbewerbern und Bevölkerung erleichtern“, sagt Rohm. „Wir wollen die Asylbewerber damit nicht zu guten Deutschen machen.“ Bei den Verhaltensregeln handele es sich um Empfehlungen nach Beschwerden, die überwiegend von Bürgern an das Rathaus herangetragen worden seien.
Angelika von Loeper, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg, sieht das anders: Zettel zu verteilen, in denen Vorurteile aneinandergereiht würden, trage keineswegs dazu bei, die Ängste der Bürger abzubauen. „Ich halte das für einen falschen Ansatz und hochproblematisch“, sagt sie. „Das nährt meiner Ansicht nach rassistische Tendenzen.“ Das baden-württembergische Integrationsministerium wollte sich nicht äußern.
Doch nicht alle teilen die kritische Auffassung: „Wenn Flüchtlinge nach Deutschland kommen, müssen sie sich an unsere Regeln halten. Hardheim sollte ein Beispiel für ganz Baden-Württemberg sein“, sagt der Bundestagsabgeordnete und Bezirksvorsitzender der CDU Württemberg-Hohenzollern, Thomas Bareiß. „Wir brauchen jetzt klare und unmissverständliche Integrationsregeln, der Vorstoß der Gemeinde Hardheim ist richtig.“ (so/dpa)
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