Klimaziele einhalten: Bundesregierung beschließt Moorschutz-Strategie

Entwässerte Moore verursachen jährlich 7,5 Prozent der deutschen Treibhausgase. Das darf nicht so bleiben, sagt Umweltministerin Lemke. Nun soll es eine flächendeckende Wiedervernässung geben, die Landwirte vor enorme Herausforderungen stellt.
Die Aufnahme zeigt das wiedervernässte Gebiet des Teufelsmoors bei Worpswede (Niedersachsen). Weite Teile des Moors sind wiedervernässt und stehen unter Naturschutz.
Die Aufnahme zeigt das wiedervernässte Gebiet des Teufelsmoors bei Worpswede (Niedersachsen). Weite Teile des Moors sind wiedervernässt und stehen unter Naturschutz.Foto: picture alliance / dpa
Von 10. November 2022

Die vorherige Bundesregierung aus Union und SPD war noch am Versuch gescheitert, eine geeinte Moorschutzstrategie auf den Weg zu bringen. Nun hat eines der Herzensprojekte von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) die Kabinettshürde genommen. Und auch ihr grüner Kabinettskollege, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, spricht von einem „echten Klimaschutzbooster“.

Die Strategie sieht unter anderem vor, dass durch Wiedervernässung die jährlichen Emissionen bis 2030 um mindestens fünf Millionen Tonnen Treibhausgase sinken. Bislang nicht genutzte Moorflächen sollen auch künftig nicht genutzt und, wenn möglich, vollständig wiedervernässt werden. Die Bundesregierung will außerdem – wie bereits beim Ausbau erneuerbarer Energien geschehen – gesetzlich verankern, dass der Moorschutz im öffentlichen Interesse liegt.

Hintergrund sind die deutschen Klimaziele, die ohne wiedervernässte Moore wohl nicht eingehalten werden könnten. Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden. Sie machen nur 5 Prozent der Gesamtfläche des Landes aus, binden aber genauso viel Kohlenstoffdioxid (CO₂) wie alle deutschen Wälder zusammen. Derzeit sind 92 Prozent der Moore in Deutschland entwässert und damit nicht mehr in einem intakten Zustand. Das bedeutet nicht nur, dass sie kein zusätzliches CO₂ binden: Moore verschärfen dadurch sogar die Klimakrise. Denn jährlich setzen geschädigte Moorböden 53 Millionen Tonnen CO₂ in die Atmosphäre frei, was etwa 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen entspricht.

Dass diese natürlichen Ökosysteme für den Klimaschutz wieder fit gemacht werden müssen, ist im Bundesklimaschutzgesetz verankert: Funktionieren Wälder und Moore nicht als Kohlenstoffspeicher, wird Deutschland bis 2045 nicht treibhausgasneutral werden können. Laut Gesetz sollen Ökosysteme bis 2030 jährlich 25 Millionen Tonnen Treibhausgase binden.

Was der Moorschutz für die Landwirtschaft bedeutet

Viele Moorflächen sind so entwässert, weil sie landwirtschaftlich genutzt werden, vor allem als Grünland für Milchkühe. In Kooperation mit Ländern und Landwirten will die Bundesregierung daher alternative Bewirtschaftungsformen fördern. Dazu zählen etwa sogenannte Paludikulturen, also Verfahren zur nassen Bewirtschaftung mit heimischen Arten wie Torfmoosen oder Schilf. Für Landwirte soll es finanzielle Anreize geben, die Wiederherstellung von Mooren voranzutreiben.

Wie diese Anreize konkret aussehen, lässt die Strategie allerdings noch offen. Bis 2026 stehen dem Umweltministerium vier Milliarden Euro für den natürlichen Klimaschutz zur Verfügung. Welcher Anteil dieses Geldes nun in diese finanziellen Transformationsanreize fließen soll, ist noch unklar.

„Gleichwertige wirtschaftliche Alternativen“ bieten

Die flächendeckende Wiedervernässung soll vor allem auf freiwilligem Engagement von Landnutzern beruhen. „Ich bin mir sicher, dass viele mitmachen wollen“, sagt Umweltministerin Lemke. Sie sei sich sicher, dass mit dem gewählten Kooperationsmodell die Ziele beim natürlichen Klimaschutz erreicht werden können.

Laut Bauernverband werden derzeit rund eine Million Hektar Moorfläche in Deutschland von Landwirten bewirtschaftet. Noch vor einigen Jahrzehnten sei die Nutzung von Mooren zur heimischen Lebensmittelproduktion „staatlich gefördertes Ziel“ gewesen, gab Bauernvertreter Bernhard Krüsken zu bedenken.

Die Pläne der Bundesregierung beträfen nicht nur einzelne landwirtschaftliche Flächen, sondern „ganze Betriebe, Dörfer und ländliche Regionen“. Es sei deshalb wichtig, den Betrieben und Familien künftig, wenn sie auf die bisherige Nutzung von Mooren verzichten sollen, „gleichwertige wirtschaftliche Alternativen“ zu bieten. „Ordnungsrechtliche Eingriffe ohne Rücksicht auf die individuelle Situation der Betriebe verspielen das Vertrauen“, warnte er.

Photovoltaikanlagen statt grasende Kühe

Die Strategie sieht vor, nasse Moore möglichst so zu nutzen, dass sie auch auf anderen Ebenen einen Mehrwert haben. So könnten wiedervernässte Flächen künftig als Standort für Photovoltaikanlagen dienen. „Eine solche Transformation der Landwirtschaft zahlt sich auch ökonomisch aus“, heißt es in einer Zusammenfassung der beschlossenen Strategie.

Für die Milchviehbauern etwa könnte das bedeuten, ihre Kühe aufzugeben und stattdessen Solarstromanlagen auf ihr Land zu stellen. Dafür brauche es jedoch einen „attraktiven und tragfähigen Markt“ erklärte Krüsken. Wenn Wasserstände angemessen kontrolliert werden, muss aus seiner Sicht aber auch die Nutzung zur Lebensmittelerzeugung weiter möglich sein.

Umweltverbände teilweise enttäuscht

Insgesamt sei es ein „wichtiges Signal und längst überfällig“, dass es nun endlich gelungen sei, eine nationale Strategie zum Moorschutz zu verabschieden, teilt der Naturschutzbund Deutschland NABU auf dpa-Anfrage mit. Unzufrieden sei man aber über das Prinzip der Freiwilligkeit, auf das die Bundesregierung zur Wiedervernässung der Moore setze. Auch sei das Ziel, jährlich lediglich fünf Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zu sparen, nicht ambitioniert genug. Das entspreche gerade einmal zehn Prozent dessen, was entwässerte Moore derzeit jährlich ausstoßen. Auch andere Verbände wie beispielsweise der BUND halten das Einsparziel für zu niedrig.

Moorgebiete in Deutschland (Quelle: Global Peatland Database, Greifswald Moor Centrum 2020 (17)). Foto: Screenshot aus dem Diskussionspapier des Bundesumweltministeriums

Drei Viertel der Moorböden werden als Kulturlandschaft genutzt

Für Nicht-Fachleute sind die Gebiete meist nur noch über die Namen daran zu erkennen, dass sie einst Moore waren (Städte wie Wiesmoor, Hemmoor; auch Namen, die auf -ried, -laake oder in Bayern auf -moos oder -filz enden). Durch die Entwässerung werden die Böden tragfähiger für die Beweidung und den Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen.

Moore entstanden nach der letzten Eiszeit, als sich aus abgestorbenen Pflanzenteilen in feuchtkühlem Klima und Wasserüberschuss Torf bildete. Sie gelten als schwammartige Wasserspeicher mit daran angepasster Pflanzen- und Tierwelt.

Rund die Hälfte der Moorböden Deutschlands werden als Grünland, weitere 19 Prozent als Ackerfläche genutzt; 15 Prozent sind bewaldet, 6 Prozent sind Feuchtgebiete. Auf weiteren 5 Prozent der Moorböden befinden sich Siedlungen. Naturnahe Moore oder Restgebiete davon sind in Deutschland selten und stehen zum großen Teil bereits unter Schutz.

Viele entwässerte Moore kommen in der Landwirtschaft als Grünland für Milchvieh zum Einsatz. Eine Umstellung auf eine „nasse Moornutzung“ bedeutet eine andere Bewirtschaftung, die Landwirte meist nicht aus eigener Kraft bewältigen können.

(Mit Material der dpa)



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