Klingbeil: Krise der SPD wäre nicht durch Pistorius als Kanzlerkandidat gelöst

Eine Person austauschen und alles wird gut? Das glaubt Lars Klingbeil, Chef der CPD, nicht. Es gelt, Vertrauen zurückzugewinnen. Er sieht drei konkrete Dinge, welche die deutsche Regierung noch tun soll.
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SPD-Chef Lars Klingbeil.Foto: Maryam Majd/Getty Images
Epoch Times5. September 2024

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil erwartet nicht, dass die Krise seiner Partei durch einen Kanzlerkandidaten Boris Pistorius gelöst wäre.

„Ich glaube nicht an so einfache Erklärungen wie: Wir tauschen eine Person aus, und dann wird alles gut“, sagte Klingbeil den Funke-Zeitungen vom Donnerstag. „Wir müssen uns Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern zurückerkämpfen. Da sind jetzt alle in der Verantwortung.“

Verteidigungsminister Pistorius ist derzeit in Umfrage der mit Abstand beliebteste SPD-Politiker in Deutschland. Kanzler Olaf Scholz hingegen, der bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr erneut antreten will, befindet sich aktuell in einem Umfragetief.

Auf die Frage, ob die SPD verlernt habe, mit der Bevölkerung zu sprechen, antwortete Klingbeil in dem Interview: „Nein.“

Wer ist der beste Bundeskanzler?

Anders als Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Klingbeil Amtsinhaber Olaf Scholz nicht zum besten Kanzler küren, den Deutschland je hatte. „Ich bin auch wegen Willy Brandt damals in die SPD eingetreten“, sagte Klingbeil.

Er sei „froh, dass Olaf Scholz unser Bundeskanzler ist“, sagte Klingbeil auf eine entsprechende Frage. Er wolle sich „gar nicht entscheiden müssen“, welcher der vier SPD-Bundeskanzler der beste sei.

Auf die Frage, ob er die Rolle des Kanzlers kritisch sehe, entgegnete Klingbeil: „Wir reden jeden Tag miteinander. Durchaus auch kritisch, aber vertraulich.“ Als Parteichef dränge er darauf, „dass sich Sachen ändern“.

Was sagt der SPD-Chef zu Esken?

Klingbeil nahm seine Mitvorsitzende Saskia Esken gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen in Schutz. „Jeder von uns kann mal in einer Sendung einen Satz sagen, der gegen uns gerichtet werden kann“, sagte Klingbeil in dem Interview.

„Als Gesellschaft müssen wir uns aber überlegen, ob wir mit Politikern egal welcher Partei so umgehen wollen, dass ein Satz wochenlang auseinandergenommen wird, statt auf das zu schauen, was konkret umgesetzt wird.“

Nach dem schwachen Abschneiden der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen steht Esken unter Druck. Sie hatte kurz vor den Wahlen zu der Messerattacke in Solingen in einer Talkshow gesagt, aus dem Anschlag lasse sich „nicht allzu viel lernen“ – dies wurde weithin kritisiert. Esken nahm diese Einschätzung später zurück.

Drei konkrete Dinge, die diese Regierung noch tun soll

Der SPD-Vorsitzende nannte der Ampel-Koalition konkrete Projekte, die vor Bundestagswahl kommen müssten. „Ich habe drei klare Erwartungen, was diese Regierung noch leisten muss“, sagte Klingbeil.

„Das Rentenpaket muss spätestens mit dem Haushalt in diesem Jahr verabschiedet werden.“

Zudem müssten die Löhne nach harten Jahren mit hoher Inflation weiter steigen. „Deswegen soll es öffentliche Aufträge nur noch für Firmen geben, die Tariflohn zahlen“, sagte der SPD-Chef.

Stromkosten müssen runter

Klingbeil will die Stromkosten der Unternehmen senken. „Das Hauptproblem der Autobranche und der deutschen Industrie insgesamt sind die hohen Energiekosten.“ Die Bundesregierung müsse mehr tun, um VW, Thyssenkrupp und andere zu stärken. „Ich halte nach wie vor den Industriestrompreis für richtig. Zudem müssen die Netzentgelte runter.“

Verbraucher und Unternehmen müssten aktuell die Kosten des Netzausbaus für die erneuerbaren Energien tragen, kritisierte Klingbeil. „Da muss der Staat finanziell mit reingehen, um die Kosten für die Bürger und die Industrie massiv zu senken. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Industrie.“

Klingbeil versprach: „Wir werden um jeden Industriearbeitsplatz hier bei uns kämpfen.“ Dafür setzt der Parteichef auf staatliche Investitionen: „Mir ist der Kampf um jeden einzelnen Arbeitsplatz wichtiger als die Schuldenbremse.“

E-Auto-Kauf staatlich fördern

Der SPD-Chef zeigte sich zudem offen dafür, den Kauf von E-Autos wieder staatlich zu fördern. „Ich würde mich der Wiedereinführung der E-Auto-Prämie nicht widersetzen. Gezielte Kaufanreize können helfen“, sagte Klingbeil.

Es gebe eine große Unsicherheit in Deutschland über die Zukunft der Elektromobilität. „Es ist fatal, wenn CDU-Chef Friedrich Merz in der Hoffnung auf schnellen politischen Geländegewinn die Elektromobilität immer wieder infrage stellt und so zur Verunsicherung beiträgt“, kritisierte der SPD-Vorsitzende.

„Wir müssen sehr ernst nehmen, was bei Volkswagen passiert“, fügte Klingbeil hinzu. Der SPD-Chef warnte das Unternehmen: „Wenn die Konzernführung alle Einschnitte gegen die Mitarbeiter durchdrücken will, dann wird das auf unseren Widerstand treffen.“

SPD-Linke will „schonungslose Aufarbeitung“ der Wahlergebnisse

Der Sprecher der SPD-Linken im Bundestag, Tim Klüssendorf, fordert eine „aufrichtige, aber gleichermaßen schonungslose Aufarbeitung“ der Wahlergebnisse sowie der Entwicklungen der vergangenen Monate und der massiven Vertrauensverluste.

„Für mich ist dabei klar, dass Durchhalteparolen nicht mehr weiterhelfen, sondern grundsätzlich über den Kurs der SPD bis zur Bundestagswahl diskutiert werden muss“, sagte Klüssendorf dem „Handelsblatt“.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sorgt sich um die Existenz seiner Partei. „Ein einfaches ‚Weiter so‘ wäre lebensgefährlich“, sagte er der Zeitung. Er habe selbst lange genug Führungsverantwortung in der SPD getragen, um zu wissen, dass Rufe nach personellen Konsequenzen selten zur Lösung beitragen. „Die Lage ist allerdings dramatisch, die Wahlergebnisse mit Blick auf AfD, BSW und unser eigenes Resultat als Kanzlerpartei ein Debakel.“

Stegner sieht auch den Markenkern der SPD, die Partei der kleinen Leute zu sein, in Gefahr. Er führt dies auf eine „mangelnde Betonung unserer Brot-und-Butter Themen wie Arbeit, Miete, Rente, Zusammenhalt von Stadt und Land“ zurück.

In den „deprimierenden Wahlergebnissen“ schlage sich außerdem der „unprofessionelle Dauerstreit“ in der Ampel sowie das „kampflose Überlassen des Friedens- und Migrationsthemas an die Populisten“ nieder. All das müsse nun „unverzüglich angepackt werden, wenn es besser werden soll“, sagte er. (dts/red)



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