KKW-Betreiber widersprechen Habeck: Weiterbetrieb hätte ermöglicht werden könnten

Die Betreiber der 2023 endgültig abgeschalteten Kernkraftwerke haben Minister Habeck widersprochen. Dieser hatte erklärt, die KKW-Betreiber selbst hätten sich gegen einen Weiterbetrieb gesperrt. In internen Nachrichten an Mitarbeiter schilderten sie die Lage anders.
AKW Isar
Das KKW Isar 2 in der Nähe von Essenbach im Juli 2022.Foto: Lukas Barth/Getty Images
Von 4. Mai 2024

Die Affäre um mögliche Manipulationen interner Unterlagen zum Weiterbetrieb der KKW im Bundeswirtschaftsministerium scheint noch nicht ausgestanden.

Wie „Bild“ berichtet, widersprechen nun zwei bedeutende Energieversorger einer Darstellung von Minister Robert Habeck vor einer Woche. Habeck hatte in der Sondersitzung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie erklärt, die Betreiber hätten im Frühjahr 2022 einen Weiterbetrieb nicht für möglich gehalten.

Habeck will schon im Vorfeld des Ukraine-Krieges an KKW-Betreiber herangetreten sein

Der Minister hatte erklärt, dass es diese Aussagen gewesen seien, die ihn dazu veranlasst hätten, am Aus für die KKW festzuhalten. Zuvor hatte „Cicero“ berichtet, dass einflussreiche Mitarbeiter des Expertenstabs im Ministerium interne Papiere nach ideologischen Maßgaben „frisiert“ hätten. Auf diese Weise hätten sie neutrale Einschätzungen von Kraftwerksbetreibern als ablehnend geframt.

Bereits vor dem Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 sei man vonseiten des Ministeriums „aktiv auf die Betreiber der Atomkraftwerke zugegangen“, so Habeck. Dabei hätte man an sie die Frage gerichtet: „Können eure Dinger länger laufen? Und hilft es uns was?“ Ursprünglich hatte bereits das Kabinett Merkel II den Atomausstieg Deutschlands für den Jahreswechsel 2022/23 verordnet.

Diese 2011 unter dem Eindruck der Ereignisse im japanischen KKW Fukushima gefällte Entscheidung wollte die damalige Kanzlerin durch die günstigen Gasimporte aus Russland abfedern.

Diese standen unter dem Banner der Zuspitzung in der Ukraine infrage. Habeck erklärte, die KKW-Betreiber hätten sich aus technischen Gründen gegen diese Option ausgesprochen. Die Brennstäbe der letzten drei Meiler wären bis zum Jahresende ausgebrannt.

„Hätten Weiterbetrieb technisch und logistisch ermöglichen können“

In einem Schreiben an die eigenen Mitarbeiter treten die Vorstände von E.ON und PreussenElektra nun dieser Darstellung entgegen. Habeck habe, so heißt es dort, den Sachverhalt „erheblich verkürzt“ dargestellt und „wesentliche Argumente, die die Machbarkeit eines Weiterbetriebs belegen“, ausgeblendet.

PreussenElektra sei, wie in der Nachricht anklingt, „zu jeder Zeit offen für eine Prüfung und Umsetzung eines Weiterbetriebs“ gewesen und habe dies auch artikuliert. Auch E.ON habe „in der gesamten Debatte klargemacht, dass wir einen Weiterbetrieb des Kraftwerks technisch und logistisch ermöglichen könnten“.

Es sei jedenfalls unzutreffend, so die Betreiber, dass sich die Betreiber grundsätzlich einem längerfristigen Weiterbetrieb verschlossen hätten. Hätte die Bundesregierung dies gewünscht, hätte man einen solchen technisch und logistisch einrichten können.

Habeck: KKW-Betreiber haben Streckbetrieb angezweifelt

Habeck erklärte im Ausschuss, die KKW-Betreiber hätten im weiteren Verlauf des Jahres ihre ursprüngliche Information korrigiert. Anschließend sei die Rede von einem Weiterbetrieb von bis zu fünf Monaten gewesen. Entsprechend habe man sich für diesen Schritt einer dreimonatigen Laufzeitverlängerung entschieden.

Der Minister präsentierte die Entscheidung als Ausdruck des Pragmatismus und der Bereitschaft seiner Partei, im Interesse der Allgemeinheit über ihren Schatten zu springen. Dies sei auch die Leitlinie der Arbeit seines Hauses gewesen:

„Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet.“

Das Wirtschaftsministerium erklärte auf Nachfrage von „Bild“, wenige Tage nach Beginn des Ukraine-Krieges habe es vonseiten der Betreiber geheißen, ein Streckbetrieb bringe keine zusätzlichen Strommengen. Dies sei die Konsequenz daraus gewesen, dass man Anlagen, um diesen zu ermöglichen, während des Jahres hätte stilllegen müssen.

Grüne Minister waren im Sommer 2022 lediglich für Reservebetrieb

Explodierende Energiepreise und ein Stresstest der Bundesregierung hatten dem Thema spätestens im Sommer 2022 eine weitere Brisanz verliehen. Die Netzbetreiber, die mit dem Stresstest beauftragt waren, hatten darin eine „äußerst angespannte“ Versorgungssituation im bevorstehenden Winterhalbjahr diagnostiziert. In Frankreich waren damals zahlreiche KKW im Wartungsmodus.

Sie rieten dringend zur „Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungs- und Transportkapazitäten“. Ihre eindeutige Aussage lautete, dass Lastunterdeckungen durch den Streckbetrieb aller drei Kernkraftwerke „weitestgehend vermieden“ werden könnten.

Habeck reagierte sogar „irritiert“ auf einen Brief von PreussenElektra-Chef Guido Knott, der Zweifel an der Durchführbarkeit der Maßnahmen geäußert hatte. Allerdings hatte das Ministerium nicht mehr von einer Laufzeitverlängerung, sondern lediglich von einer „Kaltreserve“ gesprochen.

Kernkraftwerke, so Knott, seien aus technischen Gründen nicht für einen Reservekraftwerksbetrieb geeignet. Dementsprechend sei eine solche Maßnahme auch nicht geeignet, den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern. Dies habe man auch im Vorfeld gegenüber dem Ministerium kommuniziert.

Kanzler musste Koalitionsstreit mittels Machtwort beenden

In einem Interview mit der Epoch Times hatte im Oktober 2022 Uwe Stoll, der technisch-wissenschaftliche Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, zu dem Thema Stellung genommen. Er wies darauf hin, dass ein Streckbetrieb grundsätzlich nur für maximal 100 Tage möglich sei, bevor die Beschaffung neuer Brennelemente nötig würde.

Einen Reservebetrieb hielt er für wenig zielführend. Es brauche mehr als eine Woche, um die Anlagen wieder in Gang zu bringen. Außerdem sei zu beachten:

„Beliebig oft An- und Abfahren kann man ein Kernkraftwerk, das sich bereits im Streckbetrieb befindet und dementsprechend wenig spaltbares Uran im Reaktorkern hat, nicht.“

Die FDP trat vehement für einen Weiterbetrieb zumindest der noch produzierenden Kraftwerke ein. Am Ende war es Bundeskanzler Olaf Scholz, der mittels eines „Kanzlermachtworts“ anordnete, die KKW Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis 15. April 2023 weiterzubetreiben.



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