Klimaschutzgesetz und Gerichtsurteile: Wie ernst ist Wissings Warnung vor Fahrverboten?
Offenbar aufgeschreckt durch das jüngste Urteil des EGMR hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing vor gravierenden Folgen gewarnt, sollte die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes ausbleiben. Selbst ein generelles und unbefristetes Fahrverbot an Wochenenden drohe, sollte keine Anpassung stattfinden.
Der Gerichtshof hatte es jüngst als „Verletzung der Menschenrechte“ beurteilt, dass die Schweiz in mehreren Jahren ihre Emissionsbegrenzungsziele verfehlt hatte. Den Staaten erwachse, so hieß es in dem Urteil, eine Verpflichtung, Maßnahmen zu setzen, um die im Pariser Klimaschutzabkommen verankerten Ziele zu erreichen.
Wissing nimmt auf mehrere Gerichtsurteile Bezug
Das jüngste Urteil des EGMR ist nicht das Einzige, das als mögliche Rechtfertigung für autoritäre Maßnahmen zum Klimaschutz gelesen werden kann. Bereits 2021 hatte in Deutschland das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz des Kabinetts Merkel IV für verfassungswidrig erklärt.
Die Karlsruher Richter bemängelten, dass in dem Gesetz keine konkreten Vorgaben bezüglich der Emissionsziele über das Jahr 2030 verankert war. Dies verletze die „Freiheitsrechte der jüngeren Generation“. Begründung dafür: Nach diesem Zeitpunkt werde der Druck, die Treibhausgasemissionen zu verringern, „so groß sein […], dass die Menschen in ihren Grundrechten massiv eingeschränkt sein würden“.
Wissing hält es für denkbar, dass die Höchstrichter dies auch schon jetzt billigen würden, sollten die Klimaziele anders nicht erreichbar sein. Deshalb deutete er mögliche weitreichende Maßnahmen auch in einem Schreiben an seine Kabinettskollegen an. In diesem forderte er die rechtzeitige Verabschiedung bereits im Kabinett selbst beschlossener Anpassungen des Klimaschutzgesetzes.
Expertenrat will Bericht am Montag vorlegen
Dieses sieht bis 2030 ein verbindliches Reduktionsziel bei den Treibhausgasen von 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Dazu kommen Sektorziele für unterschiedliche Bereiche wie Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude oder Landwirtschaft. Auf diese Weise soll das schrittweise Erreichen der Ziele gewährleistet sein.
Auch vonseiten der EU gibt es Vorgaben hinsichtlich einzelner Sektoren, deren Nichterfüllung Strafzahlungen zur Folge haben könne. Davor warnte erst im Vorjahr der von der Bundesregierung ins Leben gerufene „Expertenrat für Klimafragen“. Schon am Montag, 15. April, soll dieser seinen neuen Bericht vorlegen. In den Bereichen Verkehr und Gebäude erfüllt die Bundespolitik diese Vorgaben nicht.
Wie auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im November des Vorjahres unterstrich, ist die Bundesregierung im Fall des Verfehlens von Sektorzielen zur Ergreifung von „Sofortmaßnahmen“ verpflichtet. Diese müssten innerhalb von drei Monaten nach einer entsprechenden Bewertung durch den Expertenrat Platz greifen.
Gesamtbilanz stimmt – Sektoren Gebäude und Verkehr im Rückstand
Dies ist der Kontext, in dem Wissing nun vor möglichen Wochenendfahrverboten warnt. Diese wären eine potenzielle Maßnahme, um die Emissionsmengen auf das vorgesehene Maß zurückzuführen. Vorbild wären die „autofreien Sonntage“ während der Ölkrise des Jahres 1973.
Um das Szenario autoritärer und – wie Wissing selbst einräumt – „der Bevölkerung nicht vermittelbarer“ Maßnahmen zu vermeiden, die zudem die Lieferkette stören könnten, mahnt der Minister zum Handeln. Bereits im Vorjahr hatte sich das Kabinett grundsätzlich auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Die im Juli beschlossene Neuerung war auch im September bereits in erster Lesung im Bundestag.
Die Einhaltung der Klimaziele solle künftig nicht mehr rückwirkend und nach Sektoren überprüft werden. Stattdessen soll es sektorübergreifende und mehrjährige Evaluierungen geben. Dies mache insofern auch Sinn, als Deutschland insgesamt weniger Emissionen produziere. Dem Umweltbundesamt zufolge waren diese von 2022 auf 2023 um 10,1 Prozent gesunken.
Grund dafür seien vor allem Einsparungen im Energiesektor gewesen. Dort sei es zu einem geringeren Verbrauch fossiler Brennstoffe bei der Erzeugung von Strom und Wärme gekommen. Kritiker sahen dies als Folge von Deindustrialisierung.
Wissing fordert Verabschiedung der Novelle bis 15. Juli
Vonseiten der Grünen und diverser Umweltverbände kommt Kritik an Wissing. Dieser schüre „unbegründet Sorgen bei den Menschen“, äußerte Fraktionsvize Julia Verlinden gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“. Greenpeace spricht von einer „schlichtweg falschen“ Behauptung. Wissing lenke von eigener Untätigkeit im Verkehrssektor ab.
Tatsächlich hatten Verbände wie DUH und BUND mit ihren Klagen bereits konkrete Ziele zur Einschränkung von Mobilität eingebracht. So fordern sie Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 im Ortsbereich. Die FDP lehnt auch moderatere – und in der Bevölkerung mehrheitsfähige – Ansätze wie Tempo 130 ab. Der Minister unterstreicht, dass 22 Millionen Tonnen CO₂, die per Gesetz eingespart werden müssten, dadurch nicht erreichbar seien.
Wissing fordert die Verabschiedung der Novelle bis zum 15. Juli. Die Grünen haben einen Anreiz, dieser zuzustimmen – immerhin enthält sie auch ein Solarpaket. Uneinigkeit besteht offenbar noch bei der Frage, welche Schritte ein Ressort beim Verfehlen der Klimaziele auch dann treffen müsse, wenn die Gesamtbilanz als solche stimme.
Wenn Gerichte demokratische Entscheidungsprozesse ersetzen
Ein möglicher Weg, um der Entwicklung hin zur Einschränkung persönlicher und wirtschaftlicher Freiheit unter dem Banner des Klimaschutzes entgegenzuwirken, wäre eine gesetzliche Einschränkung des Verbandsklagerechts. Dem stehen jedoch EU-Vorgaben entgegen. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass die Union einem solchen Vorhaben grundsätzlich zustimmen würde.
Gleiches gilt für das Pariser Klimaabkommen selbst. US-Präsident Donald Trump hatte 2017 den Ausstieg der USA aus dem Vertrag verkündet, um dem Land seinen Spielraum in der Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik zurückzugeben. Sein Nachfolger Joe Biden machte den Beschluss jedoch wieder rückgängig.
Die Gerichtsurteile, die unter Bezugnahme auf das 2015 unterzeichnete Abkommen nationale Gesetzgeber zu rigiden Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes drängen, zeigen die invasiven Potenziale internationaler Abkommen auf. Auch wenn internationale Organisationen wie die UNO selbst keine hoheitlichen Befugnisse zur Durchsetzung ihrer Inhalte haben, können Gerichte in ihrem Interesse nationale Souveränitätsrechte dennoch effektiv aushebeln.
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