Kirchen kritisieren massive deutsche Rüstungsexporte: Katar „das weltweit Islamisten unterstützt” 2015 Empfängerland Nummer Eins
Die Kirchen in Deutschland kritisieren den anhaltend hohen Stand bei Rüstungsexporten. „Fast eine Verdoppelung der Rüstungsexportgenehmigungen gab es in 2015“, kritisierte Prälat Karl Jüsten, der katholische Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) am Montag in Berlin.
Auch im ersten Halbjahr 2016 sei kein Rückgang erkennbar gewesen. Die Bundesregierung hat noch nicht über eine strengeres Gesetz zur Rüstungskontrolle entschieden.
„Wir brauchen eine Revision der gesetzlichen Grundlagen“, forderte daher der evangelische Ko-Vorsitzende der GKKE, Martin Dutzmann. Konkret verlangt die GKKE, Kontrollbefugnisse des Bundestages zu verstärken und bestehende Leitlinien in einem Rüstungsexportkontrollgesetz zusammenzufassen.
Außerdem solle es ein Verbandsklagerecht gegen Rüstungsausfuhrgenehmigungen geben. Die Begründungspflicht für die Erteilung einer Genehmigung müsse „hin zu den Befürwortern von Rüstungsexporten verlagert“ werden.
Kritik übte die GKKE besonders am anhaltend hohen Anteil der Exporte in sogenannte Drittstaaten bei den Rüstungsausführen. Dies sind Staaten, die nicht der EU oder der Nato angehören oder diesen gleichgestellt sind. So sei der Golfstaat Katar, „der weltweit Islamisten unterstützt“, 2015 Empfängerland Nummer Eins für deutsche Rüstungsgüter gewesen, kritisierte Jüsten. Exporte in Drittstaaten sollten wenn überhaupt nur noch in begründeten Einzelfällen erfolgen, verlangte die GKKE.
In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung 2015 Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen für kommerzielle Rüstungsgüter im Wert von knapp 12,82 Milliarden Euro erteilt habe. Dies sei fast doppelt so viel wie 2014. An Drittstaaten wurden demnach 2015 Ausfuhren in Höhe von 4,621 Milliarden Euro genehmigt.
Skeptisch äußerten sich die Kirchen zu der von der Bundesregierung geplanten stärkeren Europäisierung der Rüstungsbeschaffung. Hier dürfe es nicht unter dem Schlagwort der „Harmonisierung“ zu einer De-facto-Absenkung existierender Standards kommen. Eine Stärkung der Rüstungsexportkontrolle auf europäischer Ebene müsse daher einer weiteren Europäisierung der Rüstungsindustrie vorangehen. Positiv bewertete die GKKE, dass sich die Transparenz von Rüstungsexporten verbessert habe.
Ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verwies darauf, dass derzeit der Konversationsprozess über eine mögliche Neuregelung der Rüstungsexportkontrolle laufe. Dieser sei eher langfristig angelegt, am Ende könnten konkrete Vorschläge stehen. Die Diskussionen sollen im kommenden Jahr fortgeführt werden, ein genauer Zeitplan für das weitere Verfahren könne derzeit noch nicht genannt werden.
Linken-Chef Bernd Riexinger nannte es angesichts der Flüchtlingskrise „pervers, dass wir nach wie vor Milliarden an Rüstungsgütern in Krisengebiete liefern“. Deutschland sei verpflichtet, 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungszusammenarbeit zu stecken. „Angesichts dieser Tatsache ist Aufrüstung die völlig falsche Botschaft“.
Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger nannte den GKKE-Bericht „ein friedenspolitisches Armutszeugnis“ für Union und SPD. Diese seien verantwortlich „für einen erschreckenden Höchststand bei den Genehmigungswerten für Rüstungsexporte“. (afp)
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