Klingbeil: Kühnerts Rücktritt hatte nichts mit Machtkampf zu tun

Der Rücktritt des SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert nährt Gerüchte über einen innerparteilichen Machtkampf. Nun meldet sich der Parteivorsitzende zu Wort.
Die Parteichefs schlugen sofort einen Nachfolger vor.
Die Parteichefs der SPD: Lars Klingbeil und Saskia Esken.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times12. Oktober 2024

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat Spekulationen zurückgewiesen, der Rücktritt von Kevin Kühnert als Generalsekretär sei Folge eines parteiinternen Machtkampfs gewesen. „Viele versuchen, das als Machtkampf in der SPD zu interpretieren. Das ist falsch“, sagte Klingbeil dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben).

Kühnert hatte am Montag seinen Rückzug von dem Amt aus gesundheitlichen Gründen bekanntgegeben und angekündigt, auch nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren. „Kevin hat Saskia Esken und mich an dem Wochenende informiert, dass er am Montag zurücktreten wird. Ich verrate aber kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir befreundet sind und ich durchaus in der Zeit davor schon gemerkt hatte, dass es ihm nicht gut geht“, erklärte Eskens Co-Vorsitzender.

Klingbeil: „Der Ton ist brutal geworden“

„Und jetzt gebietet es sich, Kevin als Privatperson in Ruhe zu lassen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu 100 Prozent um seine Gesundheit zu kümmern.“ Unabhängig von Kühnerts Entscheidung sagte Klingbeil: „Der Ton ist brutal geworden. Hass und Hetze haben enorm zugenommen.“

Am schlimmsten treffe es jüngere Kolleginnen und unter ihnen gerade jene mit Migrationsgeschichte. Landräte und Bürgermeister zögen sich aus der Politik zurück. Klingbeil: „Es ist ein riesiges Problem, dass die Guten – die Sensiblen, Empathischen und Mitfühlenden – sagen: Wir können den Anfeindungen nicht mehr standhalten.“

Roth wirbt nach Kühnert-Rücktritt für „Kultur der Nachsicht“

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth wirbt nach dem Rücktritt von Kevin Kühnert als SPD-Generalsekretär für eine „Kultur der Nachsicht“ und für mehr Achtsamkeit im politischen Betrieb. „In der Politik wird erwartet, dass man omnipräsent ist und zu jedem Thema immer etwas zu sagen hat“, sagte Roth zu „Ippen-Media“ (Mittwochausgaben).

„Man muss sich als Politiker in den Sturm stellen. Denn Politik beruht in einer Demokratie auf Streit“, erklärte der SPD-Politiker. „Der wird allerdings auch immer persönlicher geführt.“

Kevin Kühnert hatte seinen Rücktritt damit begründet, dass er Zeit und Energie brauche, um sich um seine Gesundheit zu kümmern. Auch Roth hatte sich 2022 zeitweise aus der Politik zurückgezogen. Damals hatte er öffentlich über seine Burnout-Diagnose gesprochen. „Das war ein langer, schmerzhafter Prozess. Ich neige zu einem protestantisch geprägten Arbeitsethos und es fiel mir schwer, Terminanfragen abzusagen, mal einen Schritt zurückzutreten, zur Ruhe zu kommen“, so Roth. „Man macht einfach weiter im Hamsterrad.“

Die sozialen Medien trügen dazu in erheblichem Maße bei, so der ehemalige Staatsminister. „Man ist permanent auf Sendung. Wir machen als Politiker heutzutage mehr Fehler, vor allem, weil wir einfach viel mehr sagen und verbreiten.“

Die Reaktionen darauf seien oft nicht sachlich, sondern sehr persönlich und hart. „Man kommt kaum mehr hinterher, jede Beleidigung, jede Bedrohung zur Anzeige zu bringen, weil das einfach so viel geworden ist. Das hinterlässt Spuren. Und leider gibt es in unserem Land und in der Politik keine Kultur des Verzeihens und der Nachsicht“, so Roth. Das müsse sich ändern.

Zur nächsten Bundestagswahl will Roth nicht mehr antreten. „Ich spüre inzwischen eine gewisse Entfremdung vom Politikbetrieb. Die harten Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre – wir haben ja schließlich um Krieg und Frieden gestritten – sind nicht einfach nur in den Kleidern hängen geblieben.“ Er wolle nun etwas Neues wagen und unter anderem ein Buch schreiben. Eine Rückkehr in die parlamentarische Arbeit komme für ihn nicht mehr infrage, so Roth.

Kühnert-Rücktritt: Schulz kritisiert Atemlosigkeit der Politik

Ähnlich sieht es der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz. „Du musst sieben Tage die Woche 24 Stunden lang verfügbar sein“, sagte Schulz dem „Spiegel“. „Du hast auch selbst das Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen. Bist du es mal nicht, und es passiert etwas, haut man dir das gnadenlos um die Ohren.“

Dazu kämen wenig Schlaf, die Atemlosigkeit des Politikbetriebs und eine Erwartungshaltung, die kein Mensch erfüllen könne, so Schulz. Dies führe dazu, „dass Politik schwer erträglich geworden ist“.

Schulz äußerte Hoffnung auf ein Comeback von Kühnert. „Viele Menschen hoffen, dass er sich erholt und zurückkommt. Das wünsche ich mir auch“, sagte er. „Egal ob er in die Politik zurückkehrt oder etwas anderes macht.“ (dts/red)



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